War Photographer

Schweiz 2001 · 96 min.
Regie: Christian Frei
Drehbuch: ,
Kamera: Peter Indergand

Brennende Häuser, rauchende Trümmer, Experten, die stark verweste mensch­liche Überreste aus einem Massen­grab sortieren. Mitten auf der dem Land in Schutt und Asche steht James Nachtwey in makellos weißem Hemd, das dichte Haar korrekt geschei­telt und foto­gra­fiert. Er macht Bilder von klagenden Müttern, Ehefraue,n Schwes­tern. Er geht ganz nah heran an die schmerz­ver­zerrten Gesichter, uner­träg­lich nahe geradezu. »Wenn ein Bild schlecht ist, warst Du nicht nah genug«, ist seine Maxime. Und man lässt ihn gewähren, manchmal scheint es, dass die Klage­schrei lauter werden, sobald er die Kamera hebt. Die Menschen wissen, dass Nachtweys Bilder der Welt von ihrer Tragödie erzählen, in ihrem Namen stumme Anklage erheben.

Nachtwey ist Kriegs­fo­to­graf, einer der besten der Welt. Seit mehr als 20 Jahren reist er mitten ins Zentrum des Schre­ckens. Durch seinen Sucher hat er das Grauen in all seinen Spiel­arten gesehen. »Ein Express­lift zur Hölle«, so beschreibt er seine Reisen.

Filme­ma­cher Christian Frey hat Nachtwey in das Inferno begleitet. Er will den Mann zeigen, der hinter den vielfach preis­ge­krönten Fotos steht. Ein Projekt, dem der Fotograf zunächst ablehnend gegenüber­stand, weil er seine Arbeit gefährdet sah. Erst die Idee einer eigens konstru­ierten Mini­ka­mera, die auf Nachtweys Foto­ap­parat montiert wurde, hat den Film überhaupt möglich gemacht. Und so späht der Zuschauer gemeinsam mit dem Foto­grafen durch den Sucher und verfolgt hautnah den Entste­hungs­pro­zess eines bestimmten Bildes: Das Profil eines Jungen, den eine Machete vers­tüm­melte. Ein einbei­niger und einarmige Mann aus Jakarta, der mit seinen Kindern spielt. Paläs­ti­nen­si­sche Straßen­kämpfer, die mit Stein­schleu­dern gegen Panzer vorgehen. Geronnene Momente der Agonie, des Hasses, des Elends und des Schmerzes. Kompo­si­tionen in schwarz-weiß, deren Anblick erst durch ihre Ästhe­ti­sie­rung erträg­lich wird. Doch gleich­zeitig ist es diese Ästhetik des Grauens, die ihrer­seits Unbehagen vermit­telt. »Das sieht super aus«, sagt der Redakteur ange­sichts eines Leichen­bergs während er die Fotos für die nächste Ausgabe des Stern zusam­men­stellt.

James Nachtwey macht diese Arbeit viel­leicht auch, weil er den Adre­na­lin­kick der Todesnähe braucht, um sich lebendig zu fühlen, wie die CNN-Repor­terin Chris­tiane Amanpour vermutet. Er macht sie aber vor allem, weil er glaubt, mit seinen Bildern die Welt ein Stück verändern zu können. Mit der Kamera in der Hand tritt er an gegen die uner­bitt­li­chen Wind­müh­len­räder der Geschichte, in der jeder Krieg bereits den nächsten gebiert. Ein einziges starkes Bild von einem verhun­gernden Kind, verbreitet durch eine wichtige Illus­trierte kann mehr Hilfe mobi­li­sieren als die gesichts­lose Hunger­sta­tistik der WHO. Diese Über­zeu­gung rettet Nachtwey vor dem Zynismus vieler Kollegen. Doch selbst ein Gentlem­an­fo­to­graf wie er entgeht nicht der Krux diese Berufs­standes: Er profi­tiert zwangs­läufig von dem Leid der Menschen, die er ablichtet. »Dieser Gedanke verfolgt mich«, bekennt Nachwey. »Ich weiß, dass ich meine Seele verkaufen würde, wenn ich jemals Karriere und Geld Herr werden ließe über mein Mitgefühl.«

Sein Kollege Kevin Carter ist an diesem mora­li­schen Dilemma zerbro­chen. 1994 erhielt er den Pulit­zer­preis für das Bild eines zusam­men­ge­krümmten, ausge­mer­gelten Kinder­kör­pers hinter dem ein Geier hockt. Kurze Zeit später brachte Carter sich um. Er konnte sich nicht verzeihen, dem hungernden Kind nicht sofort geholfen zu haben.