Thirteen Days

USA 2000 · 145 min. · FSK: ab 12
Regie: Roger Donaldson
Drehbuch:
Kamera: Andrzej Bartkowiak
Darsteller: Kevin Costner, Bruce Greenwood, Steven Culp, Dylan Baker u.a.

Man trägt Grau. Ständig wird geredet, ab und an wechseln die Herren von einem der Räume in den nächsten, vom großen Verhand­lungs­tisch ins kleine Büro, oder ans Redner­pult, von dem aus die Presse mit nichts­sa­genden State­ments gefüttert wird. Mal blicken die Akteure zu Boden, dann wieder 'gen Himmel, wie um höheren Beistand flehend. Sie ringen mit den Händen, oder stützen die Arme in die Hüften. Die Wände der Räume sind weiß, so wie das Haus von Außen, manchmal geschmückt mit mehr oder weniger geschmack­losen Bildern von Seeschlachten und Büffel­jagden, oder mit der Büste eines der Vorgänger des Präsi­denten. Das Antlitz der Politik ist unhe­ro­isch geworden, genauer: das Heldentum hat sich verlagert. Keine Schlachten müssen mehr geschlagen, keine großen Reden gehalten werden. Statt dessen ist ein Nerven­krieg zu gewinnen, und der größte Feind sitzt im Innern. Über­stehen scheint alles.

Es ist ein uner­war­tetes, seltsam eindring­li­ches, aus histo­risch Belegtem und Fiktio­nalem aufregend gemischtes Bild poli­ti­schen Handelns, dass Roger Donald­sons Thirteen Days vermit­telt. Er steht am Anfang mehrerer US-Filme, die in den nächsten Wochen zu sehen sein werden, und die alle in sehr verschie­dener Form das gleiche Thema behandeln: die Bedin­gungen der Möglich­keit von Politik in unserer Zeit.

Filme über US-Präsi­denten haben im ameri­ka­ni­schen Kino der 90er Jahre Konjunktur. Auch Roger Donald­sons Thirteen Days fällt unter das Genre der Präsi­den­ten­filme. Und doch ist er, bei allem Pathos und Heroi­sie­rung, die sich auch hier finden, bei aller Verklä­rung und mancher Schön­fär­berei der poli­ti­schen Position der Kennedy-Regierung kaum mit jenen anderen Filmen der 90er zu verglei­chen, weder den Satiren eines Mike Nichols (Primary Colors) und Barry Levinson (Wag the Dog), und schon gar nicht mit der Popcorn-Action von Absolute Power oder Airforce One. Allen­falls noch Oliver Stone (JFK, Nixon) liefert ein paar Akzente, die sich auch in Donald­sons Darstel­lung des poli­ti­schen Führers der USA wieder­finden: wie dieser nimmt Donaldson die poli­ti­sche Bühne zunächst einmal grund­sätz­lich ernst, macht sie zum Schau­platz von schick­sal­haften Ereig­nissen, wie dieser versucht auch Donaldson eine semi­do­ku­men­ta­ri­sche Atmo­s­phäre zu erzeugen. Die Wechsel zwischen Schwarz­weiß und Farbe, gele­gent­lich ergänzt um histo­ri­sche Origi­nal­auf­nahmen und Ausschnitte aus TV-Sendungen, etwa den Nach­richten des legen­dären Walter Cronkite, gehören aber eher zu den schwächeren Aspekten von Thirteen Days.

Im Mittel­punkt dieses Polit-Thrillers stehen die histo­ri­schen Ereig­nisse des Oktober 1962, die heute im Archiv der Welt­ge­schichte unter dem Stichwort »Kubakrise« abgelegt sind. Tatsäch­lich handelte es sich eher um einen Showdown im High Noon-Stil zwischen den beiden Kalten-Kriegs-Antipoden USA und Sowjet­union, um ein welt­po­li­ti­sches Kräf­te­messen, dass – ausgelöst von heimlich auf Kuba statio­nierten sowje­ti­schen Atom­ra­keten – mehr zufällig bis zu einem Punkt eska­lierte, an dem ein militä­ri­scher Konflikt, sprich der mit atomaren Waffen geführte Dritte Weltkrieg, fast unver­meid­lich schien.

Zumindest zwei Tatsachen scheinen dieses Szenario zu einem schwie­rigen Filmstoff zu machen. Zum einen weiß man, ganz schlicht gesagt, von vorn­herein, wie die Geschichte ausgeht. Die atomare Apoka­lypse, die Donaldson zu Beginn in der düster-bizarren Schönheit anein­an­der­ge­schnit­tener Origi­nal­bilder von Atom­ex­plo­sionen aufscheinen lässt, hat sich nach drei­zehn­tägiger Krise nicht ereignet, sie ist auch später nicht wirklich geworden.

Zum zweiten handelt es sich um Vorgänge, die vor allem in geschlos­senen Räumen statt­finden; das Tun der Betei­ligten besteht aus endlosen Debatten, Abwä­gungen, Zweifeln und Ängsten, aus Kommu­ni­ka­ti­ons­hand­lungen, die selbst häufig wieder nur indirekt ihr Ziel verfolgen, denn die Furcht, ein falsches Signal zu geben, Angst oder Unent­schlos­sen­heit zu zeigen, überwiegt alles. Wie nun stellt man solche emotio­nalen, an herkömm­li­cher »Action« überaus armen Vorgänge dar?
Doch gerade diese beiden Kardi­nal­pro­bleme bewältigt Donaldson meis­ter­haft. Indem der Regisseur gar nicht erst versucht, eine irgendwie »objektive« Sicht der Ereig­nisse zu zeigen, indem er sich auf die subjek­tiven Perspek­tiven der poli­ti­schen Akteure im Weißen Haus konzen­triert, zieht er die Zuschauer mehr und mehr in die Dramatik des Ablaufs hinein, und lässt den Ausgang des Gesche­hens vergessen.
Man erlebt einen Männer­bund grau geklei­deter ständig redender Herren – dies war noch die Zeit, als Frauen in der Politik allen­falls Kaffee kochen und Briefe tippen durften. Hier setzen sich zumeist dieje­nigen durch, die eine große Klappe haben. Trotz zwei­ein­halb Stunden Filmlänge gibt Thirteen Days kein einziges Mal Einblick in die russische Sicht der Dinge. Das ist gut für den Film. Sein Thema sind die internen Konflikte und Probleme, der Blick auf den Apparat bei der Arbeit. Man beob­achtet die Mecha­nismen des Handelns, spürt die Zwänge, denen auch die Handelnden ausge­setzt sind, und ihre Ohnmacht in manchen Augen­bli­cken, erkennt ihre Würde.

So ist Thirteen Days zual­ler­erst ein Film darüber, wie Politik funk­tio­niert, über die wahr­schein­lich immer noch nicht allen bewusste Tatsache, dass kein Macht­zen­trum »mit einer Stimme« spricht, das vielerlei Inter­essen und unter­schied­liche Denk­sche­mata das Handeln prägen, und vor allem indi­vi­du­elle Psycho­lo­gien.

Indem Donaldson diesen Aspekt ins Zentrum steht, wird hier Politik zum Schau­platz eines Psycho­thril­lers, dessen – durch die Konflikte der Figuren bestimmte – Spannung von Innen kommt, und tatsäch­liche Action nicht nötig hat, weil die anfäng­lich visuell skiz­zierte Bedrohung immer latent und insofern auch real vorhanden bleibt.
Wie alle Thriller braucht auch dieser seine Helden. Zum Stell­ver­treter des Zuschauers wird der Präsi­den­ten­be­rater Kenneth O’Donnell, eine histo­ri­sche Figur, zugleich aber eine der blas­sesten Gestalten in Kennedys Tafel­runde. Kevin Costner leiht diesem Mann, der überall dabei war, ohne je entschei­dend einzu­greifen, seinen Star-Appeal, der seit jener leicht anti­quiert wirkt und insofern perfekt in die Ära der frühen Sechziger passt.

Die eigent­li­chen Helden dieses Dramas sind aber die Kennedy-Brüder. Bruce Greenwood und Steven Culp verhalf hier vor allem ihre Ähnlich­keit mit John F.Kennedy und seinem Bruder Robert einmal zu einer Haupt­rolle. Besonders Greenwood überzeugt aber über alle ange­eig­nete Gestik hinaus auch durch sehr zurück­ge­nom­menes, cooles Spiel. So nimmt er dem Bild des Präsi­denten, der letztlich die richtigen Entschei­dungen traf, einiges von seinem pathe­ti­schen Heroismus. Freilich bleibt dieses Bild auch diesmal letztlich verwa­schen zwischen der Verklä­rung des poli­ti­schen Jahr­hun­dert-Mythos Amerikas als eines jungen mora­li­schen Ritters, der der Welt noch einmal ihren einst­weilen letzten poli­ti­sche Aufbruchs­vi­sion zu geben vermochte, und dem Portrait eines unsi­cheren Zauderers, der letztlich bereit war, einen Atomkrieg zu führen.

Viel­leicht ist diese Unsi­cher­heit aber histo­risch ange­mes­sener, als hätte sich Donaldson ganz auf eine der beiden Seiten geschlagen. Letztlich ist es ein unver­klärtes, verhält­nis­mäßig realis­ti­sches Bild des Poli­ti­schen, das hier gezeigt wird. Zwischen heiligem Ernst und spie­le­ri­scher Risi­ko­be­reit­schaft der Akteure konzen­triert sich der Film vor allem auf zwei wesent­liche Aspekte: Das histo­risch grund­sätz­lich belegte, an Konspi­ra­tion grenzende Treiben des US-Militärs, dass am Präsi­denten vorbei an einer Eska­la­tion der Lage inter­es­siert war, nicht nur bereit, sondern willens, den Atomkrieg zu führen. Gegenüber John Fran­ken­hei­mers durch die Kubakrise inspi­riertem Seven Days In May von 1964 bleibt Donaldson zwar weniger deutlich. Fast beiläufig zeigt er die Mischung aus Naivität und Skru­pel­lo­sig­keit, und die nahezu verzwei­felten Bemühungen der Präsi­den­ten­be­rater und des Vertei­di­gungs­mi­nis­ters McNamara (Dylan Baker), das illoyale Militär im Zaum zu halten, ohne doch je einen Zweifel zu lassen, dass von dieser Menta­lität noch größere Gefahren für den Welt­frieden ausgingen als von der poli­ti­schen Konfron­ta­tion.

Zum zweiten vermit­telt der Film, dass Politik zu wesent­li­chen Teilen ein Reich der Zeichen ist. Ein Großteil des Handelns ist symbo­lisch, die kompli­zierte Botschaft wird nicht direkt vermit­telt, sondern setzt sich aus der Fülle kleiner Gesten und einzelner Zeichen zusammen. »Das ist keine Blockade, sondern Sprache.« erklärt einmal McNamara einem begriffs­stut­zigen Admiral, »Der Präsident kommu­ni­ziert mit Chruscht­schow«. Auch Drohungen, auch der Einsatz militä­ri­scher Mittel bleiben hier immer Fort­set­zung von Politik. Irgend­wann, so scheint es kommt freilich der Punkt, an dem man einander vertrauen muss, sei es nicht auf den guten Willen, dann zumindest auf die Ratio­na­lität der Betei­ligten. So gehen Emotionen und ratio­nales Kalkül in diesem Fall eine schwer durch­schau­bare Mischung ein. Die Sicher­heiten, in denen wir uns wiegen, auch jene von uns allen gele­gent­lich gern zur Schau gestellte lässige Poli­tik­ver­ach­tung, wird in Thirteen Days nach­haltig erschüt­tert.