Sois sage

Frankreich/DK 2008 · 90 min. · FSK: -
Regie: Juliette Garcias
Drehbuch:
Kamera: Julien Hirsch
Darsteller: Anaïs Demoustier, Bruno Todeschini, Nade Dieu, Alexandra Fleischer u.a.
Komplizierte Verhältnisse

27. Filmfest München 2009

Tinitus der schönen Bilder

Der fran­zö­si­chen Cutterin Julliette Garcias ist es in ihrem Debütfilm Sois sage (zu deutsch: Sei artig) gelungen, einen Film mit einer sehr großen Tiefen­wir­kung zu schaffen und psycho­lo­gisch sowie sozio­lo­gisch sehr heikle Fragen aufzu­werfen.

Der Film beginnt mit poeti­schen Bildern, in denen bereits in den ersten Momenten eine zwie­späl­tige Ästhetik zu spüren ist: sie werden begleitet von einem ursprüng­lich harmo­ni­schen Klavier­stück, das sich immer mehr in Disso­nancen auflöst und sich in eine Art Tini­tus­geräusch verwan­delt. Dies ist der innere Zustand dieser Welt der schönen Bilder, so scheint es, in der eine junge Frau mit einer geheim­nissvollen, quälenden Liebe überfüllt ist. Die Liebe zu einem Mann bringt die 20-Jährige Ève (Ana?s Demous­tier) in ein entle­genes Dorf. Dort nimmt sie den Job als Brot­lie­fe­rantin an. Sie tut es, um dem um einiges älteren Jean (Bruno Tode­schini) näher zu sein, mit dem sie ein schwär­me­ri­sches Verhältnis verbindet. Jean hat Frau und Kind, und dennoch nähert sich die junge Verliebte immer mehr seinem Leben.

Der Film wird in sehr starken Bildern voller Emotionen erzählt, in denen immer wieder auch erotische Konno­ta­tion spürbar werden. Durch langsame Aufnahmen lädt sich der Film mit einer unter­grün­digen, unheim­li­chen Spannung auf: Man wartet auf den Psycho­thrill. Während­dessen nimmt die poetische Darstel­lung der Gegen­s­tände in langen Nahauf­nahmen einen beacht­li­chen Teil des Films ein und wirkt wie ein Sog auf den Zuschauer, der sie immer tiefer ins Geschehen hinein­zieht. Durch die Nahauf­nahmen von spie­lenden Händen, Backen von Brot aber auch Tier­ca­daver und Wein­schne­cken werden synäs­t­he­ti­sche Reize erzeugt, der Zuschauer in die Gefühls­welt der Prot­ago­nistin fast mit Gewalt einge­bunden. Besonders ein Blinder, der die Wein­berg­schne­cken sortiert, hat stark symbo­li­sche Natur, die im Film an mehreren Stellen eine große Rolle spielt: Er ist Symbol für die sensua­lis­ti­sche Welt­wahr­neh­mung – »ich fühle also bin ich«. Genau das versucht die Prot­ago­nistin: über die Empfin­dungen sich wieder­zu­finden und viel­leicht sich neu zu defi­nieren.