Matrix Revolutions

The Matrix Revolutions

USA 2003 · 129 min. · FSK: ab 16
Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski
Drehbuch: ,
Kamera: Bill Pope
Darsteller: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Peter Lamb, Carrie-Anne Moss u.a.
Es fährt ein Zug nach nirgendwo...

Es gibt Meilen­stein-Filme, deren Autor ist so sehr der Welt-, der Zeitgeist eines spezi­fi­schen Moments, dass einem die armen Menschen geradezu leid tun können, die da im Vorspann als die vorgeb­li­chen Urheber, Macher erscheinen und die dann, wenn die Muse, die ihnen einen one-night-stand gegönnt und das eine, wichtige Werk geschenkt hat, längst wieder weiter­ge­zogen ist, auf ihre beschei­denen Talente zurück­ge­worfen (und dabei mögli­cher­weise doch selbst an ihr vermeint­li­ches Genie glaubend) verzwei­felt nach der nicht wieder erlang­baren Größe haschen und dabei nur noch künst­le­ri­sche Offen­ba­rungs­eide hervor­bringen.

The Matrix war so ein Film, der einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, der wie ein Traum­fänger bündelte, was damals in unserer Global-Kultur herum­schwirrte und es in Zusam­men­hänge brachte, die ebenso aufregend neu wie plötzlich völlig selbst­ver­s­tänd­lich schienen. The Matrix surfte auf mehreren Wellen des kollek­tiven Bewusst­seins genau in dem Moment daher, wo diese gerade bereit waren, mit Macht die Dämme zum Main­stream zu über­schwappen: Die Diskurse der Post­mo­derne und des Post­struk­tu­ra­lismus zur Virtua­lität, die schwe­re­lose, ballett­hafte Ästhtetik des Hong Kong-Action­kinos – beides hatte es schon seit Jahr­zehnten gegeben. Aber vermengt mit film noir, Lack & Leder-Fetisch, »Alice in Wonder­land«, christ­li­cher Heils­lehre, Anime-Anleihen, foto­gra­fi­schen Tricks aus der Videoclip-Kiste, ange­popptem Techno, präsen­tiert mit adoles­zentem Gefühl für Coolness, der Begeis­te­rung echter Nerds, die selbst kaum glauben können, dass all dieses Spielzeug ihnen gehört, dass man sie sich nach Herzens­lust austoben läßt, getunkt in Comics-Feeling, war es The Matrix vorbe­halten, all das erstmals auch an ein Massen­pu­blikum zu verkaufen, ohne die Insider zu vergraulen und mit genug Präten­tion im Gepäck, um auch die Akade­miker und Feuille­to­nisten heftig zu beschäf­tigen. Die Zeit war reif für einen Film, dessen Held seine Waffe in einem ausgehölten Buch versteckte, wie es schon Prot­ago­nisten der ‘30er Jahre taten – nur dass jetzt die Waffe eine Diskette statt einer Pistole war und das Buch nicht mehr die Bibel, sondern Baudril­lards »Simulacra and Simu­la­tion«.

Dabei nahm The Matrix seine ehrlich gesagt ziemlich ober­fläch­liche Pop- und Pseudo-Philo­so­phie, sein Gerede von Realitäten und Reli­gionen, schon immer viel ernster und wichtiger, als er dafür wirklich Grund gehabt hätte. Ande­rer­seits aber war der Film auf einer weniger bewusst ange­spro­chenen Ebene auch viel klüger und komplexer, als wohl selbst seine Macher ihm zutrauten: Was mit all diesen aus dispa­ra­testen Quellen zusam­men­fließenden Bildern, Ideen, Versatz­stü­cken passierte, wie sie da aufein­ander prallten und mitein­ander zu kommu­ni­zieren begannen, das sagte mehr über die Kultur unserer Welt anno 1999 als viele gelehrte Bände.

Der Titel war Programm: The Matrix war eine Matrix ästhe­ti­scher, kultu­reller, geistiger Vektoren, die in ihrem Aufein­an­der­treffen sich nicht einfach brav addierten, sondern sich verknüpften, verkno­teten, verviel­fäl­tigten. Nicht zuletzt daher rührte die schil­lernde Vielfalt an möglichen Lese-Ebenen und Lesarten des Films, der auch immer etwas Spie­gel­ka­bi­nett war für seine Inter­preten: Jeder konnte darin entdecken, was man jeweils darin zu sehen erwartete. Zu einem der defi­nie­renden Filme seiner Epoche wurde The Matrix in zwei­fa­cher Hinsicht wegen all dessen, was man in ihm (wieder)finden konnte: Den damals aktuellen Dingen, die er tatsäch­lich zusam­men­ge­fischt hatte – und all den Dingen, die man in sein komplex, doch lose geknüpftes Zitat-Gewebe hinein proji­zieren konnte.

Doch nach dem Siegeszug des Films herrschte langes Schweigen, The Matrix wurde zum ersten Teil einer Trilogie umerklärt, die Wachowski-Brüder zogen sich zurück, tüftelten, bastelten, werkelten. Und dann ließ schon Matrix Reloaded mehr als ahnen, dass es um die Gestal­tungs­kraft von Andy und Larry lang nicht so gut bestellt war, wie viele nach dem Vorgänger-Film vermu­teten. Reloaded war der Versuch, es The Matrix möglichst gleich­zutun, nur ihn in allem nochmal zu über­treffen: Mehr Welt­re­li­gionen, mehr Film­genres anzitiert, die Action-Szenen multi­pli­ziert.

Aber die Zeit­läufte, die Welt, hatten sich schon längst geändert, ohne dass Matrix Reloaded davon irgendwie Notiz genommen zu haben schien. Es wurde nochmal unver­än­dert aufge­fahren, was vor vier Jahren neu und aufregend war – statt etwas heute Neuem und Aufre­gendem. Was einst als stilis­ti­sche Inno­va­tion schien, war aber nun schon hundert­fach imitiert; der Weltgeist wie das (Action-)Kino hatten sich auch längst schon wieder anderen Themen zugewandt. Nach dem New Economy-Crash und 11/09/01 waren Fantasien der totalen Virtua­lität schon wieder ziemlich passé.Vor allem jedoch schien den Wachow­skis das Gefühl für die richtige Mischung abhanden gekommen zu sein. All die Bausteine – selbst jene, die noch zu gefallen wussten – wollten sich nicht mehr zu einem über­zeu­genden Ganzen fügen. Sie schienen recht unver­bunden neben­ein­ander zu stehen; die Zutaten des Zitat-und-Ebenen-Cocktails verbanden sich nicht. Die Summe war nicht mehr größer als ihre Einzel­teile.

Matrix Revo­lu­tions ist nun aber eine Bank­rotter­klä­rung, in deren Licht Reloaded geradezu wie ein Meis­ter­werk wirkt. Reloaded hatte wenigs­tens von allem mehr, mehr, mehr, auch wenn es nicht mehr recht funk­tio­nieren wollte. Reloaded hatte wenigs­tens noch emble­ma­ti­sche Bild­ein­fälle wie den rekursiv »tape­zierten« Raum des Archi­tekten, den Gang mit den Programm-Hinter­türen.

Revo­lu­tions hat von allem, was The Matrix einst »cool« machte, im besten Falle noch faden Abklatsch behalten. Es fehlt die Dichte der Zitate, die Vielzahl der Quellen; plump und flach ist alles geworden, ohne Kitzel die visuellen wie die inhalt­li­chen Einfälle. Es reicht nicht mal zum ordent­li­chen Selbst­zitat: Martial Arts-Meister Yuen Woo Ping muss fast arbeitslos gewesen sein bei diesem Matrix-Teil, denn Kampf­kunst und Feuer­waf­fen­bal­lette gibt es kaum. Bilder, die länger als fünf Minuten im Kopf hängen bleiben, sucht man ziemlich vergebens (am ehesten quali­fi­ziert sich hier noch die leere, weiße U-Bahn-Station, in der Neo gefangen ist).

Nur in einem über­trifft Matrix Revo­lu­tions seine beiden Vorgänger: So viel grenz-nonsen­si­sches Dialog-Geschwalle war nie. Von einer kurzen Action-Szene unter­bro­chen, bietet die komplette erste Stunde des Films nichts anderes. Man fühlt sich, als wäre man in eine Beckett- oder Ionesco-Parodie geraten, oder auch einen völlig miss­ra­tenen und ewig ausge­dehnten Loriot-Sketch: Endlos wird da mit großem Ernst der absur­deste Unsinn vorge­tragen – lag schon in Matrix Reloaded die Betonung bei all den Pseudo-Philo­so­phi­schen Ausfüh­rungen deutlich auf dem »Pseudo«, ist die Sache mit Revo­lu­tions nun vollends abge­rutscht zu einem Gedan­ken­ge­bäude, das außer Bana­litäten im Stile von »Liebe ist auch nur ein Wort« nur noch ein ausschließ­lich auf sich selbst bezogenes, von außen betrachtet ebenso obskures wie belang­loses System vorzu­weisen hat. Das ist viel­leicht noch fein für all die Internet-Geeks, die gerade solche Systeme – sei es Star Wars, sei es Tolkiens Fanta­sie­welt – liebend gern haarklein totdis­ku­tieren, so lange selbige nur ja nichts mit wirk­li­cher Welt und Leben zu tun haben. Aber es schneidet Matrix ab von all den anderen kultu­rellen Strö­mungen, in denen die Trilogie (als sie noch keine war) einst so lustvoll gebadet und gefischt hat. Revo­lu­tions ist keine Kollektiv-Fantasie mehr, die wach wäre für das, was um sie geschieht. Wie George Lucas (nur leider in viel kürzerer Zeit) scheinen auch die Wachow­skis zu Kino-Wald­schraten geworden zu sein, die nur noch kraft- und saftlos ihr eigenes, abge­schot­tetes Gärtlein beharken.

Wobei: Es wird auch viel davon gefaselt, dass sogar Programme lieben, und wir lernen »Auch Kekse brauchen Liebe«. (Es war zuge­ge­be­ner­maßen sicher nicht hilfreich, dass die einzige Pres­se­vor­füh­rung nur die deutsche Synchro zeigte – ich wage aber zu wetten, dass die Origi­nal­fas­sung auch nur marginal weniger unfrei­wil­lige Komik bietet.) Es scheint also durchaus so, als wolle Matrix Revo­lu­tions uns allen etwas über die Liebe erzählen. Aber entweder verstehen die Wachow­skis davon nichts (wogegen zumindest Teile von Bound sprechen würden), oder dieser Film ist einfach nicht der Rahmen, in dem sie es schaffen können, diesem Thema auch nur den Funken von Wahr­haf­tig­keit abzu­ge­winnen.

Vor allem, weil sie quasi den Löffel abgegeben haben: Anstatt – wie im ersten Teil mit dem berühmten Besteck – Dinge zu ZEIGEN, sie visuell sinn­fällig zu machen (ich meine: Jungs, wir sind hier im Kino, ihr erinnert Euch? KINO? Mit BILDERN?), wird hier von allem nur noch geredet, geredet, geredet. Das Phänomen, das schon in Reloaded zu bestaunen war, gibt es dabei dann so lange zu ertragen, dass man vor Verzweif­lung in den Kino­sessel beißen möchte: Fahren die Wachow­skis für ihre Action-Sequenzen alles auf, was Hollywood so an Kamera-Wirbelei und Schnitt-Virtuo­sität zuläßt, zeigen sie sich bei Dialog­pas­sagen filmisch einfalls­loser als durch­schnitt­liche deutsche Fern­seh­spiele. Esta­blis­hing shot, und dann statische Gesichter-Groß­auf­nahmen im kreuz­braven Schuss-Gegen­schuss-Wechsel – ein anderes Rezept scheinen sie nicht zu kennen.

Und die Action-Sequenzen können diesmal kaum noch dage­gen­halten. Zumal es rech­tei­gent­lich sowieso nur zwei von ihnen gibt. Wenn die Stunde absurdes Laber-Theater endlich rum ist, mutiert Matrix Revo­lu­tions für eine Weile zum Kriegs­film und Zion zum Alamo – Großan­griff der Driller- und Killer-Roboter, »Morpheus, Morpheus, er hat überhaupt nicht gebohrt«.

Das Problem dabei ist nicht mal so sehr, dass da die plat­testen Klischees aus der ältesten Kriegs­film-Kiste gekramt werden – der nicht fertig ausge­bil­dete Rekrut, der sich beweist, der schlach­ter­probte Anführer, der sich opfert. Das Problem ist, dass all das Compu­ter­zei­chen­film­ge­trickse in Matrix recht gut funk­tio­nierte, solang der Film auch im virtu­ellen Raum der Matrix spielte: All das Unwirk­liche, Schwe­re­lose, Gelackte der Ästhetik passte da ja im wahrsten Sinn des Wortes ins Bild. Die Maschinen-Schlacht um Zion aber findet auf der Strick­pulli-Ebene statt, wo wir uns vorgeb­lich in realem Raum bewegen. Und dafür hat das flache, unscharfe Pixel­ge­wusel dann doch zu wenig Masse, Körper, Blut, Schweiß, Tränen.

Soll freilich nicht heißen, dass diesmal die Fights IN der Matrix noch sonder­lich viel reißen würden: Nach dem recht abrupten Ende der zionis­ti­schen Kriegs­hand­lungen geht Neo dran, Agent Smith zu verkloppen. Und gerade anbe­tracht dessen, dass es sich hier eigent­lich um den Höhepunkt, den Endkampf der Matrix-Trilogie handeln sollte, kommt auch das bodenlos hodenlos daher.

Wie überhaupt dieser Film das Erreichen der Talsohle, nicht des Gipfels der Matrix-Trias, verkör­pert. The Matrix hatte einen drama­tur­gi­schen roten Faden – das Publikum konnte zusammen mit Neo Schritt um Schritt das Rätsel der Matrix erkunden. Reloaded hatte wenigs­tens noch poten­tiell einen Grund, solch einen Faden nicht mehr zu besitzen: Als Mittel­s­tück einer Trilogie musste er erst eine eigent­lich abge­schlos­sene Geschichte noch einmal zur Fort­set­zung öffnen und dann eine Brücke bilden zu einem weiteren Teil. Revo­lu­tions aber fühlt sich überhaupt nicht an wie der End- und Höhepunkt einer Trilogie. Weder greift er all die losen Stränge der vorigen Episoden erschöp­fend auf, noch kann er einen sinn­vollen eigen­s­tän­digen Erzähl­bogen knüpfen.

Figuren wie der »Mero­winger« werden einfach kurzer­hand fallen­ge­lassen, in Revo­lu­tions selbst einge­führte Entitäten wie der »Trainman« verschwinden aus dem Film, bevor wir sie kennen­ge­lernt haben. Und noch schlimmer: Wir fühlen nicht mehr mit dem geblen­deten, erleuch­teten Heils­bringer Neo, und wir erfahren nichts mehr welt­be­we­gend Neues über ihn (oder seine Welt). Kein furioser Sturmlauf zum Grande Finale, sondern ermüdetes Voll­ziehen des Vorher­seh­baren.

Trau­ri­ger­weise haben die Gebrüder Wachowski auch nicht die geringste Ausrede, mit der sie sich aus der Verant­wor­tung für dieses Debakel stehlen könnten. Sie hatten alle künst­le­ri­sche Freiheit und alle Produk­ti­ons­mittel, die man sich nur wünschen kann; sie waren die Initia­toren des Projekts und hatten volle Kontrolle über die Ausfüh­rung (Noch so eine Gemein­sam­keit mit George Lucas...). Mehr noch als Matrix Reloaded – der schon genug Anzeichen in diese Richtung enthielt, um miss­trau­isch zu machen – beweist Revo­lu­tions, wie nackt in Wirk­lich­keit diese einst als Kaiser der Inno­va­tion gefei­erten Filme­ma­cher mit ihrer Krea­ti­vität dastehen. Dieser dritte Trilogie-Teil läßt kaum etwas anderes zu als den Schluss, dass der erste Matrix-Film ein glück­li­cher Zufall war. Eine Laune der Kino-Götter, die in den Wachowski-Brüdern zu einem spezi­fi­schen Zeitpunkt gerade das richtige Werkzeug fanden für einen Film, der in der Luft lag: Manche Geis­tes­blitze produ­ziert man eben nicht, sie schlagen von außen ein.

Vor allem enttäuscht an Revo­lu­tions, wie banal und geradezu altmo­disch das meiste von dem ist, was die Fantasie der Wachow­skis diesmal hergibt. Und konnte man in Reloaded über Dinge wie all die braven, monogamen, schön nach Haut­farben getrennten Zwei­er­be­zie­hungen noch halbwegs hinweg­sehen, weil doch immer wieder auch Inter­es­san­teres zum hingucken geboten wurde, gibt es nun nicht mehr viel Alter­na­tiv­pro­gramm. Ist das viel­leicht der Tribut an die verän­derten Zeiten: Alles wird konser­va­tiver?

Jeden­falls merkt man bald in Matrix Revo­lu­tions, dass der Trübsinn insofern Methode hat, als dass die Autoren/Regis­seure konse­quent jeden Eindruck von Souver­änität und Origi­na­lität vermeiden und sich wacklig auf den ausge­tre­tensten Pfaden vorwärts hangeln. So gegen Mitte des Filmes beschlich mich folglich die ungute Ahnung, dass am Ende der Matrix-Trilogie nichts anderes stehen würde als eine Idylle; dass die Erlö­sungs­fan­ta­sien in einem »Brüder, zur Sonne, zur Freiheit« ihre Erfüllung finden müssten. Und so bieder und armselig, wie sich die Vorstel­lungs­kraft der von allem guten Weltgeist verlas­senen Wachow­skis in Matrix Revo­lu­tions bis zu dem Zeitpunkt schon offenbart hatte, kroch die schlimme Befürch­tung herauf, dass ihre Vision einer Idylle auch von der ganz alten und ganz klein­bür­ger­li­chen Sorte sein würde.

Eine Befürch­tung, die sich leider aufs Schlimmste bewahr­hei­tete: End- und Zielpunkt dieser Film-Trias, die einst mit einem als zukunfts­wei­send empfun­denen Stück Kino begann, ist tatsäch­lich nichts anderes als ein pein­li­ches, banales Kitsch­post­karten-Bild.