Voll verheiratet

Just Married

USA 2003 · 95 min. · FSK: ab 6
Regie: Shawn Levy
Drehbuch:
Kamera: Jonathan Brown
Darsteller: Ashton Kutcher, Brittany Murphy, Christian Kane, David Moscow u.a.
Ashton Kutcher und Brittany Murphy

Venice Beach statt Venedig

Dieser Film ist schlecht. Richtig schlecht. Von Anfang an stimmt die Chemie nicht zwischen den beiden Haupt­dar­stel­lern, und selbst wer – je nach Geschmack – Brittany Murphy oder Ashton Kutcher eigent­lich irgendwie schnu­ckelig findet, fragt sich spätes­tens nach einer Vier­tel­stunde, warum er sich diesen Schrott angucken muss.

Die Geschichte, wenn man sie denn so nennen möchte, handelt von einem unglei­chen Paar, das sich liebt, heiratet, und auf der Hoch­zeits­reise merkt, wie ungleich es ist, und dass das ja alles nicht funk­tio­nieren kann. Oder eben doch, denn wieder zu Hause dauert es nicht lange, damit die beiden sich versöhnen, im Grunde – wir sind in Hollywood – zählen ja nur Luft und Liebe. Und vor Schreck erstarrt der Zuschauer im Kino­sessel, fürchtend, es könnte ja neuen Streit und somit eine Fort­set­zung von Voll verhei­ratet geben...

Bis vor ein paar Wochen hätte man es dabei bewenden lassen können. Dann aber machte es »Rums!« und das schnöde Wort vom »Alten Europa« die Runde. Daran denkend sieht man auch den Film plötzlich mit neuen Augen. Denn Tom und Sarah, die Süßen, fahren ja zum Honeymoon nicht irgendwo hin, sondern zuerst auf ein lieb­li­ches Schlöss­lein nach Frank­reich (das aller­dings erkennbar in Tirol gedreht wurde – so genau kennen die Location-Scouts ihr Good Old Europe eben doch nicht), dann nach Venedig – sozusagen ins kultu­relle Herz des Konti­nents. Überall begegnen ihnen nun lauter schreck­liche Sachen, Kaker­laken zum Beispiel, (die unse­rer­eins noch nie in Italien, sondern nur in Florida getroffen hat, aber das gehört hier nicht hin), Strom­aus­fälle, Franzosen, die schlecht Englisch sprechen. Und unser all-american-Traumpaar benimmt sich nicht etwa selbst­be­wusst, souverän und locker, wie ein glück­li­ches Hoch­zeits­paar, sondern so, wie Ameri­kaner es in letzter Zeit eben in fremder Umgebung öfter tun: daneben. Unhöflich und pöbelnd, frem­den­feind­lich und ignorant trampeln die beiden durch Hotels und Kultur­denk­mäler. Und plötzlich begreift man: Sie haben eigent­lich Angst. Sie möchten eigent­lich nur gar zu gern zurück in ihr vertrautes Standard-Motel-Bett, in den Diner wo sie ihren Lieb­lings­burger mit Diet-Coke verzehren, lieber nach Venice Beach als nach Venedig, in die Sports Bar statt in die Frari-Kirche.

Und plötzlich versteht man, dass Shawn Levys wahn­sinnig ener­vie­render Film nichts anderes ist, als die exakte Beschrei­bung der ameri­ka­ni­schen Verzweif­lung, sich umzingelt von einer Welt zu finden, die Amerika nicht versteht, weil sie nicht so ist wie Amerika – umzingelt von einer Welt, die kein Disney­land werden möchte, obwohl sogar in Venedig schon american-sports­bars herum­stehen. Ein versteckter Hilferuf also. Und wir haben, ausnahms­weise, im Namen des ganzen alten Europa vor allem richtig Mitleid.