Palmetto – Dumme sterben nicht aus

Palmetto

USA/D 1998 · 114 min. · FSK: ab 16
Regie: Volker Schlöndorff
Drehbuch:
Kamera: Thomas Kloss
Darsteller: Woody Harrelson, Elisabeth Shue, Gina Gershon, Chloe Sevigny u.a.

Wenn die Leiche des jungen Mädchens in eine Wanne mit Säure eingelegt wird, und der Böse beherzt die gesamte Lauge durch­rührt, dann erlaubt sich der Film einen lustigen Scherz: Ein Schnitt und man sieht Nudeln in einem Ausguß verschwinden – die Frau im Nebenraum räumt ihre Küche auf. So ähnlich hätte Hitchcock vor vierzig Jahren auch gemacht.
Palmetto ist ein lupen­reiner Film Noir. Die Anklänge an die Klassiker der Vierziger Jahre, wie Double Indemnity oder The Big Sleep, sind eindeutig. Der Regisseur und geschei­terte UFA-Erneuerer Volker Schlön­dorff, der häufig mit Roman- oder Stück­ad­ap­tionen arbeitet, hat sich diesmal einen Aussen­seiter unter den Autoren von Hard­boiled-Krimis ausge­sucht: James Headley Chase ist in Amerika nie richtig populär geworden, bei fran­zö­si­schen Filme­ma­chern, wie Julien Duvivier oder Henri Verneuil, waren seine Stories als Dreh­buch­vor­lagen jedoch sehr beliebt. Chases Roman »Just another sucker« wurde nun in Palmetto umbenannt und in die Gegenwart versetzt. Die Zutaten entstammen allesamt dem alten Rezept­buch, das bevorzugt Schuld und Blödheit verwendet.

Die Gesell­schaft ist ihm was schuldig. Zwei Jahre lang war Harry Barber unschuldig im Knast gesessen. Endlich hat die Justiz ein Einsehen und läßt ihn raus, und Harry beginnt sein neues Leben mit dem Gefühl, daß er jetzt eine Straftat frei hat. Seine Freundin Nina, inzwi­schen zur erfolg­rei­chen Bild­hauerin gereift, empfängt ihn zwar liebevoll und hilft ihm bei der Jobsuche, dennoch läßt sich Harry von einer geheim­nis­vollen Blondine zur Betei­li­gung an einer fingierten Entfüh­rung überreden. Die Lady behauptet, sie sei Rhea Malroux, die Frau des reichsten Mannes von Palmetto, und möchte in Zusam­men­ar­beit mit ihrer Stief­tochter den schwer­kranken Gatten um eine halbe Million Dollar erpressen. Harry, der nur den Anruf des Entfüh­rers für sie bewerk­stel­ligen und das Lösegeld in Empfang nehmen soll, läßt sich von der Dame herum­führen wie eine Mario­nette am Schnür­chen, bzw. »am Zipfel«, wie Nina es später nennen wird. Sein Pech dabei ist, daß keines­wegs alles so glatt geht bei dem kleinen Coup, und Harry auch nicht alle Details des Planes kennt.

Woody Harrelson spielt diesen dummen Schwanz­träger, der in seiner Unbe­hol­fen­heit offene Falltüren einrennt, Gina Gershon ist Nina, die patente, brave Ameri­ka­nerin, die ihrem Haus­deppen in tiefer Liebe zugetan ist, und Elisabeth Shue schlän­gelt sich als die undurch­sich­tige Verfüh­rerin so super­willig vor Harrelson herum, daß auch dem ungeüb­testen Betrachter klar ist, daß mit dieser Frau irgendwas nicht stimmen kann. Schlön­dorff muß es nach all seinen ehrbaren, Niveau markie­renden Lite­ra­tur­ver­fil­mungen als immens erfri­schend empfunden haben, weibliche Brüste ins Bild ragen zu lassen. Auch an Frau Shues eroti­scher Nachhut, Chloe Sevigny als Odette Malroux, die als früh­reifer Backfisch sowas wie Sinn­lich­keit behauptet, hatte er offen­sicht­lich seine Freude. Daß das Geräkel seiner Darstel­le­rinnen für seine Zwecke viel zuviel des Frivolen ist, haben seine Stiel­augen dabei übersehen.

Schon nach kurzer Zeit ist klar, wie der Plot-Hase laufen soll, auch wenn er ein paar gelinde über­ra­schende Haken schlägt. Doch so stan­des­gemäß wie der Regisseur seine Story runter­ge­filmt und so unzwei­deutig wie der Autor seine Sätze hinge­klemp­nert hat, bleibt Palmetto weit hinter anderen Versuchen, die »Schwarze Serie« in den Neun­zi­gern zu reani­mieren, zurück. Der elegante Teufel in Blau hatte den raren, afro-ameri­ka­ni­schen Blick­winkel und eine glamouröse Ausstat­tung zu bieten, und bei L.A. Confi­den­tial war jede einzelne Figur perfekt geschliffen. Schlön­dorffs blitz­sau­berer, schlie­ren­freier Genre-Beitrag ist im Vergleich dazu ein Kunstwerk aus dem Kultur­be­reich »Malen nach Zahlen«. Der Sound­track von Klaus Doldinger entspricht exakt der Ausstrah­lung des Gesamt­werks: Da zitiert einer den Blues, ohne von ihm die wirkliche Ahnung zu haben.
Und was meint der Regisseur selbst? »Ein Film, wie ich ihn selber am Liebsten sehe.« Toll, Volker, da bist du ja schon mal einer.