Last Dance

USA 1996 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: Bruce Beresford
Drehbuch:
Kamera: Peter James
Darsteller: Sharon Stone, Rob Morrow, Randy Quaid u.a.

...und schon wieder ein neuer Film zum Thema Todes­strafe – wie anstren­gend, möchte man meinen...

Doch aufgepaßt, Ihr Freunde leichter Kost. Ein kurzer Blick in die Verlei­h­in­for­ma­tion von Last Dance sagt uns, daß es diesmal nicht um irgend­eine Begna­di­gung, sondern um die einer reue­vollen Todes­kan­di­datin geht. Das klingt doch schon mal halbwegs erholsam: man darf sich also guten Gewissens von Anfang an emotional und moralisch auf die Seite der Ange­klagten schlagen. Um so einfacher, da diese von der Klas­se­frau Sharon Stone gespielt wird, die es trotz Tattoo und Verzicht auf Schminke nicht schafft, auch nur ansatz­weise wie der Abschaum der Gesell­schaft auszu­sehen. Man muß sich also von vorne­herein nicht davor fürchten, eventuell mit dem abgrund­tiefen Gedanken konfron­tiert zu werden, daß man der Mensch­heit viel­leicht einen Gefallen täte, sie loszu­werden – ein Gedan­ken­gang, der in Tim Robbins Dead Man Walking durch die oftmals wirklich abstoßenden Äuße­rungen des Mörders Poncelet auch beim leiden­schaft­lichsten Todes­stra­fen­gegner hervor­ge­rufen wird. Man kann sich’s also fast schon denken: Sams­tags­abend-taugliche, politisch korrekte Deathrow-Version mit Happy End.

Erstmal abwarten – der Anfang macht ja durchaus neugierig:
In unscharfen Super-8-Bildern hüpft ein kleines Mädchen verspielt durch weite Felder, einsame, beinahe surrea­lis­ti­sche ameri­ka­ni­sche Land­schaften, und zupft Blüten­blätter. Man ist diese gängige Video­clipäs­t­hetik zwar fast schon leid; aber man ahnt, daß dies eine Anspie­lung sein soll, daß es sich bei der Mörderin um einen einstmals – und tief drinnen immer noch – guten Menschen voll von Hoff­nungen und Träumen handelt. Für den Anfang ja schon mal ganz gut. Im der nächsten Szene sieht man dann symbo­lisch viele Einstel­lungen lang Rick über den Highway preschen, den jungen Anwalt aus reichem Eltern­hause, der probe­halber ihren ja eh hoff­nungs­losen Fall betreuen darf. Kurz darauf erfährt man, daß der gute bislang nicht besonders arbeits­willig war und ziemlich orien­tie­rungslos so von Festchen zu Festchen gecruised ist. Der Anwalt ist also nicht ganz so idea­lis­tisch wie seine Kollegen in den anderen Filmen. Aber dieser Mangel an ideo­lo­gi­schem Eifer ist durch das gute Aussehen der Mandantin schnell wieder behoben. Und zwar dermaßen, daß sich das vermeint­liche Thema des Films um einiges verschiebt:

Es wird zwar eine Vielzahl von Argu­menten gegen die Todes­strafe vorge­bracht, so z.B. die Tatsache, daß der Mensch durchaus die Fähigkeit besitzt, sich zu ändern, und daß hinter der Entschei­dung um eine Begna­di­gung oftmals poli­ti­sche Macht­spiel­chen stecken. Doch die meisten dieser Aspekte werden nur ober­fläch­lich behandelt, vor allem sehr einseitig ist die Darstel­lung der Betrof­fenen. Während Tim Robbins sich darum bemüht, die durchaus mensch­liche und nach­voll­zieh­bare Verbit­te­rung der Angehö­rigen der Opfer vers­tänd­lich zu machen, betreibt Beresford in diesem Punkt über­wie­gend Schwarz-Weiß-Malerei: Die Eltern des einen Opfers sind unsym­pa­thisch, reich, macht­be­sessen und haben der Familie der Mörderin sogar zuvor schon Unrecht zugefügt. So kann man als Kino­be­su­cher mit Wonne die Wut über die Unge­rech­tig­keit in dieser Welt brodeln lassen (wie man auch damals bei den Pony­ro­manen hätte schreien mögen, weil immer die doofen reichen Mädchen den wahren aber armen Heldinnen die Lieb­lings­po­nies wegge­schnappt haben). Mann, tut das gut.

Doch von Szene zu Szene wird klarer, daß all dies nur ein belie­biger Aufhänger für das eigent­liche Thema ist – nämlich für eine auf das Publikum zuge­schnei­derte Liebes­ge­schichte. Beresford versucht zwar, in diese noch ein wenig Tiefgang einzu­bauen, indem er am Schluß noch die Proble­matik des »Lieben heißt loslassen können« einbringt. Aller­dings wird der Film dadurch eher nur kompli­zierter, nicht etwa komplexer. Das uner­war­tete Ende stellt schlichtweg ein zusätz­li­ches Mittel des Span­nungs­auf­baus, der Effekt­ha­scherei dar, nicht etwa eine wirkliche Ausein­an­der­set­zung mit einem solchen emotio­nalen Lern­prozeß. Denn auch diese Thematik wird nur kurz gestreift, schürt nur einen zusätz­li­chen Schmachter in der Bauch­ge­gend. (Wenn ich mich recht erinnere, haben wir in der Grund­schule eine Kurz­ge­schichte zu eben diesem Thema gelesen, in der es um die Einsicht eines kleinen Jungen ging, daß er den selbst aufge­zo­genen Spatz wieder in die Freiheit entlassen müsse. Doch diese hat das Thema auf nur zwei­ein­halb Seiten weit subtiler behandelt.)

Man muß sich wirklich fragen, aus welcher Moti­va­tion heraus Bruce Beresford diesen Film eigent­lich gemacht hat. Der Titel »Letzter Tanz« gibt vor, daß es um die Darstel­lung einer Mörderin geht, die kurz vor ihrem Tode doch noch zu Stärke und Aufrich­tig­keit gefunden hat, wieder ein so »wahrer« Mensch geworden ist, wie das kleine, hüpfend-tanzende Mädchen einer war. Und es dabei auch noch schafft, anderen Menschen den Sinn in ihrem Leben zu zeigen. – Mag ja durchaus sein, daß Bruceford den Film wirklich gutge­meint hat. Diese Moti­va­tion bleibt aber leider auf der Strecke bei dem Versuch, das ganze als »Kino der großen Gefühle« für ein breites Publikum, also leicht verdau­lich und mit inte­grierter Liebes­ge­schichte, zu präsen­tieren. Ehrlicher wäre es gewesen, wenn Bruceford statt einer Mörderin eine Krebs­kranke gewählt hätte (wie altmo­disch), die in den Armen ihres leider zum falschen Zeitpunkt getrof­fenen Geliebten stirbt. Dann wäre er nicht Gefahr gelaufen, Vorwürfe der markt- und tren­d­ori­en­tierten Themen­wahl über sich ergehen lassen und sich dem Vergleich mit ernst­haften filmi­schen Bear­bei­tungen dieses Themas stellen zu müssen.

Also keine Bange: dieser Film ist durchaus Sams­tag­abend-tauglich. (Taschen­tücher nicht vergessen!)