Melinda und Melinda

Melinda and Melinda

USA 2004 · 100 min. · FSK: ab 0
Regie: Woody Allen
Drehbuch:
Kamera: Vilmos Zsigmond
Darsteller: Radha Mitchell, Chloé Sevigny, Josh Brolin, Amanda Peet u.a.
Melinda

Im Auge des Betrachters

Pessi­mismus oder Opti­mismus – welche Haltung ist dem Leben gegenüber ange­bracht? Und was will man lieber auf der Leinwand sehen, einen Witz oder eine Kata­strophe? Mit einem Streit über solche Fragen – vier Freunde essen in einem Restau­rant zu Abend, Rotwein erhitzt das Gespräch – beginnt Woody Allens neuester Film, und lässt dann die Visionen der Streit­hähne auf der Leinwand sichtbar werden: Melinda und Melinda erzählt gleich zweimal von den Liebes­leiden einer jungen Frau – einmal als Tragödie und einmal als Komödie. Letztere wirkt aller­dings, wie bei Woody Allen nicht anders erwartbar, oft tragi­scher, die Tragödie komischer als die jeweils andere Hälfte. Beide Geschichten sind in typischem Allen-Milieu ange­sie­delt: Einmal ist Melinda Alko­ho­li­kerin und selbst­mord­ge­fährdet, eine alte Freundin die zu Besuch kommt, Versa­gerin unter lauter Erfolgs­men­schen, die sich aller­dings bei genauerem Hinsehen als nicht so erfolg­reich entpuppen. Auch im zweiten Fall bringt Melinda als neue Nachbarin die versteckten Konflikte zum Ausbruch – und verliebt sich in einen Schau­spieler. Begleitet von Stra­vinsky und Bartok, im tragi­schen Teil, und von Ellington im komischen, bietet Allen einen Einblick in die Absur­dität und Zufäl­lig­keit des Lebens. Dabei handhabt Allen die Paral­lelen nie sche­ma­tisch.

Am Ende lautet das Fazit zwar nicht wahn­sinnig originell, es liege alles »im Auge des Betrach­ters«. Trotzdem ist Melinda und Melinda der beste Film Allens seit langem – nicht so flach und dialo­glastig wie seine letzten Werke, sondern geist­reich und ironisch, eine Drama­ti­sie­rung des künst­le­ri­schen Schaf­fens­prozeß' und eine Reflexion über das Dilemma, das Allen seit jeher umtreibt – seine Filme sind schließ­lich immer beides, Komödie und Tragödie. Erstaun­lich, wie es Allen auch nach 50 Filmen gelingt, sich neu zu erfinden und sein Publikum zu über­ra­schen. Zudem gefallen die guten Darsteller. Die Über­ra­schung dabei ist die Austra­lierin Radha Mitchell in ihrer Doppel­rolle der schus­selig-liebens­werten Melinda. Sie muss den Film tragen und dies gelingt ihr leicht. In einigen komischen Augen­bli­cken wirkt sie wie eine Neuauf­lage von Michelle Pfeiffer. Auch Chloë Sevigny gefällt als reiche »Park Avenue Prin­zessin« im Yuppie-Milieu. Am Ende verlässt man das Kino gutge­launt und ein bisschen zerstreut – als hätte man selbst gerade ein Abend­essen mit alten Freunden und etwas zuviel Rotwein hinter sich.