Tage des Zorns

Flammen & Citronen

Dänemark/D 2008 · 136 min. · FSK: ab 12
Regie: Ole Christian Madsen
Drehbuch: ,
Kamera: Jørgen Johansson
Darsteller: Mads Mikkelsen, Thure Lindhardt, Christian Berkel, Peter Mygind, Stine Ste u.a.
Killer in Kopenhagen

Kopenhagen, mon amour

Pulp Fiction des Wider­stands: Ole Christian Madsen Tage Des Zorns

Sie nennen sich Flamme und Zitrone. Ihre Hüte tragen sie tief ins Gesicht gezogen. Sie sind mutig und wenn es sein muss gnadenlos, sie schießen schnell und genau. Flamme und Zitrone sind anti­fa­schis­ti­sche Wider­stands­kämpfer im Kopen­hagen des Jahres 1944 im Kampf gegen die deutsche Besatzung und dänische Kolla­bo­ra­tion. Der besondere Charme dieser Geschichte, die so grell und reiße­risch klingt, als entstamme sie einem guten Pulp-Roman, ist, dass sie im Wesent­li­chen auf Tatsachen beruht.

»Erinnerst Du Dich an ihre Ankunft? Erinnerst Du Dich an den 9. April? Wo warst Du damals, was dachtest Du?« – mit diesen Fragen des Off-Monologs über Archiv­bilder aus den Tagen der deutschen Okku­pa­tion setzt der Film ein. In schnellen, klaren Strichen zeichnet er ein Bild der Situation 1944: Bent und Jorgen alias Flame (Thure Lindhardt) und Citron (Mads Mikkelsen) gehören zur Wider­stands­gruppe um Aksel Winther (Peter Mygind). Aus London erhält er seine Befehle, und die Listen mit den Namen jener, die zu liqui­dieren sind, aber auch jenen, die sie schonen sollen. Flame und Citron sind die kalt­blü­tigen Killer der Gruppe, sie arbeiten als Team, und bei ihren Atten­taten fackeln sie nicht lange.

Doch allmäh­lich werden neben den Gefahren auch die mora­li­schen Brüche und die poli­ti­schen Frag­wür­dig­keiten ihres Tuns deut­li­cher: War der ermordete Chef der deutschen Abwehr Gilbert (Hanns Zischler) womöglich selbst Mitglied im deutschen Wider­stand? Warum verbietet man ihnen den grausamen Gestapo-Chef Hoffmann (Christian Berkel) zu liqui­dieren? Können sie ihrem Chef Winther wirklich trauen? Und was für ein Spiel spielt Flames myste­riöse Geliebte Ketty (Stine Stengade)? Die verfüh­re­ri­sche Femme Fatale im Stil der Zeit mit Veronica Lake-Frisur wird immer undurch­schau­barer.

Tage Des Zorns vom Dänen Ole Christian Madsen (Kira) in Berlin Babels­berg gedreht, hat viele Verdienste: Zunächst einmal bringt der Film die verges­sene Geschichte des dänischen Wider­stands gegen Nazi-Besatzer und eigene Kolla­bo­ra­tion ans Licht. Er zeigt den blanken Terror der Nazis unver­brämt, und er macht deutlich, warum man vor allen anderen Gründen Wider­s­tändler wird: Aus Übelkeit ange­sichts dieses Terrors, ange­sichts des eigenen Nichts­tuns und des Oppor­tu­nismus der Anderen. Atmo­s­phä­risch ist vieles dicht insze­niert, im Stil von Neo-Noirs wie Miller’s Crossing, und klaus­tro­pho­bisch zwingend.

Zugleich ist Tage Des Zorns dann aber auch immer wieder ein recht schlicht auf »ameri­ka­nisch« getrimmte Schmon­zette, ein Baller­film im Stil eines Gangster-Movies, mit einfachem Heroismus des Kämpfens bis zum letzten Mann. Angst und Feigheit bleiben weit­ge­hend ausge­blendet. Ebenso werden zwar wichtige Frage aufge­worfen, aber dann vom Film nicht beant­wortet: Ist für den Wider­stand jedes Mittel recht? Gibt es den moralisch einwand­freien Mord?

Deutlich wird mit diesem Film: Die Erin­ne­rung an die NS-Zeit tritt in eine neue Phase. Oft sind es jüngere Regis­seure, die Juden­ver­fol­gung und -ermordung, Zweiten Weltkrieg, Besatzung, Terror und Wider­stand als spek­ta­ku­läre Kulisse für Thriller und Action­filme, Helden­ge­schichten und Aben­teu­er­er­zäh­lungen entdecken. Das Nazi-Baller-Kino der 70er-Jahre, für das Filme wie Steiner – Das Eiserne Kreuz typisch sind, kehrt neuer­dings wieder zurück – über europäi­sche Filme. Black Book, Paul Verhoeven’s Film über die Nieder­lande unter deutscher Besatzung aus dem Jahr 2006 war ein erstes Indiz für diese neue, auf den ersten Blick über­ra­schende Gegen-Entwick­lung gegen die Mode der Täter­filme mit ihren argu­men­tie­renden, »mensch­li­chen« Nazis. Tage Des Zorns ist der neueste. Aber man kann schon jetzt absehen: Es werden nicht die letzten sein.

Die histo­ri­sche Wahrheit bleibt da zumindest in Teilen auf der Strecke, eher ähneln diese Filme einem heroi­schen Denkmal: »Flamme« und »Zitrone« sind in Kopen­hagen Gedenk­steine gewidmet, und wer den Film gesehen hat, weiß, warum.