Königreich der Himmel

Kingdom of Heaven

USA/GB/E 2005 · 145 min. · FSK: ab 12
Regie: Ridley Scott
Drehbuch:
Kamera: John Mathieson
Darsteller: Orlando Bloom, Eva Green, Liam Neeson, Jeremy Irons u.a.
Masken-König

Fauler Kompromiss

Es gab Zeiten, da hat man die vermeint­liche Über­le­gen­heit der christ­li­chen Religion nicht verschämt in Talkshows disku­tiert. Da hat man sie noch praktisch mit Speer und Schwert demons­triert. Nun ist das Thema ja irgendwie grade auch in den USA sehr aktuell, aber solche Methoden zumindest in manchen Kreisen doch verpönt.
Kingdom of Heaven ist deshalb in einer komischen Zwick­mühle: Einer­seits will er, ganz aufklä­re­risch, ein Lanze für Völker­ver­s­tän­di­gung und Reli­gi­ons­frei­heit brechen. Er ist so krampf­haft politisch korrekt, dass selbst ameri­ka­ni­sche Moslem-Verbände schon meinten, er zeichne den musli­mi­schen Heer­führer Saladin (Ghassan Massoud) doch eher zu positiv. Ande­rer­seits weiß er genau, dass keiner einen Kreuz­zugs­film wegen Diplo­matie und Frie­dens­ab­kommen anschaut. Schlachten müssen her!

Und drum lässt er den bösen Guy de Lusignan ein Komplott spinnen, das die wohl­mei­nenden Moslems zu einem Angriff auf Jerusalem verführt. Nur ein durch seinen kreuz­fah­renden Papi zum Ritter geschla­gener briti­scher Schmied kann als Anführer die einge­schlos­senen Christen retten. Der Schmied und der Chef-Muselman aber nehmen’s nicht persön­lich. Man quittiert es mit einem aner­ken­nenden »Aber ein raffi­nierter Hund ist er schon!«-Lächeln, wenn der eine dem anderen wieder mal auf besonders erfin­de­ri­sche Weise ein paar Hundert Krieger derbatzt hat. Was die paar Hundert drüber denken, inter­es­siert nicht weiter.

Wie der Film überhaupt gut im Verdrängen ist: Die Juden (von den in Jerusalem gerüch­te­halber schon mal ein oder zwei gesehen worden sein sollen) sind ihm grade mal einen Dialog-Halbsatz wert, ansonsten sind sie anschei­nend alle grad im Urlaub. Aber was will man hier mit solchen Spitz­fin­dig­keiten kommen, es geht ja drum, ein Genre zu bedienen, nicht Geschichte ernst zu nehmen. Da wird das ganze Reper­toire an Histo­ri­en­film-Klischees aufge­fahren, all die gesteltzt-pseudo-anti­ki­sie­rende Sprache, all die »Erbost-von-der-Tafel-aufspringen-und-den-güldenen-Becher-fort­schleu­dern«-Gesten. Histo­ri­scher Hinter­grund wie tages­ak­tu­eller Polit-Bezug sind doch nur Wand­tep­piche. Irgendwie verschwimmt einem das bald mit all den anderen Filmen jüngster Zeit, in denen Armeen aus wuselnden Computer-Pixeln aufein­an­der­treffen und Brendan Gleesons Bart mehr darstel­le­ri­sche Präsenz zeigt als Orlando Bloom. Irgend­wann wundert man sich nur noch, warum Alexander seinen Orcs nicht befiehlt, ein hölzernes Pferd vor die Tore Roms zu schieben.

Immerhin ist Eva Green (The Dreamers) als unver­meid­liche weibliche Fleisch­bei­gabe für den Helden nicht das handelsüb­liche Schönchen, ihr Gesicht läßt etwas ahnen von Todes­sehn­sucht, von Perver­sion. Und dann gibt es da diesen großar­tigen lepra­kranken König, der sein Gesicht hinter traurig-schau­rigen Eisen­masken verbirgt. Und der bei all den sonst zu glatten Lösungen des Films ahnen läßt, dass da etwas faul ist im Heiligen Land. Oder Amerika. Oder so.

Stimmiges Mittelalter

Ein privates Drama zwingt den zöger­li­chen, eigen­sin­nigen Balian, seine Vergan­gen­heit hinter sich zu lassen, und 1184 nach Messina zu reiten, um sich einzu­schiffen, und in der Neuen Welt des Orients seine Zukunft zu suchen. In der Hochzeit der Kreuzzüge sucht man Nachschub für den Heiligen Krieg. Regisseur Ridley Scott lässt keinen Zweifel, dass es nicht Glau­benseifer, sondern die Ausflucht vor den Problemen zuhause und der Wunsch nach Neuanfang sind, der Kreuz­fahrer antreibt – Männer, denen alles egal ist, die nichts zu verlieren haben. Schon in den ersten Minuten steht Desil­lu­sio­nie­rung im Raum, eine Ahnung von Nieder­lage, das Bewusst­sein der Ritter, dass das Beste, was sie in ihrem Ziel Jerusalem erreichen können, Vergebung ist.

In Jerusalem regieren seit einem knappen Jahr­hun­dert die Christen, doch der gute König Balduin ist todge­weiht, das christ­liche Lager gespalten. Während mühsam die Toleranz zwischen den Reli­gionen hält, sammeln sich die Bad Guys dieses Films im fana­ti­schen Orden der Templer, Gottes­krie­gern, die alle »Ungläu­bigen« töten wollen. Auch in der histo­ri­schen Wirk­lich­keit gehörten die Tempel­ritter zu den Hard­li­nern unter den Kreuz­fah­rern. Überhaupt hält sich Scott so weit wie möglich an die histo­ri­schen Fakten. Als der kranke König stirbt, wird der charak­ter­lose Guy an der Seite der Königs-Schwester Sibylla neuer König. Bald bricht Krieg mit den Sarazenen und ihrem Führer Saladin aus. Balian bewährt sich als Vertei­diger von Jerusalem und kann doch den Fall der Stadt nicht verhin­dern

Wie bereits in seinem Welter­folg Gladiator unter­nimmt Ridley Scott auch in Kingdom of Heaven die Wieder­be­le­bung eines in die Krise geratenen Genres. Mit Leich­tig­keit gelingt die Anknüp­fung an klas­si­sche Ritter­filme Holly­woods. Ohne in Konven­tionen zu erstarren, gibt er dem Publikum, was es von einem Film wie diesem erwarten kann. Die Erzählung, nicht Krieg und Schlachten, steht im Mittel­punkt. Ein stimmiges Bild der Welt der Kreuzzüge wird entworfen, ohne plumpe Aktua­li­sie­rung, ohne Mittel­al­ter­kitsch.

Einen großen Unter­schied zu Gladiator bilden die Zeichnung des Helden und die »Botschaft« von Kingdom of Heaven. Kein Barbar atta­ckiert hier eine als dekadent gezeich­nete Form der Zivi­li­sa­tion, vielmehr führt der Film zwei verschie­dene Varianten von Zivi­li­sa­tion vor: eine fanatisch-ausschließende, die das Andere skru­pellos vernichtet, und eine, die inte­griert, in der fried­li­ches multi-kultu­relles Zusam­men­leben möglich ist.
Der politisch-kultu­relle Subtext liegt in Zeiten neuer Reli­gi­ons­kriege und religiös moti­vierten poli­ti­schen Handelns klar auf der Hand: Es ist ein Plädoyer für Toleranz und fried­fer­tiges Zusam­men­leben zwischen verschie­denen Kulturen. Kingdom of Heaven zeichnet ein überaus positives Bild der isla­mi­schen Welt: Sie ist zivi­li­siert, tolerant, großzügig und agieren weitaus ratio­naler, als das »Abendland«. Zwar gibt es auch Europäer-Hasser unter den Arabern, die wahren Fanatiker und Funda­men­ta­listen finden sich aber unter den Christen.

Einmal mehr erzählt Ridley Scott im Gewand des Unter­hal­tungs­films von Untergang und Nieder­lage. Der Heroismus, der hier noch sein darf, ist gebrochen und dunkel. Selten war Scotts Kino »europäi­scher«, als in dieser hervor­ra­gend und sehr zeitgemäß insze­nierten Geschichte, die ahnt, dass die größten Gefahren für eine Zivi­li­sa­tion in ihr selber liegen.