Unbreakable – Unzerbrechlich

Unbreakable

USA 2000 · 107 min. · FSK: ab 16
Regie: M. Night Shyamalan
Drehbuch:
Kamera: Eduardo Serra
Darsteller: Bruce Willis, Samuel L. Jackson, Robin Wright Penn, Spencer Treat Clark u.a.
Dunne im Schnellzug

Von Pfadfindern und Supermännern

Unzer­brech­lich erschien uns Bruce Willis schon immer. In vielen Action­filmen konnte man ihn in Rollen erleben, die sich nur in Nuancen vonein­ander unter­schieden: Der Held, der allein sicher ist, letztlich unver­wundbar bleibt, für das Gute kämpft, und das Böse besiegt.
Was Willis dabei aber von den anderen, einem Schwar­ze­negger, Eastwood und selbst Keanu Reeve abhob, und zu »dem« Helden der 90er Jahre werden ließ, war seine Ironie. Ständig, gerade in den gefähr­lichsten Momenten und Situa­tionen schien ein Lächeln seine Lippen zu umspielen und bedeutete dem Zuschauer: Alles halb so schlimm. Willis nahm sich nie ernst, und das war bisher­sein Erfolgs­ge­heimnis.

Am Anfang von Unbre­a­kable gibt es eine besonders lange Kame­ra­ein­stel­lung. Man sieht, durch die vordere Sitzreihe eines Schnell­zuges hindurch, Willis aus dem Fenster blicken. Feine Nuancen der Kame­ra­be­we­gung, des Bild­aus­schnitts, des Tons verraten mehr dem Unter­be­wusst­sein des Zuschauers, als seinem Hirn, das gleich etwas Schlimmes geschehen wird. Doch man sieht nichts.
Willis plaudert mit einer jungen Sitz­nach­barin, und an der Art wie er mit ihr flirtet, wie er sich heimlich den Ehering vom Finger streicht, wie er sich dann aber dezent zurück­zieht, als er merkt, dass er keine Chance hat, erfährt man viel über jenen David Dunne, den der Star diesmal verkör­pert: Ein Durch­schnitts­mensch in der Krise, ein stink­nor­maler Sicher­heits­be­amter, mit Sohn und unglück­li­cher Gattin, wenig Geld und keiner Hoffnung auf Besserung.

Dies ist die beste Szene von M.Night Shyamalans Film, denn hier funk­tio­niert sein System. Lang­sam­keit, Dehnung der Zeit bis zur Trägheit, mitunter zum absoluten Still­stand. Schon in The Sixth Sense, der ersten Zusam­men­ar­beit von Regisseur und Star, war das mitunter sehr präten­tiös. Auch damals tarnte sich Shyamalan durch eine scheinbar konse­quent realis­ti­sche Erzähl­weise. Erst am Ende wurde der Zuschauer aus seinen Eindrü­cken heraus­ge­rissen, und erhielt die entschei­dende Infor­ma­tion, die ihn alles in neuem Licht sehen ließ. Struk­tu­rell funk­tio­niert Unbre­a­kable ähnlich. Schneller merkt man diesmal, dass der »Realismus« nur Schein ist, und ahnt, dass die Story am Ende eine Wendung nimmt, die alles verändern wird.

Sekunden nach dem Gespräch im Zug, doch das sehen wir nie, wird der Zug fürch­ter­lich verun­glü­cken. Dunne, aber auch das wird erzählt und nicht gezeigt, ist der einzige Über­le­bende, nicht einen Kratzer trägt er aus dem Inferno davon. Der Rest des Films handelt davon, wie dieser Mensch zu begreifen lernt, dass er alles andere ist als durch­schnitt­lich, wie er sich selbst neu kennen­lernen wird, und akzep­tieren muss, dass er ein Held ist und eine Mission hat.

Wie wird ein Filmheld konstru­iert? Immer wieder führt uns das Kino vor, wie Helden entstehen. Große Taten, schöne Posen, manchmal nur eine Hand­be­we­gung machen den Helden ausdoch in jedem Fall etwas Sicht­bares. Der Film konstru­iert seine Helden durch ihr Handeln. Shyamalan nun überprüft diese Thesen, indem er das Gegenteil versucht. Er behauptet, dass der Held allein in der jenseits der Sicht­bar­keit existiert, das alles, was passiert, unseren Köpfen geschieht. Konse­quent verzichtet er lange Zeit auf alle Action, auf alle sicht­baren Beweise für Willis/Dunns Helden­status. Aus diesem Grund verzichtet er auch auf die Darstel­lung des entglei­senden Zuges dies wäre der augen­schein­liche Beweis für die Unver­wund­bar­keit der Haupt­figur. So bleibt es bis zum Ende möglich, dass auch dies alles nur in der Einbil­dung existiert, von den Köpfen abhängig istdiesmal denen der Zuschauer. Der ganze Film enthält nur zwei Szenen, die man mit einigem Wohl­wollen als Action bezeichnen kann.

Erst am Ende bricht Shyamalan mit seinem Prinzip, alles zu sagen, statt zu zeigen. Als Dunn nach innerer Katharsis endlich zum Einsatz bereit ist, werden wir zu Zeugen deiner zweiten Geburt. So weit gekommen hätte man sich mehr Konse­quenz gewünschtes wäre reizvoll gewesen, von Dunns Heldentat nur wie der Sohn beim Frühstück von der Zeitung zu erfahren.

Doch noch einmal zurück: Zum Held wird Dunn/Willis ansonsten nur, weil zwei Menschen an ihn glauben: Der allwis­sende, gott­va­ter­hafte Mentor und Händler von wert­vollen Comic-Ausgaben, Elijah Price (nicht grundlos nach dem bibli­schen Propheten benannt), der als hoch­ver­wund­barer »Mr.Glass« hier auch in erster Linie als Nega­tiv­folie für Dunn fungiert, und Dunns Sohn Joseph. Wie in The Sixth Sense ist es das Kind, das mehr sieht, als die Erwach­senen, wie in The Sixth Sense sieht die Haupt­figur am wenigsten. In diesem, letztlich esote­ri­schen Hin und Her zwischen Sehen, Blindheit und zweitem Gesicht, der Behaup­tung, das »Alles ist mit allem verbunden ist«, erweist sich Shyamalan als der Mystiker, der er auch schon in The Sixth Sense war. Er zeigt Charak­ter­struk­turen von Auser­wählten, Erfahrung jenseits der Erfahrung. Gott lässt Ausnahmen zudas muss man glauben, um diesem Film zu glauben.

Dunn, der Held, der schließ­lich gezwun­ge­ner­maßen seinen gött­li­chen Auftrag anzu­nehmen lernt, hat wie sich zeigt, neben seiner Unver­wund­bar­keit auch einen sechsten Sinn. Der lässt ihn nicht nur den Mann in der Menge taxieren, ziel­si­cher die Schuld eines jeden Menschen erkennen, er lässt ihn auch mora­li­sche Wertungen ihrer Taten vornehmen. Diebstahl und Date-Raping erfordern, so kann man beob­achten, keine Taten des Super­helden, erst wo der Tod droht, greift er ein. Es muss schreck­lich sein, als Ameri­kaner keine Aufgabe im Leben zu haben. »The scariest thing in the world: to not know your place in the world.« heißt es kurz vor Film­schluß. Jetzt endlich kennt er sie: Er muss die Mensch­heit vor den »arch-villains« retten. (Viel­leicht ging es George Dubbleju vor zwei Jahren ähnlich.) So rettet er nach langem Anlauf am Ende überdies auch – »I had a bad dream.« »Its over now« noch seine Ehe, und alles gerinnt vollends zu mora­li­schen Klischees.

Inter­es­sant ist dies nicht als Thriller, und schon gar nicht durch psycho­lo­gi­sche Trif­tig­keit, sondern allein dort, wo der Film sich zu dem bekennt, was er ist: Eine mytho­lo­gi­sche Helden­saga, genauer eine Variante der Vorge­schichte, die alles Heldentum braucht. Aufge­laden mit messia­nisch-reli­giösen Vorstel­lungen (Und es wäre tatsäch­lich reizvoll, einmal genauer nach dem Messia­nismus im derzei­tigen US-Kino zu fragen, und diesen Dunn einmal mit Neo aus Matrix zu verglei­chen. Mehr als dieser ist Dunn »the one«.). Die Geschichte eines Mannes, der seine ihm aufge­zwun­gene Rolle nicht akzep­tieren will, der seinem Körper zu entfliehen sucht, und doch irgend­wann sein Schicksal anzu­nehmen lernt, birgt einen Selbst­kom­mentar des Holly­wood­stars Bruce Willis, der einmal der Last Boy Scout war, und diesals Sicher­heits­be­am­terauch hier noch ein wenig bleibt. Das ist klug und mitunter sogar ironisch. Der Rest bleibt Masche.