USA 2002 · 135 min. · FSK: ab 18 Regie: John Woo Drehbuch: John Rice, Joe Batteer Kamera: Jeffrey Kimball Darsteller: Nicholas Cage, Adam Beach, Peter Stormare, Noah Emmerich u.a. |
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Nicolas Cage und Adam Beach |
Die Bilder sind die Ruhe selbst. Langsam gleitet die Kamera über die Landschaft, streift ihr Blick die berühmten Felsen des Monument Valley im US-Südwesten. Einsame unschuldig-ursprüngliche Schönheit, die Natur scheint dem Menschen noch um ein Vielfaches überlegen; Land der Ewigkeit, Indianerland. Eine mythische Szenerie, ein Ort für Helden.
Dieser Beginn von John Woos neuem Film Windtalkers beschwört nicht nur die Mythen des Western, zitiert vor allem jene Kulisse, in der John Ford immer wieder seine Filme drehte; es handelt sich auch um ein Selbstzitat John Woos. Denn zu Beginn von Mission: Impossible II sah man ähnliche Bilder. Es dauerte freilich nur Sekunden, bis sich damals aus den toten Felsen Tom Cruise herausschälte, als Freeclimber in Christuspose an der senkrechten Wand hängend – der Held Erholung suchend für den Kampf.
Diesmal bleibt die Landschaft menschenleer. Erst nach Minuten lenkt ein Schnitt den Betrachter auf das Gesicht von Ben Yahzee (Adam Beach), einem Navajo-Indianer. Ben wartet auf den Bus, grüßt noch einmal Sohn und Frau. Auch er wird dieses Land gleich verlassen müssen, auch er mit einem unmöglichen Auftrag im Gepäck: Er soll, gemeinsam mit Stammesgenossen, Amerika retten vor dem Bösen aus Übersee. Denn wir befinden uns in den 40er Jahren, die USA stehen im Krieg mit Japan, und
ausgerechnet Ben kennt ein Geheimnis, um diesen Feind zu besiegen. Denn seine Sprache nimmt er mit, und als Militärfunker soll er – eine historisch belegte Episode – einer von jenen sein, die wichtige Nachrichten mit dem neu entwickelten Navajocode weitergeben. Der ist kaum zu entschlüsseln, kaum einer kann diese schwierige Sprache.
Am Anfang steht ein Abschied, der, wie so oft im Western, auch ein Aufbruch ist.
John Woos Filme sind Heldensagen. Sie erzählen nicht von der Wirklichkeit, sondern Märchen von Ruhm und Ehre, Mut und Verhängnis, oft geht es um Traumata, die ihre Helden plagen, vor allem aber handeln sie von der Freundschaft, auch der schwierigen, versteckten, zwischen Männern.
So hat es seinen guten Grund, wenn sich Windtalkers, formal betrachtet ein Kriegsfilm, stilistisch und in seiner Erzählweise eher am Western (und gelegentlich am Thriller) zu
orientieren scheint, wenn sein Ton episch ist, und sich der Regisseur ganz auf seine Hauptfiguren, ihren Kampf untereinander und mit sich selbst, konzentriert, wenn das Nach-Hause-kommen, nicht wie im Kriegsfilm das Sterben-lernen, im Zentrum steht.
Windtalkers besitzt alle typischen Merkmale des Kinos John Woos: Eine Poesie, die vor allem in stillen Momenten zum Vorschein tritt, eine seltene pathetische Eleganz aus dem Zusammenspiel von Schnitt und Musik, die vor allem in jenen Passagen zu sich selbst kommt, in denen nicht gesprochen wird, in denen Woos Kino reine Bewegung, pure Choreographie sein darf.
In genau diesem Ton geht es zunächst weiter: Man sieht einen Fluss, grüne Büsche. Die Kamera bewegt sich langsam flussaufwärts, da ist plötzlich rotes Blut im Wasser, lässt Unheil ahnen, lautes Maschinengewehrknattern zerstört die friedliche Idylle endgültig. Nicht das schlechteste Bild für den Krieg, das John Woo hier findet, und immer mal erinnert sein Film auch an die zeitlosen Meisterwerke von Coppola und Malick. Oder auch an Ang Lees wunderbaren Ride with the Devil, einen Kriegsfilm anderer Art. Ganz ähnlich wie dessen Held Jake scheint sich auch Ben in diesen Krieg immer nur verirrt zu haben, trotzt er ihm ein ums andere Mal Augenblicke der Ruhe, des Humors, der Menschlichkeit ab. Darum war es wichtig, dass Woo dem Zuschauer am Anfang erst einmal gezeigt, wo Ben herkommt, und dass er gute Gründe hat, wieder zurückzukehren. Die Herkunft von Joe Enders (Nicholas Cage) ist der Krieg. In der zweiten, den Frieden des Monument Valley verkehrt spiegelnden Einführung, sieht man diese andere Hauptfigur in der Hölle: Ein Stoßtrupp in auswegloser Lage, John muss mit ansehen, wie er seine 15 Männer in den Tod geführt hat. Er selbst überlebt als einziger, schwer versehrt, vor allem in seiner von Schuldkomplexen und Todessehnsucht geplagten Seele.
Der Film führt diese beiden Ungleichen zusammen, macht aus ihnen ein Paar, das alle Konventionen erfüllt. Trotzdem interessiert Woo Film-Dramaturgie offensichtlich so wenig wie das Genre Kriegsfilm. Er will von einer Schicksalsgemeinschaft erzählen, von der Nähe zwischen Freundschaft und Bedrohung, der heimlichen Verwandtschaft von Schutzengel und Mörder. Denn der Befehl, den John von seinen Vorgesetzten erhält, als sie ihn dem kriegsunerfahrenen Funker als ständigen Begleiter zur Seite stellen, lautet, »den Code« zu beschützen, »um jeden Preis«, also Ben notfalls zu töten, damit er nicht in Gefangenschaft fällt. Dick aufgetragen ist das alles von Anfang an, typisch für Woo: große Gesten, große Oper. Aber auch viel Ernst. Windtalkers dürfte der humorloseste aller Woo-Filme sein – kein Wunder bei einem Kriegsfilm. Aber vielleicht ist dieses Genre nicht wirklich das geeignete für jene Geschichten, die Woo erzählen möchte. Denn wenn er sich dann einmal, notgedrungen, von seinen Figuren entfernt, wirkt dieses wie eine Pflichtübung.
Woo ist offensichtlich keiner, der Krieg mag, aber hassen will er ihn auch nicht. Spürbar fehlt die Faszination für den Krieg als Bestie oder Lehrmeister, die so unterschiedliche Regisseure wie Coppola, Malick und Spielberg miteinander teilen. Und anders als Ridley Scott, dem es auch in Black Hawk Downgelang, wieder seine immergleiche düster-pessimistische Geschichte von den einsamen Jägern im Feindesland, vom schmalen Grad zwischen Zivilisation und Barbarei, in Gestalt eines Kriegsfilms zu erzählen, tut sich John Woo mit ähnlicher Absicht schwerer.
Windtalkers fügt sich zweifellos nicht nahtlos in jenen derzeitigen Boom der US-Kriegsfilme, der – wenn auch fast alles vorher produziert wurde – allzu gut in die politische Landschaft der Vereinigten Staaten im Gefolge des 11.9.2001 zu passen scheint. Keine Nähe ist erkennbar zu Infamien a la Wir waren Helden, die Patriotismus mit Führertum und blinder Gefolgschaft verwechseln, in denen die Kämpfer fortwährend wie einst in den Produkten des Dr.Goebbels ihre Begeisterung kundtun müssen, fürs Vaterland zu sterben. Im Gegenteil: Es gibt unübersehbare Kritik am Rassismus in der US-Armee, ist dies auch ein Film über das Fremdsein in der Heimat, und der Krieg selbst erscheint hier kaum als patriotische Pflicht und nie als Vater aller Dinge, sondern als blutiges Chaos, als purer Schrecken ohne einen Sinn – außer dem Überleben des Einzelnen.
Doch wird bis zum Ende nicht ganz klar, warum einer wie John Woo dafür nun ausgerechnet diesen Film gedreht hat. Fast glaubt man eine Überanpassung des am europäischen Kino geschulten Hongkong-Auteurs an die Bedürfnisse Hollywoods zu beobachten, wie sie sich schon in Mission: Impossible II andeutete. Obwohl Windtalkers kein schlechter Film ist, hat John Woo, kein Zweifel, schon bewiesen, dass er viel bessere Filme drehen kann, als diesen, bedient sich seine Geschichte allzu vieler Vereinfachungen, oft vorhersehbarer Klischees, verlässt er sich zu wenig auf das Filmische selbst und seine Hauptfiguren.
So hält man sich an die Eleganz der Bilder und an einige wunderbare Augenblicke: die Schönheit der Stille, und die Ruhe vor dem Sturm, die dieser Regisseur zu inszenieren vermag, wie sonst kein Zeitgenosse, an seine Freiheit, seinen Figuren Augenblicke des reinen menschlichen Gefühls zu gestatten, das nicht erklärt wird und nichts erklärt, das man entweder nachempfinden oder als sentimental verwerfen wird, und – noch einmal ganz zum Schluss – an die ewige Ruhe im Monument Valley.