True Grit

USA 2010 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Drehbuch: ,
Kamera: Roger Deakins
Darsteller: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin, Barry Pepper u.a.
Jenseits der Naivität: Echter Mumm

Die Nacht des Jägers

Es ist nicht leicht für Mattie, die 14-Jährige. Gerade hat man ihren Vater ermordet, und nun will sie Rache nehmen. Aber sie selbst kann das nicht allein, und darum sucht sie sich einen, der ihr hilft. Warum ausge­rechnet diesen kaputten, zynischen Mann, der seine beste Zeit schon hinter sich hat? Warum diesen Deputy-Marshal Reuben Cogburn? Auf diese Frage ist die Antwort noch einfach: Weil er zu ihrem Ersatz­vater werden kann und nicht ihr Liebhaber werden wird.

»True Grit«, das heißt Mumm, und solchen Mumm brauchte man in den Jahren nach dem US-Bürger­krieg. Mattie hat ihn, sie ist burschikos, fast ein Tomboy, aber da der Western immer auch eine Metapher ist, darf sie ihre Unschuld nicht zu früh verlieren, muss sie bewahren für die Zukunft des Landes. Mattie reprä­sen­tiert die zukünf­tige Zivi­li­sa­tion, Cogburn die Bruta­lität der Vergan­gen­heit. Beide haben sie Mumm und ihre sonder­bare Paarung ist ein Inbegriff für Amerika. Und so witzig die Coen-Brüder gerne sind, so ernst meinen sie es immer – gerade dieser Film zeigt das.

True Grit ist ein Remake des gleich­na­migen Westerns von Henry Hathaway aus dem Jahr 1969. John Wayne erhielt dafür seiner­zeit den Oscar als bester Haupt­dar­steller. Ein perverser Buddy-Movie. Jeff Bridges spielt den alternden Marshall als Reloaded-Version des Dude aus The Big Lebowski der Coens. Aber auch als Wayne-Chiffre. Beides sind Männer nicht mehr ganz aus unserer Zeit. Mattie dagegen ist ganz und gar gegen­wärtig und das macht diese Figur, macht diesen Auftritt von Hailee Steinfeld als sture, brutale, dennoch huma­nis­tisch bewegte und in jedem Fall sympa­thi­sche junge Frau, die tut, was sonst nur ein Mann tut, so großartig. Darum wird sie zum Herz des Films.

Bemer­kens­wert ist, dass in Filmen wie zuletzt in Meek’s Cutoff der Inde­pen­dent-Regis­seurin Kelly Reichardt mit Michelle Williams und jetzt eben hier Hailee Steinfeld die stärkeren, auch die härteren Figuren die Frauen sind. Der Western sei tot, hieß es vor einigen Jahren, und man wüsste schon gern, woran es liegt, dass seit einigen Jahren jetzt plötzlich wieder Western-Stoffe im Kino auftau­chen. Viel­leicht hatte ja Baudril­lard wirklich recht, als er irgend­wann vermutete, die Geschichte beginne rückwärts zu laufen. Dass die Coen-Brüder sich für solche Bewe­gungen und für die Post­mo­derne, für Refle­xi­vität schon immer inter­es­sierten, ist jedem klar. Schon seit ziemlich langer Zeit ist jeder Western ein Meta-Western. Nur: Die Post­mo­derne ist vorbei, und schon No Country for Old Men zeigte vor zwei Jahren, dass die Coens den spontanen Ausweg aus der Rela­ti­vis­mus­falle im Zwei­fels­fall in der Gewalt suchen. So durch­leben glei­cher­maßen Hattie und der Marshall hier ihre tiefste Nacht. True Grit ist wie Charles Laughtons Night of the Hunter ein Film über Wider­sprüch­li­ches: über Welt­un­ter­gang, Schönheit, den Verlust der Unschuld und ihre Bewahrung. Die Coens beherr­schen die Kunst, das, worüber sie lachen und was sie ironi­sieren, gleich­zeitig – oder gerade dadurch? – ernst zu nehmen. Das macht ihre Filme so groß.