Spy Game – Der finale Countdown

Spy Game

USA/GB 2001 · 126 min. · FSK: ab 12
Regie: Tony Scott
Drehbuch: ,
Kamera: Daniel Mindel
Darsteller: Robert Redford, Brad Pitt, Catherine McCormack, Stephen Dillane u.a.
Pitt, Redford und eine wunderschöne Telefonzelle

Helden: Sie sehen gut aus, sind gut angezogen, sie schießen und trinken und denken – und immer für das Gute. Sie verführen, vor allem uns, die Zuschauer im Kinosaal. Spy Game, der neue Film von Tony Scott, ist eine nost­al­gi­sche Reise in die gute alte Zeit, in der solche Figuren noch bruchlos über­zeugten. Da hießen Männer noch Gentlemen, rauchten Kette und sahen trotzdem aus wie Robert Redford. Redfords Auftritt in dieser Haupt­rolle allein ist schon ein nost­al­gi­scher Verweis, die Erin­ne­rung daran, dass die Zeit nicht stehen bleibt und dass früher viel­leicht wirklich manches besser war.
Derzeit hat im Kino offenbar die Stunde der Nostalgie geschlagen. An den jüngsten Erschüt­te­rungen des west­li­chen Selbst­be­wußt­seins kann es nicht liegen, denn noch sieht man im Kino Filme, die vor dem vergan­genen September geplant wurden; es muss also tiefere Ursachen haben, dass derzeit so vieles nicht allein in einer jüngeren Vergan­gen­heit spielt, sondern – vgl. Ocean’s Eleven – die Männer­my­then dieser Vergan­gen­heit so inbrünstig zele­briert.

Diesmal gibt es ein Zurück in die 70er und 80er-Jahre, in die Welt von James Bond, der Spione des Kalten Krieges, die sich über den Eisernen Vorhang hinweg ein bizarres Match lieferten, das nach absurden, ganz eigenen Gesetzen gespielt wurde – nicht umsonst verweist schon der Titel von Scotts Film auf den Spiel­cha­rakter des Ganzen. »Das ist kein Spiel« behauptet einmal Tom Bishop (Brad Pitt). Doch er tut es wider besseres Wissen, gibt nur eine Vorlage für Nathan Muir (Redford), um ihm und damit uns einmal mehr die Welt zu erklären, und so zugleich am Mythos der harten, coolen Helden zu weben: »Doch, genau das ist es. Aber es ist kein Kinder­spiel. Es ist ernst und gefähr­lich, und es darf nicht verloren gehen.«

Nathan und Tom, der Weise und der Ungläu­bige, der Abge­klärte alter Schule und sein junger Lieb­lings­schüler. Spy Game ist auch ein Stück über das Verhältnis zweier Gene­ra­tionen, um Männ­er­freund­schaft, das wohl dickste Band im US-Kino, um zwei, die sich aufein­ander verlassen können.

Eigent­lich kann so ein Film nicht funk­tio­nieren. Der eine Held sitzt fast den ganzen Film über in einem Zimmer um einen ovalen Tisch herum und erzählt. Der andere wird in einer dunklen Zelle der Volks­re­pu­blik China gefan­gen­ge­halten, und in den wenigen Momenten, in denen man ihn sieht, miss­han­delt. Der Rest ist Erin­ne­rung. Mal Gelb, mal Blaugrau ist sie getönt, wie überhaupt Erin­ne­rungen ja immer getönt sind. Sie allein enthalten die ganze Action, die schnellen Verfol­gungs­jagden, waghal­sigen Hubschrau­ber­flüge, Reisen durch die ganze Welt, die lauten Explo­sionen, Schüsse, Küsse. Und weil Spy Game dies unver­hohlen feiert, funk­tio­niert der Film doch: Kino als Produzent gefärbter Erin­ne­rungen, die viel­leicht falsch, aber darum um so schöner sind.

In der Gegenwart sehen Helden­taten anders aus: Ein Anruf in London, eine e-mail, ein kluger Blick, der mehr sieht – anderes ist da nicht. Mit genialem Under­state­ment spielt Redford am Ende hier den alten Wolf, den CIA-Agent an seinem letzten Tag. Er ist schon nicht mehr ganz von dieser Welt, als er gezwungen wird, seinem alten Kumpel Tom noch einmal zu helfen. Man muss hier nicht fragen, was wirklich zu halten ist von diesen Gottes­krie­gern der USA, die Bomben legen und morden – wenn es Mr. President für richtig hält. Es führt ins Leere, wenn hier manche Film­kri­ti­ker­kol­legen plötzlich die »Achse des Bösen« herbei­zi­tieren, behaupten, Scott habe einen »prima Propa­gan­da­film abge­lie­fert« (Nico Schröder im TIP). Und es ist bezeich­nend dafür, wie unpo­li­tisch die deutsche Film­kritik im Grunde ist, dass ihr nur, wenn sie in Filmen wie diesem quasi mit der Nase drauf­ge­stoßen wird, plötzlich einfällt: »Das muss man doch mal politisch sehen.« Dann entdecken sie plötzlich, dass hier die »Wahn­vor­stel­lungen« einer Nation verfilmt werden, und fragen, »Handelt es sich dabei etwa um den verklä­renden Schimmer der Nostalgie?« Ja was denn sonst!

Politisch ist Tony Scotts Film trotzdem, und dies nicht als Vertei­di­gung des Zynismus. Wie schon Enemy of the State zeigt er einen Einzelnen im Kampf mit einem System, an dem es nichts schön­zu­färben gibt – und schon aus mora­li­schen Gründen sollte man es mit dem Underdog halten. »Wann baute Noah seine Arche? Vor der Sintflut!« – ein schöneres Plädoyer für die Berech­ti­gung der Paranoia ist kaum denkbar.

Ansonsten bleibt der Abgesang auf eine Art von Heldentum, die heute nicht mehr möglich ist. Ein letztes Mal darf sie es aber noch sein. Für die Liebe. Ein Spiel. Mit der Wirk­lich­keit hat das alles viel­leicht tatsäch­lich nichts zu tun. Aber ab und zu will man es zumindest als Kino-Märchen erzählt bekommen. Erst recht, wenn es so schön ist, wie Robert Redford und der alte Porsche, mit dem er am Ende in die Ewigkeit davon­fährt.