Die Tiefseetaucher

The Life Aquatic with Steve Zissou

USA 2004 · 119 min. · FSK: ab 12
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: ,
Kamera: Robert D. Yeoman
Darsteller: Bill Murray, Owen Wilson, Cate Blanchett, Anjelica Huston, Willem Dafoe u.a.
Familienausflug unter Wasser

Tauchfahrt zur verlorenen Zeit

Ich verstehe, wie Wes Anderson fühlt. Ich hatte als Kind ein Modell der »Calypso« im Regal stehen, selbst zusam­men­ge­bas­telt als Revell-Bausatz. Ich glaube, das gibt es sogar noch, irgendwo verräumt und verstaubt im Keller, im Speicher.
Jacques-Yves Cousteau war einer der großen Helden jeder ‘70er-Jahre-Kindheit: Meeres­for­scher, Aben­teurer, Doku­men­tar­filmer, jede Woche im Fernsehen zu bestaunen – er und sein berühmtes Schiff Ikonen, Symbole für eine Welt, die noch voll unent­deckter Wunder war, die man sich noch erobern konnte.

The Life Aquatic With Steve Zissou ist nicht einfach eine Hommage an Cousteau, es ist erst recht keine Parodie. Es ist der komplexe Versuch, diese Welt der Kindheit mit ihren Gefühlen noch einmal aufer­stehen zu lassen, im vollen Wissen dessen, welche Enttäu­schungen das Leben seither mit sich brachte und wie sich seine wahren Wunder und Abenteuer an ganz anderen Stellen fanden als damals geträumt.
Nicht zufällig liest die hoch­schwan­gere Jour­na­listin Jane Winslett-Richardson (Cate Blanchett) – an Bord der »Belafonte«, um ein Porträt des Kapitäns Steve Zissou (Bill Murray) zu verfassen – ihrem unge­bo­renen Kind Proust vor: The Life Aquatic ist eine Tauch­fahrt zur verlo­renen Zeit.

Die Welt von The Life Aquatic lässt sich nicht richtig verankern zwischen damals und heute, zwischen Realität und Fantasie. Ihr Dekor ist voller Ortungs­punkte der ‘70er Jahre, aber kennt dann auch wieder moderne Gerät­schaften (und Espres­so­ma­schinen). Sie ist bevölkert von Menschen, die bei aller exzen­tri­scher Zeichnung ein sehr real greif­bares Seelen­leben an den Tag legen – und von einer bunt­stift­far­benen Fantasie-Unter­was­ser­fauna, die Henry Selick (Nightmare Before Christmas) mit seinen wunder­schönen Anima­tionen zum Leben erweckt.
Es ist eine Welt der nahtlosen Koexis­tenz von Erin­ne­rung und Gegenwart, Abbildung und Imagi­na­tion. In der sich, »Ch-ch-ch-changes«, manches auf wunder­same Weise verwan­delt findet, wie die David Bowie-Songs, die auf Portu­gie­sisch zur Akus­tik­gi­tarre die Reise begleiten.

Als Cousteau-Reinkar­na­tion Steve Zissou ist Bill Murray einmal mehr die ulti­ma­tive Verkör­pe­rung uner­füllter Sehn­süchte. Er ist einer, der das Leben mit leicht amüsiertem, leicht pikiertem Abstand betrachtet, nachdem es ihn einmal zu oft enttäuscht hat. Keiner weiß besser als Wes Anderson, wie perfekt Murray so eine Rolle steht – schließ­lich hat er in Rushmore diese Facette des ehema­ligen »Ghost­bus­ters« als erster konse­quent entdeckt und gefördert. Und Anderson ist klug genug, das jetzt nicht mehr zu forcieren. Murray ist ein mehr depres­siver als manischer Ahab, sein »weißer Wal« ist ein Jaguarhai, der Zissous lang­jäh­rigen Freund und Kollegen verspeist hat.

Zissou nimmt das wahr­schein­lich persön­li­cher, als wenn der Fisch ihm selbst ein Bein abge­bissen hätte. Denn wie Rushmore und noch mehr The Royal Tenen­baums ist The Life Aquatic ein Film über Familie – und darüber, dass Familie weniger ein biolo­gi­sches Phänomen als ein soziales Konstrukt ist, eine ziemlich schwie­rige und schmerz­hafte Ange­le­gen­heit, die man sich selbst zusam­men­bas­teln und zum Funk­tio­nieren kriegen muss. Und die einem doch irgendwie wichtiger werden kann als man selbst.

Zissous »Familie« ist seine Crew – ein Häuflein exzen­tri­scher Gestalten aller Natio­na­litäten und Haut­farben, inklusive eines barbu­sigen Skript-Girls und einer Horde Prak­ti­kanten –, ist sein Porduzent Oseary Drak­ou­lias (Michael Gambon) seine Noch-Ehefrau Eleanor (Anjelica Huston), sind irgendwie selbst sein Erzfeind Alistair Hennessey (Jeff Goldblum) und der von der Versi­che­rung für die Produk­tion ange­stellte Wachwastl (Bud Cort, der Harold aus Harold and Maude, an dem man sehen kann, dass die ‘70er schon lange vorbei sind).
Und dann ist da Ned (Owen Wilson), Pilot bei Air Kentucky (sic!) – ein Pilot, wie er Catch Me If You Can nicht schöner hätte entspringen können, aus jener Zeit, als Flug­ka­pitäne noch aufrechte Männer mit sauberem Helden-Profil waren. Ned ist womöglich Steves Sohn, und wenn er es biolo­gisch nicht sein sollte, so wird er es doch sehr schnell von seiner Rolle her.

Wie The Royal Tenen­baums und noch mehr Rushmore ist The Life Aquatic ein Film über Vater­fi­guren und Mentoren: Zissou selbst schwärmt noch immer von seinem Vorbild Lord Mandrake; sein Chef­in­ge­nieur Klaus ist ihm geradezu unheim­lich ergeben – und schielt womöglich insgeheim auf seine Nachfolge; der Vater von Janes Kind hingegen ist abwesend.

Wie diese Figuren ihre Bezie­hungen unter­ein­ander verhan­deln, das gibt dem Film sein Herz. Vor allem die zentrale Beziehung zwischen Ned und Steve ist voller wunder­barer Facetten: Zissous Schwanken zwischen Stolz und Abweisung, seine rührend hilflose Versuche, der plötzlich aufgenö­tigten Vorbild­rolle gerecht zu werden, gemischt mit seinen dikta­to­ri­schen Zügen – und Neds fraglose, aber nicht gänzlich naive Bewun­de­rung, seine Bereit­schaft, in Steve einen Vater zu sehen, egal, was alles dagegen spricht. Familie, das ist bei Wes Anderson der nie enden­wol­lende Versuch, eine Balance, einen Umgang mitein­ander zu finden. Was schon mit der Sprache anfängt: Über den ganzen Film hinweg sind Steve und Ned damit beschäf­tigt, zu verhan­deln, mit welchen Namen, Kosenamen sie sich anspre­chen sollen.

The Life Aquatic ist ein Film, der von der unend­li­chen Genau­ig­keit seiner Fein­heiten, seiner Zwischen­töne lebt; bei dem der Tonfall meist wichtiger ist als das Gesagte selbst. Dass die deutsche Synchro aus Klaus Daimler, von Willem Dafoe mit einem köst­li­chen deutschen Akzent gespielt, einen Schwaben macht, ist nur ihre offen­sicht­lichste Todsünde. Mit dem Dialekt kommt eine viel zu grobe, plumpe Komiknote in den Film, und aus dem über­eif­rigen, stets latent ange­spannten und leicht weiner­li­chen Daimler wird plötzlich ein gemüt­li­cher, etwas langsamer Kerl. Aber nicht minder grob werden fast alle übrigen Charak­tere durch die Stimmen verfälscht, ebnet das Hoch­deutsch die viel­fäl­tigen Idiome ein – Winslett-Richard­sons etwas hoch­nä­siges, vorlautes Britisch; Neds proppere Kentucky-Art. Auf Deutsch ist The Life Aquatic ein komplett anderer Film – und ein um etliches schwächerer.

So sehr die Figu­ren­zeich­nung von unzäh­ligen Klei­nig­keiten lebt, so sehr ist auch Wes Andersons Humor eine Ange­le­gen­heit von Under­state­ment und Präzision. Dass kann man sofort zu Beginn des Films wunderbar erleben: Die Szenen beim Film­fes­tival von Loquasto sind nicht komisch, weil etwas an sich komisches vor sich gehen würde. Sie sind komisch, weil sie – nicht ganz unähnlich der Komik eines Jaques Tati – das Alltäg­liche mit einer minimal über­trie­benen Genau­ig­keit wieder­geben: Der gelang­weilte Haus­meister, der das Mikro rausträgt, das Wasser rein­bringt; die gestaf­felten Lacher des Publikums – erst die, die Englisch können, dann die, die auf die Über­set­zung warten müssen.Die Komik liegt bei Wes Anderson in der leichten Distan­zi­er­heit des Blicks – und zu der gehört entschei­dend, dass derzeit wohl kein Regisseur (und erst recht kein ameri­ka­ni­scher) einen so bewussten und kreativen Umgang mit dem Breitwand-Format pflegt. Gleich mit der ersten Einstel­lung etabliert Anderson nicht umsonst den Lein­wan­d­raum zugleich als Bild-/Gemälde- und als Bühnen­raum. Er ist ein Meister darin, Gruppen von Figuren so im Kader zu arran­gieren, dass dies zugleich ein Abbild der Bezie­hungen zwischen ihnen ergibt und – durch die spürbare Künst­lich­keit von Distanz und Symmetrie – eine unter­schwel­lige Komik erhält. Er liebt es, den Bild­hin­ter­grund mit gezielten Ablen­kungen zu füllen; er schiebt gerne das Geschehen, dem eigent­lich die Aufmer­sam­keit gilt, an den Bildrand und verlagert damit zugleich das emotio­nale Zentrum einer Szene. Wenn in Andersons Werken Ironie vorherrscht (und sie tut das erheblich weniger, als ihm gern vorge­worfen wird), dann liegt sie am ehesten in diesem Blick. Und dann ist sie untrennbar mit Andersons Grund-Melan­cholie verknüpft.
Dabei nutzt Anderson Breitwand nicht nur für seine charak­te­ris­ti­schen Tableaus – wenn er will, kann er unauf­fällig elegant durch Raum­auf­tei­lung erreichen, wofür andere Schnitte brauchen (und ist damit, zumindest in diesem Aspekt, ein Enkel von Orson Welles): Man betrachte nur die Ankunft von Steve und Ned auf Zissous Insel, die erste Begegnung mit Eleanor. In einer einzigen Einstel­lung ersetzen ein paar wohl­cho­reo­gra­phierte Posi­ti­ons­wechsel von Kamera und Darstel­lern mindes­tens vier Setups.

Es ist erstaun­lich, dass ein Film, der so sehr von Mentoren und geistigen Erbfolgen handelt, zwar unzählige Einflüsse freimütig präsen­tiert, aber kein direktes Vorbild kennt. The Life Aquatic ist ein besonders schönes Exemplar einer extrem seltenen Spezies: Er ist ein wirklich origi­neller Film. Er läßt sich nicht mit wenigen Sätzen und ein paar Verweisen auf Vertrautes beschreiben.Das Wagnis, so komplett die üblichen Fahr­wasser zu verlassen, die erprobten Baupläne zu miss­achten, bringt es mit sich, dass nicht alles immer reibungslos funk­tio­niert. In einer längeren, action­rei­chen Sequenz mit einem Pira­tenüber­fall kommt der Film für meinen Geschmack mal eine Weile aus dem Tritt. Aber das finde ich so vernach­läs­sigbar wie eine verein­zelte schwächere Arie bei einer begna­deten Opern­sän­gerin in einer genialen Inter­pre­ta­tion einer Partie – zumal wenn sie die Partie urauf­führt.

Freilich lassen sich durchaus ein paar Grundzüge eines Stamm­baums für The Life Aquatic ausmachen. Der streckt seine Wurzeln aller­dings weit zurück: Wenn Zissous Forschungs­schiff als Kulisse im Längs­schnitt präsen­tiert wird, sind wir wieder bei Georges Méliès, dem frühen Kino-Zauberer und seinen Bürgern auf Aben­teu­er­fahrt. Die Magie der essen­ti­ellen Tricks des Mediums liegt Anderson merklich am Herzen. Cousteau ist nicht zuletzt als Filme­ma­cher ein Held für ihn; Zissous rudi­men­täres Bord-Studio ist mit Absicht eine reine Bastel­kammer, ein Expe­ri­men­tier­stüberl, in dem mit einfachsten Mitteln und kind­li­cher Freude Bilder und Töne zusam­men­mon­tiert werden. The Life Aquatic ist ein Plädoyer für Lo-Tech, eine Feier des Filme­ma­chens als wahres Abenteuer.

Bei aller Sehnsucht nach der verlo­renen Zeit, bei aller Nostalgie ist Andersons Film in letzter Konse­quenz nicht rück­wärts­ge­wandt. An seinem wirklich tief bewe­genden Höhepunkt trifft The Life Aquatic die Erkenntnis, dass man manchmal all die offenen Rech­nungen der Vergan­gen­heit über Bord werfen muss und die Augen aufmachen für die Wunder der Gegenwart. Dass die beste Waffe gegen das Gefühl von Verlust schlicht und einfach das Loslassen ist.

Blubb-blubb, bla-bla

Ist eigent­lich ein Film schon allein deswegen lustig, weil Bill Murray mitspielt? Nur eine Frage zum Anfang. The Life Aquatic With Steve Zissou ist, das muss erstmal klar sein, sowieso ein ungemein lustiger Film. Und das, obwohl Cate Blanchett auch mitspielt, die nicht gerade als Komö­di­en­dar­stel­lerin bekannt ist, trotz ihres ungemein, außer­or­dent­lich und sagenhaft witzigen über­kan­di­delten Englisch als Katherine Hepburn in der Origi­nal­ver­sion von The Aviator. Aber nicht der, sondern The Life Aquatic With Steve Zissou war diesmal der übliche Cate Blanchett-Film zur Berlinale. Über Cate Blanchett, und darüber, warum es allmäh­lich nervt, dass sie in jedem zweiten Hollywood-Film mitspielt, und warum ich irgendwie zur Zeit eigent­lich keine Cate-Blanchett-Filme mehr sehen möchte, schreibe ich ein andermal. Denn diesmal geht es um The Life Aquatic With Steve Zissou und der ist nun wirklich ein wahn­sinnig lustiger Film, allein schon, wegen seines sonderbar barocken Titels, den wir jetzt trotzdem als The Life Aquatic abkürzen wollen – wir schinden ja hier schließ­lich keine Zeilen. Außerdem natürlich, weil wie gesagt Cate Blanchett mitspielt, und weil sie, man kringelt sich da förmlich vor Lachen, in dem Film auch noch schwanger ist, und – hohoho! – ihrem unge­bo­renen Kind Marcel Prousts gesamte A la Recherche du Temps Perdu vorliest.

Ein Feuerwerk an Lustig­keit

Natürlich ist The Life Aquatic auch sonst wirklich lustig. Das einzige, was fehlt ist ein Gagometer, so eine Anzeige, die bei jedem Gag mitzählt, oder zum Beispiel in roter Comic­schrift kurz »Gag!« einblenden würde. Aber wahr­schein­lich wäre dann die Leinwand nur noch rot. Denn The Life Aquatic With Steve Zissou, nein, pardon: The Life Aquatic wimmelt nur so von Gags, wie das Meer von Fischen.

Lustig ist, nur zum Beispiel, dass die meisten Figuren – Achtung Gag! – mit roter Matro­sen­mütze herum­laufen, dass sie außerdem – Achtung Gag! – ziemlich oft Schlaf­an­züge anhaben, obwohl es heller Tag, und sie erwachsen und nicht krank sind. Willem Dafoe, der übrigens einen Deutschen spielt, der – Achtung Gag! – Klaus Daimler heißt, trägt – Achtung Gag! – auch Boxer­shorts. Und Owen Wilson läuft fort­wäh­rend mit einer – Achtung Gag! – Tasche von der – Achtung Gag! – »Kentucky Air« herum. Dann gibt es – Achtung Gag! – einen Gitar­risten, der David-Bowie-Songs – Achtung Gag! – auf Brasi­lia­nisch singt, einen Hund, der – Achtung Gag! – nur drei Beine hat, und – Achtung Gag! – bunte Quallen, – Achtung Gag! – noch buntere Krabben und – Achtung Gag! – Seepferd­chen. Das Schiff heißt übrigens »Belafonte« und warum das ein besonders origi­neller Gag ist, verraten wir jetzt – Achtung Gag! – einfach mal nicht.

Lustig ist der Film auch, weil er von Wes Anderson stammt. Der wurde von vielen schon seit seinem Erst­lings­film, der bizarren Satire Rushmore vom Nobody zur viel verspre­chenden Regie­hoffung mit Kult­po­ten­tial befördert. Nach Die Royal Tenen­baums ist The Life Aquatic nun ein weiteres Mal der gleiche Film mit ziemlich den gleichen Schau­spie­lern – Bill Murray, Owen Wilson, Anjelica Huston – und natürlich wie immer: wahn­sinnig lustig! Außerdem unglaub­lich eigen­willig, fantas­tisch schräg und und – mit Cate Blanchett.

We all live on a yellow submarine

Im Mittel­punkt steht der berühmte Meeres­for­scher Steve Zissou (Murray), der ziemlich plump, aber dadurch eben unüber­sehbar Jacques Cousteau nach­emp­funden wurde, der mit seinen TV-Sendungen in den 70er-Jahren Jung wie Alt in Bann schlug. Anderson macht sich über Cousteau und den Stil seiner Sendungen unüber­sehbar lustig. Aber warum eigent­lich? Er lässt diese Welt nicht wieder aufer­stehen, er liebt sie nicht, sondern hat zu ihr das gleiche Verhältnis wie die Retro-Shows im Fernsehen. Wer sie liebt, wer sich nach der eigenen Kindheit sehnt, der wird The Life Aquatic etwas abge­winnen können. Zissous Erfolge liegen schon eine Weile zurück, aber als eines Tages sein lang­jäh­riger Mitar­beiter von einem – endlich mal wieder: Achtung Gag! – »Jaguarhai« gefressen wird, macht er sich auf eine letzte Fahrt, jagt wie Käptn Ahab in Moby Dick das myste­riöse Tier, das zur fixen Idee geworden ist, und setzt dabei seine ganze Existenz inklusive seiner Familie aufs Spiel.

Doch The Life Aquatic ist kein Drama, sondern eine mehr skurrile, als schwarze Komödie. Weniger der lange Atem, als der kurz­at­mige Witz gibt den Ton an. Von Sketch zu Sketch hangelt sich der Film. Der Stil hat sich gegenüber den früheren Filmen Andersons kaum geändert: Schnell geschnitten, überdreht, schrill; kunter­bunte, gewollt unsinnige und »origi­nelle« Räume und Kostüme, wirkt alles insgesamt oft wie Groß­auf­nahmen aus der Puppen­stube. Kino als Setz­kasten. Und der Regisseur dahinter hinter­lässt den Eindruck eines Kontroll­freaks, dessen Film alles ist, aber nicht verspielt, wie er behauptet.
Anderson errichtet einen privaten, sehr egozen­tri­schen Kosmos. Kein Problem. Was aber folgt aus allem über blöde Unter­pri­maner-Gags – der Schiffs­name Jacque­line ist durch­ge­stri­chen – hinaus? Wenig Pointen werden ausge­lassen, oft wirkt alles aber so, wie wenn einem ein Freund etwas erzählt, was nur er selbst ungemein lustig findet – man selber lacht eher aus Höflich­keit, als aus Begeis­te­rung.

Natürlich ist der Film nicht nur lustig, sondern auch voller tieferer Bedeutung. Allein, wie alles schon losgeht: Es beginnt mit einer tollen Film­pre­miere. Mensch Meier, wie selbst­re­flexiv. Bestimmt zitiert irgend­eine kluge Film­kri­ti­kerin, deren Nachname mit N beginnt, dazu noch einen fran­zö­si­schen Post­struk­tu­ra­listen, damit wir wirklich kapieren, wie reflexiv hier die Reflexion wirklich ist. Dann wackelt das Bild wie auf einem Homevideo aus den 70er-Jahren, was uns noch mal mit der Nase drauf­stößt, dass das alles, was wir sehen, ja auch nur ein Film ist. Au weia, hätten wir fast vergessen! Später dann sagt Zissou: »Keiner weiß, was da draußen passiert, und wir filmen das, das ist das ganze Konzept.« Dafür gibt es bestimmt auch noch ein Franzosen-Zitat, und natürlich zeigt uns dieser lustige Satz, dass es mit den großen Erzäh­lungen und der ganzen Aufklä­rung endgültig zuende gegangen ist – jaja, seufz. Wenn Menschen zu Verbre­chern werden, ist die Gesell­schaft schuld, wenn Kino in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit meandert, dann liegt es an der Aufklä­rung, wenn Regis­seure aus der Unfähig­keit oder dem Unwillen (was ist schlimmer) zum Epischen Ausweich­manöver ins Episo­di­sche unter­nehmen, ist das Ende der großen Erzäh­lungen schuld. Und so, blubb-blubb, blabla, zerschellt die Titanic am Eisberg.

Zeit­ver­nich­tung

Ich kanns nicht ändern, mir gehen die ganzen schlau­mei­ernden Anspie­lungen auf die Nerven, die Pose des kindisch-seins und dann doch nicht, weil man ja weiß, dass man kindisch ist. Das hier ist reiner Manie­rismus: Form, die sich nur auf sich selbst bezieht, aber nicht auf Realität. Damit etwas wirklich witzig ist, braucht es aber diesen Bezug zur Realität (man denke zum Beispiel an den auch nicht »realis­ti­schen« aber eben doch realis­ti­schen Humor von Dr. Stran­gelove). The Life Aquatic aber ist ein Patchwork-Film über eine Patchwork-Familie in einer Patchwork-Welt. Wen inter­es­siert das Baby von Cate Blanchett? Wen inter­es­siert der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Bill Murray und Owen Wilson? Wen inter­es­siert hier irgendwas?

Bleibt dieser Stil selbst. Wenn sich Anderson schon für die Story und fürs Story­tel­ling nicht inter­es­siert, so doch fraglos für Technik und Ästhetik. Aber sind seine Bilder noch etwas anderes, außer originell? Ich bin sicher: Wenn sie wollten, könnte viele Filme­ma­cher die typische Wes Anderson-Einstel­lung imitieren: Man nehme Bill Murray oder Owen Wilson oder natürlich Cate Blanchett, stecke sie in stylische Retro-Klamotten mit möglichst bunten Sixties-Farben, ein paar Pastell­tönen dazu, in die Mitte des Bild­aus­schnitts. im Hinter­grund lässt man irgend­welche unge­wöhn­li­chen Dinge passieren, bunte tiere oder Schwarze in weißen Klamotten langgehen. Oder eine Animation, die zum Beispiel ein längs aufge­schnit­tenes tech­ni­sches Gerät zeigt. Eine Linse vor die Kamera, die die Entfer­nung zwischen Hinter­grund und Vorder­grund verkürzt, damit alles comichaft zwei­di­men­sional wirkt.
Vergessen wir nicht die Schau­spieler. Bei Anderson sind sie ja sooooo aaaaaaa­an­ders. Sie kommen überhaupt erst eigent­lich zu sich selbst können das tun, was sie schon sooooo lange tun wollten. heißt es. Merken tut man davon wenig. Statt­dessen steht in der Zeit, man sähe »Einen Film, dessen berühmte Darsteller sich für nichts weniger inter­es­sieren als ihren Glamour, die von ihrer eigenen Präsenz gelang­weilt scheinen und mit liebens­werter Demut eingehen ins große Gaga-Ganze, kann man wohl als Anti-Starfilm bezeichnen. Viel­leicht sogar als Anti-Festi­val­film.« Hörthört.

Die Stars inter­es­sieren sich nicht für ihren Glamour? Sind von ihrer eigenen Präsenz gelang­weilt? Du meine Güte. Erstens will ich keine Stars sehen, die schon von sich selbst gelang­weilt sind, weil sie dann auch mich lang­weilen. Zweitens sind Stars für Glamour da, für was denn sonst? Und drittens könnte man über The Life Aquatic genau­sogut sagen, dass wir lange schon nichts eitleres und manie­rier­teres im Kino gesehen haben, wie die Auftritte von Bill Murray und Cate Blanchett in diesem Film. Und zu einem Film voller Stars, der tut, als wäre er ein Anti-Starfilm – da fällt mir nur der gute alte Spruch ein, der mit »Fighting for peace« anfängt.

Viel­leicht The Life Aquatic einfach nur ein Film für Film­kri­tiker, die ihr Beruf längst langweilt, und sie deshalb diese Lange­weile und Ödnis auf der Leinwand gespie­gelt sehen wollen, weil sie das ganze Leben für ein Zeit­ver­nich­tungs­un­ter­nehmen halten. Viel­leicht habe ich einfach noch nicht genug Filme gesehen, viel­leicht bin ich nicht lang genug Film­kri­tiker, um das genauso zu sehen. Viel­leicht muss ich Fan sein, um mich hier zu kringeln, oder ein Nerd. Ich gestehe: ich habe nie ein Modell der »Calypso« als Revell-Bausatz selbst zusam­men­ge­bas­telt. Sorry. Wenn man das tun muss, um diesen Film zu mögen, verzichte ich gern. Viel­leicht ist The Life Aquatic With Steve Zissou aber auch wirklich nur ein unendlich lang­wei­liger Film ohne Linie, leblos, im schlimmsten Sinne ein ratio­na­lis­ti­sches zerklü­geltes Filmchen, pseu­do­iro­nisch, eiskalt und wich­tig­tue­risch. Aber halt wahn­sinnig lustig.