Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

Wag the Dog

USA 1998 · 97 min. · FSK: ab 12
Regie: Barry Levinson
Drehbuch: , ,
Kamera: Robert Richardson
Darsteller: Dustin Hoffman, Robert de Niro, Anne Heche, Denis Leary u.a.

Wahrheit und andere special effects

Barry Levinsons geniale Farce über die Politik im Zeitalter ihrer tech­ni­schen Produ­zier­b­ar­beit

Existiert Saddam Hussein? Oder ist es in Wahrheit Walther Matthau, der da mit falschem Schurr­bart und grüner Uniform in einer Washing­toner Blue Box sitzt, und den geliebten Feind der Amis mimt? Wer weiß schon was wirklich passiert?

Wag the Dog, der neue Film von Barry Levinson (Rain Man, Sleepers) ist ein gefun­denes Fressen für alle verschwö­rungs­theo­re­tisch geschulten Zeit­ge­nossen. »So isses« hört man sie schon in die Hände klatschen, »so isses«, um dann mit der vierten Halben ihr »Ich wußt’s ja schon immer« herun­ter­zu­spülen.
Und wer von uns wäre nicht anfällig für irgend­eine bestimmte Variante der Welter­klä­rung aus einem Guß, die in drei­ein­halb Minuten mal eben klar­stellt, wie konspi­rativ die Dinge wirklich liegen und gleich nebenbei noch die Schuld­frage klärt. Es muß ja nicht immer so deppert sein wie neulich, als Unions-Pfarrer Hintze uns weis­ma­chen wollte, die Grünen seien eigent­lich die größten Kapi­ta­listen, denn wer sonst könne sich schon 5 Mark pro Liter Benzin leisten.

Wir alle, tages­schau und CNN-geschulten Zuschauer (klar Freunde, unglaub­lich kritisch natürlich, wer von uns würde schon auf Ulrich Wickert rein­fallen?), finden die Dinge – seien wir ehrlich – doch gele­gent­lich gar zu kompli­ziert. Da nimmt man dann dankbar zur Kenntnis, daß in Wahrheit alles ganz einfach ist: Schuld haben wahlweise Washington, die Russen­mafia oder El Nino.
Aber nun endlich zur Sache: Schließ­lich gehts hier um Film, und da ist bekannt­lich alles anders, klarer ehrlicher Lug und Trug, sonst nichts. Würden Barry Levinson und sein Mitpro­du­zent Robert de Niro, der zur Gelder­sparnis auch gleich die Haupt­rolle über­nommen hat, das alles nämlich ernst meinen, wären sie auch nicht viel besser, als jener ältere Herr mit den durch­drin­genden Augen, der täglich im Trench­coat an der Ecke steht, und kleine grüne Zettel verteilt, auf denen gefragt wird »Queen Elisa­betheine jüdische Frei­mau­rerin ?«

Wahr­schein­lich glaubt jetzt keiner, daß es den Typ wirklich gibt. Viel­leicht wird hier ja auch nur gerade die Theorie von der Verschwö­rung der Verschwö­rungs­theo­re­tiker entwi­ckelt. Das haben Verschwö­rungs­theo­rien nämlich so an sich, daß man sie fort­wäh­rend und bis ins Unend­liche weiter­spinnen kann.

Ok, zurück zum Film. Und bitte keine Sorge. Levinson macht das alles ja gerade nicht. Er und seine Kumpane nehmen sich selbst und ihr Thema nicht todernst. Wag the Dog ist eine Satire, und zwar eine sehr gute. Das bedeutet: Sie ist genau um das Maß verrückt und über­kan­di­delt, damit der Film Spaß macht, und nicht in eine bleierne Predigt ausartet, die uns Zuschauern erklärt, wie furchtbar böse die Welt sei, und daß man heut­zu­tage überhaupt niemandem mehr trauen kann.

Es geht um den US-Präsi­denten. Der hat einem Girl Scout seinen Bill gezeigt, und dies ausge­rechnet 10 Tage vor der Wahl. Zeit für Conrad Brean, den »Mr.Fix-it« des Präsi­denten, gespielt von einem Robert de Niro, der hier einmal mehr den größten Teil eines Films im Sitzen verbringt. Brean ist eine Art Klempner für Medi­en­fragen: wenn er seine Arbeit gut macht, dann merkt es keiner. Ande­ren­falls beginnt es gehörig zu stinken. Im Folgenden wird nun detail­liert und mit der ausrei­chenden Portion Zynismus beschrieben, wie Mr. Fix-it seinen Job macht: »Verändere die Story« heißt die Methode. Die größte Kunst der Desin­for­ma­tion ist das Dementi von Dingen, nach denen gar nicht gefragt wurde.

Noch inter­es­santer als präsi­den­tialer Sex ist für die breite Öffent­lich­keit nur ein kleiner feiner Krieg. Weil der aber zu teuer käme, muß man halt so tun, als ob. Albanien wird zum Feind auser­koren. Warum Albanien? »Warum nicht?« fragt Brean zurück, und bringt damit die Dinge auf den Punkt. Um nun die Show perfekt zu machen, genügen nicht allein rheto­ri­sche Stra­te­gien, man braucht Bilder. Denn gegen die gibt es kein Argument mehr. Hier kommt nun Stanley Motss, ein genia­li­scher Holly­wood­pro­du­zent, ins Spiel. Er bedient die Medi­en­ma­schiene perfekt, und aus deren totaler Mobil­ma­chung erwächst die totale Mani­pu­la­tion.

Waging the Dog bedeutet auf Englisch, daß der Schwanz mit dem Hund wedelt. Die Message von Wag the Dog ist so einfach wie offen­sicht­lich: Die Bilder in Film und Fernsehen täuschen uns alle, Wahrheit ist technisch repro­du­zierbar, Moral und Gerech­tig­keit sind special effects. Letztlich geht es um die Macht, und um sonst gar nichts. Das ist sicher eine unan­ge­nehme Lektion für jene, die es gern besonders harmo­nisch hätten. Und für alle politisch-Über­kor­rekten. Denn natürlich sind die Klempner aus dem Weißen Haus nicht die einzigen Bad Guys. Sie reagieren auch auf eine Medi­en­ma­schiene, und eine Zuschau­er­schaft, die das Zuhören längst verlernt haben, und rationale Erklä­rungen nicht akzep­tieren. So wird die Verschwö­rung zum Normal­zu­stand.

Wir Alltags-Para­noiker wissen natürlich schon lange, daß Sein und Schein nicht zu trennen sind. Die wahre Welt sei eine Fabel, schrieb bereits Nietzsche, und wenn das stimmt, dann ist die Fabel die wahre Welt. Wahrheit und Lüge verschmelzen zu einem unun­ter­scheid­baren Brei, den wir im Publikum dann auszu­löf­feln haben. Solange es von Barry Levinson zusam­men­ge­kocht wird, kann man sich das gefallen lassen. Seine grotesk-komische Farce um Politik und Medi­en­macht ist überdreht und versponnen, und dabei auch gleich noch eine clevere Hollywood-Satire. Übrigens, ganz unter uns: Irgendwie isses halt wirklich so.