Der Sturm

The Perfect Storm

USA 2000 · 129 min. · FSK: ab 12
Regie: Wolfgang Petersen
Drehbuch:
Kamera: John Seale
Darsteller: George Clooney, Mark Wahlberg, Diane Lane, John C. Reilly u.a.

Sturm und nichts außerdem

Wolfgang Petersen geht wieder ins Wasser

Hoch­haus­mächtig türmen sich die Wellen auf, grau­schwarzes Wasser, pfeil­schnell peit­schende Windböen, schäu­mende See – dies ist das Szenario eines »perfekten Sturm«, des unan­ge­foch­tenen Haupt­dar­stel­lers in diesem Film. Den Zuschauer zieht es rasch hinein in die Wasch­küche der Natur. Hektisch wird die Kamera hin und herge­schüt­telt, das Gebrodel der vielen Geräusche untermalt von pathe­ti­scher Musik verbindet sich zu einem einein­halb­stün­digen Lärm­tep­pich, nicht weniger gewaltsam, als die Bilder.

Mit spontanem Dogma-Stil hat diese »Authen­ti­zität« freilich nichts zu tun. Durch­kal­ku­liert und compu­ter­be­rechnet ist jede Einstel­lung und der aller­größte Teil des schweren Wetters kommt aus den Labors der Trick­ex­perten. Manchmal glaubt man das zu bemerken, doch zumeist gelingen die Effekte über­ra­schend gut. Und wenn man sich nicht prin­zi­piell und sofort sträubt gegen die leicht durch­schau­baren Über­wäl­ti­gungs­stra­te­gien – die als »synthe­tisch« zu brand­marken eher billig ist – kann man sich für eine Weile gefan­gen­nehmen lassen von dem Erlebnis, das einem Wolfgang Petersens The Perfect Storm bereitet, und das als Kata­stro­phen­thriller funk­tio­niert.

Hier bewegt sich der deutsche Film­e­mi­grant ganz auf den Spuren großer Vorbilder. Schon immer suchte Hollywood auch eine Darstel­lung für das bisher Unge­se­hene, wollte man faszi­nieren mit immer perfek­teren Illu­sionen, immer authen­ti­scheren Darstel­lungen von Objekten und Ereig­nissen, die in natura nicht (re-)konstru­ierbar sind. Und immer ist dabei auch das »Es war einmal« der unaus­ge­spro­chene Imperativ dieser Gefühls­ma­schine namens Kino. Ob einst der US-Bürger­krieg, ob Spiel­bergs Saurier oder Camerons Titanic immer bezau­berte man die Zuschauer mit der Verbin­dung aus mehr oder weniger prägnantem »so ist gewesen« und modernen Märchen.

Auch Petersen hat ein reales Vorbild. 1991 verwüs­tete ein »Jahr­hun­dert­sturm« die US-Küste. Ihm fiel auch das Fischer­boot Andrea Gail mit sechs Seeleuten zum Opfer. Die wahre Geschichte dieser Ereig­nisse verar­bei­tete der Autor Sebastian Junger zu einem preis­ge­krönten Sach­buch­best­seller, auf dem The Perfect Storm fußt.

Eine entschei­dende Differenz liegt aller­dings darin, dass der Regisseur den trockenen Fakten des Buches, das über die letzten Tage der Andrea Gail nichts wissen kann, eine »emotio­nale« Rahmen­hand­lung und die Nach­emp­fin­dung der persön­li­chen Schick­sale hinzufügt. Das sich Petersen für diesen Rahmen kaum inter­es­siert, dass dieser für ihn nur ein Zuge­ständnis an das »Popcorn­pu­blikum« bedeutet, verleugnet er keine Sekunde. Zu sche­ma­tisch, zu klischee­haft, zu ober­fläch­lich wird hier vom ersten Augen­blick an alles gezeichnet. Recht­fer­tigen läßt sich dies zwar als takti­scher Schachzug des Regis­seurs, damit wir Zuschauer nicht gar zu sehr leiden, wenn es ihnen am Ende dann – gluck­gluck – den Garaus macht. Doch wie sie sterben – »wir haben das Richtige getan«-, und wie sie zuvor gelebt haben – »Seid ihr Schwert­fi­scher?!« – das kann man nicht ernst nehmen, das geht auf keine Walfisch­haut.

Dabei wird ande­rer­seits doch so vieles ange­deutet: George Clooney spielt den Skipper nicht als beses­senen Käptn Ahab, sondern als Western­held am falschen Ort, ein verkniffen schweig­samer, lone rider auf hoher See. Überhaupt beschwört The Perfect Storm Männer­my­then um sie ad absurdum zu führen: der schweigsme Führer ist dann irgendwo doch der Depp, der den entschei­denden Fehler gemacht hat, und wer nicht auf die Frauen hört, lernen wir gleich mehrfach, muss unter­gehen. Leicht schält sich aus der Story armer »Worker«, die gegen bessere Ahnung, von wirt­schaft­li­cher Not und Produk­ti­ons­ver­hält­nissen getrieben wieder aufs Meer fahren, auch ein Stück Kapi­ta­lis­mus­kritik. Und Schuld an allem Unglück trägt letztlich nur das Versagen der Kühl­ma­schine – unbe­wußter oder ironi­scher Finger­zeig auf den american way of life.

So ließen sich noch viele Zeichen entzif­fern. Doch zu lieblos, zu blass und sche­ma­tisch bleibt das ganze Drumherum. Und am Schluß geht es wieder einmal um nichts mehr, als darum, aufrecht sterben zu lernen, und leider tun sie das auch alle. Kein Geflenne, keine Krise, keine Klaus­tro­phobie im Sturm­chaos – wie sie Persen doch in Das Boot ganz ordent­lich darge­stellt hatte. Nur ameri­ka­ni­sche Klischee­männer, nicht von dieser Welt. Die Welt hier ist Sturm und nichts außerdem.