Ein letzter Tango

Un tango más

Deutschland/Argentinien 2015 · 81 min. · FSK: ab 0
Regie: German Kral
Drehbuch:
Kamera: Jo Heim, Félix Monti
Schnitt: Ulrike Tortora
Darsteller: Pablo Verón, Alejandra Gutty, Ayelen Álvarez Miño, Juan Malizia u.a.
Rum-da-da-da. Dadadada-rum-da-da-da.

Der letzte Tango von Buenos Aires

»Ich hasse diesen Mann«, sagt Maria, doch ihr halbes Leben lebte und tanzte sie mit ihm zusammen. Dabei, erzählt sie, tanzte er anfangs »wie eine Sackkarre«.

Es beginnt mit einer Reise zurück in die vibrie­renden Tanz­keller der 50er Jahre. Fernsehen und Computer gab es noch nicht und so vergnügte sich die Jugend im damals boomenden Argen­ti­nien mit Fußball, Kino und eben Tanz.

Der Tango ist nicht nur ein leiden­schaft­li­cher, drama­ti­scher und hoch­kom­plexer Tanz, er ist auch eines der bekann­testen Kultur­ex­port­güter Latein­ame­rikas. Tango ist ein Tanz voll inniger Umarmung, voller Leiden­schaft. Tango, heißt es einmal in dem Film, erzählt von allem. Ein Tanz voller Phantasie und Krea­ti­vität, der in nur wenigen Minuten ein ganzes Epos erzählen kann, eine große Geschichte von Liebe oder Hass.

Liebe und Hass, davon war auch die Beziehung von María Nieves und Juan Carlos Copes geprägt. Heute sind sie 81 und 84 Jahre alt, kennen­ge­lernt haben sie sich im Alter von 14 und 17 Jahren. Fast ein halbes Jahr­hun­dert lang waren sie danach das nationale Traumpaar Argen­ti­niens, eine Art Fred Astaire und Ginger Rogers des Tango, die auch privat, so schien es zumindest von außen, in span­nungs­rei­cher Harmonie lebten, sie liebten und hassten sich, trennten sich und heira­teten, lieferten dabei den Gazetten reichlich Stoff für Schlag­zeilen, und fanden immer wieder zuein­ander. Doch mit fast 50 verließ Juan Carlos Maria endgültig – für eine 25 Jahre jüngere Frau.

Regisseur German Kral wurde 1968 in Buenos Aires geboren. Seit über zwei Jahr­zehnten lebt Kral nun in München, doch seine zweite Heimat Argen­ti­nien lässt ihn nicht los. Dies ist sein dritter Film über Argen­ti­nien, sein zweiter über den Tango. Für diesen Film ist es Kral gelungen, die beiden Senioren für seinen Film wieder zusam­men­zu­bringen. Obwohl sie persön­lich mitein­ander gebrochen haben, gelingt es Kral, dass beide für den Film und den Tango großzügig genug sind, um über alle persön­li­chen Abgründe hinweg noch einmal mitein­ander zu tanzen. Ein letztes Mal. Der Film fügt auch beider Leben damit ein weiteres Kapitel hinzu – und man kann diese durchaus modische Eigenart neuerer Doku­men­tar­filme, in den Gegen­stand, der doch darge­stellt werden soll, aktiv einzu­greifen, mit guten Gründen kriti­sieren. Dies ändert nichts an der grund­sätz­li­chen Qualität des Films.

Der Regisseur liebt seine Figuren spürbar – beide. Um Schuld­zu­wei­sungen geht es hier nicht. Sondern um zwei hoch­in­ter­es­sante, sehr verschie­dene Persön­lich­keiten und um eine unglaub­lich gute Geschichte, die viele fiktio­nale Kino­stoffe an Passion und Dramatik weit in den Schatten stellt. Und es geht um den lebens­langen Zusam­men­halt beider jenseits der Trennung und mancher Verlet­zungen.

Ein letzter Tango ist ein bild- und musik­starker Doku­men­tar­film. Vor allem ist er aber eine Liebes­er­klä­rung an den Tango und eine Feier der Leiden­schaft im Leben.

Krals Kamera tanzt mit. Immer wieder umkreist sie ihre Figuren, lädt auch die Zuschauer ein, in den gefühl­voll-nost­al­gi­schen Taumel einer bewegten Zeit und einer Musik einzu­tau­chen, in der es immer ums Ganze geht. Der Film zeigt das Paar beim Tanz, in getrennt geführten Inter­views und in alten Aufnahmen, er verknüpft dies mit histo­ri­schem Material und vor allem mit choreo­gra­fisch nach­emp­fun­denen Szenen, in denen eine Gruppe junger Tango-Tänzer aus Buenos Aires, die entschei­denden Momente aus Juans und María Geschichte in atem­be­rau­bende Tango-Tänze verwan­deln. Und das wird dann gele­gent­lich von der echten Maria kommen­tiert.

Ein letzter Tango ist eine herzens­warme, leiden­schaft­liche, einfach großar­tige Geschichte, die uns Zuschauern nebenbei auch eine ganze Menge Infor­ma­tives über die Kultur Argen­ti­niens erzählt. Ein stilis­tisch ausge­feilter Tanzfilm, der seine Perspek­tive immer wieder wechselt, und so den Tanz­do­ku­men­tar­film mit einer Liebes­ge­schichte verbindet. Beides ist glei­cher­maßen intensiv. Dies ist ein Film, dem man eine lange Kino­kar­riere wünscht!