Kampf der Titanen

Clash of the Titans

USA/GB 2010 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Louis Leterrier
Drehbuch: ,
Kamera: Peter Menzies Jr.
Darsteller: Sam Worthington, Gemma Arterton, Mads Mikkelsen, Alexa Davalos, Jason Flemyng u.a.
Ganz schön feist, der Kampf

Beim Zeus!

Die Titanen, und damit geht es eigent­lich schon los, gibt es in diesem Film nicht. Nein, auch mit Oliver Kahn hat das alles nichts zu tun. Muss man denn wirklich ein huma­nis­ti­sches Gymnasium besucht haben, um zu wissen, dass es sich bei den Titanen um jene Götter­ge­ne­ra­tion vor (!) Zeus handelt, um die uralten Hüter des Kosmos. Sie sind zwar unsterb­lich, aber besiegbar, darum hat ihnen Zeus ja den Garaus gemacht. Weil es die Titanen hier nicht gibt, gibt es auch keinen Kampf der Titanen, sondern einfach nur ein paar Götter, ein paar Halb­götter und, wie immer in Monu­men­tal­filmen, viele Menschen, viel Gebrause und ganz viel Special Effects. Der Fehler verrät natürlich einiges über die schlampig-wursch­tige Heran­ge­hens­weise. Trotzdem sollte all das, ein hübscher Titel sowie der Beset­zungs­coup, Liam Neeson und Ralph Fiennes zum ersten Mal seit Schind­lers Liste wieder zusammen auf der Leinwand schon für einen inter­es­santen Film ausrei­chen, oder? Tut es aber nicht.

Zur Zeit frisst das Kino­pu­blikum trotzdem ohne drauf­zu­gu­cken alles, was ihm von den Verlei­hern vorge­setzt wird, voraus­ge­setzt, es steht fett »3D« drauf, und es werden vor dem Kino Brillen verteilt. Daher über­rascht es auch nur mäßig, wenn gemeldet wird, dass Kampf Der Titanen einen neuen Kino­re­kord in 3D aufge­stellt hat. Am ersten Woche­n­ende gab es 61,4 Millionen Dollar Einnahmen und den Spit­zen­platz der US-Kino­charts. Noch nie, heißt es, habe ein Film an den zwei ameri­ka­ni­schen Oster­fei­er­tagen mehr Geld in die Kassen einge­spielt. Es ist schon erstaun­lich, wie leicht und schnell und mit welch plumpen Mitteln, sich die gleichen Menschen, die immer über zu hohe Eintritts­preise klagen, für den 3D-Schmarrn jetzt plötzlich ohne zu murren bis zu einem Drittel erhöhte Eintritts­preise zahlen. Es mag ja sein, dass 3D dem Kino etwas hinzufügt. Bemer­kens­wert bleibt, dass das alles mit fassungslos offenem Mund konsta­tieren, aber keiner von den Verlusten spricht: Keine Magie, keine Erotik haben diese kalten aufge­bla­senen Filme.

Trotzdem zu 3D in diesem Fall noch gleich eine wichtige konkrete Anmerkung, verbunden mit der beliebten Spoi­ler­war­nung: Wer sich die Enttäu­schung nicht verderben lassen will, sollte diesen Absatz besser über­springen. Dieser Film ist nämlich, auch wenn er so beworben wird und alle ihre hoffent­lich frisch geputzten und desin­fi­zierten Brillen im Kino aufsetzen dürfen, kein 3D-Film! Er ist nämlich nicht auf 3D gedreht!! Na so etwas. Ist das überhaupt erlaubt? Offenbar schon. Der Film wurde erst nach­träg­lich in das Format konver­tiert. Tiefen­schärfe fehlt daher, und die soge­nannten »3D-Effekte« sind schon technisch schlecht bis zur Lächer­lich­keit.

Darum hat es seinen guten Grund, wenn die »Berliner Zeitung« dieser Tage Tips »zur Vermei­dung von Unwohl­sein« gibt. Denn viele Zuschauer klagen im Kino über schlimme Schwin­del­ge­fühle und Schweißaus­brüche – das was man land­läufig Seekrank­heit nennt. »Das kann bis zum Erbrechen gehen«, meldet die Zeitung besorgt. Und weiter: »Zur Vermei­dung von Unwohl­sein raten Experten, beim Ansehen von 3D-Filmen zeitweise ein Auge abzu­de­cken oder beide Augen zu schließen bezie­hungs­weise den Blick auf statische Elemente zu richten, die Saaldecke zum Beispiel.« Das klingt schon mal gut. Viel­leicht sollte man einfach gar nicht erst in den Film gehen, und statt­dessen – zur Vermei­dung von Unwohl­sein – ein paar Bier trinken.
Natürlich werden trotzdem alle jetzt in Kampf Der Titanen rennen. Aber es kann hinterher keiner behaupten, er sei nicht gewarnt worden.

Perseus und Andromeda – im Prinzip ist es dieses Märchen aus den uralten Zeiten der früh­grie­chi­schen Mytho­logie, um die es hier geht. Für uns Deutsche hat sie immer noch am schönsten Gustav Schwab in seinen »Sagen des klas­si­schen Altertums« nach­er­zählt: Ein junger Halbgott, Frucht einer der unzäh­ligen Liebes­be­zie­hungen des Götter­va­ters Zeus, zieht aus, um Helden­taten zu voll­bringen.

Bekämpft vom »neidi­schen Geschick« (Schwab) und vor allem den anderen Göttern, die mit Zeus irgendein Hühnchen zu rupfen haben, gelingt es ihm am Ende doch noch, sogar die schlimmsten, über­mensch­li­chen Gegner zu besiegen: Jene Gorgone Medusa, deren direkter Blick jedes Wesen in Stein verwan­delt, besiegt er mit Hilfe eines zum Spiegel umfunk­tio­nierten Kampf­schildes. Und das abge­schla­gene Medusen­haupt dient ihm dann dazu, das riesige Meeresun­ge­heuer Ketos, eine Art Godzilla der Antike, ein für alle Mal auszu­schalten, in einen Fels zu verwan­deln und dadurch die bedrohte Schönheit Andromeda zu retten.

Perseus ist also keines­wegs ein zweiter Herkules, ein Schla­getot, der einfach stärker ist, als seine Gegner, sondern vielmehr ein trick­rei­cher, findiger Techniker, der Werkzeuge benutzt, und Vorhan­denes umfunk­tio­niert – ganz eindeutig eine Figur der Aufklä­rung, wie sie Francis Bacon gefallen müsste.

Zahllos sind in 2000 Jahren Kultur­ge­schichte die Erzäh­lungen und Gemälde zur Motivik des Perseus, aber auch der Andromeda und der Medusa. Auch eine Verfil­mung gibt es: Ray Harry­hau­sens Clash Of The Titans von 1981, in dem immerhin Lawrence Olivier als Zeus und Ursula Andress als Aphrodite zu sehen sind – schon ob dieser Besetzung ist der Film Kult; aber auch die seiner­zeit großar­tigen, heute rührend absurd wirkenden Stop-Motion-Tricks (Plastik- und Papp­ma­che­fi­guren wurden Bild für Bild aufge­nommen und dabei bewegt) trägt dazu bei, dass der Film unver­gessen ist.
Harry­hau­sens ganz ohne Computer entstan­dene 2D-Tricks wissen um ihre Unzu­läng­lich­keit wie um die Absur­dität der Story (oder glauben wir, glauben die Zuschauer an Zeus und menschen­fres­sende Seeunge­heuer?). Sie sind nicht pompös und nicht in tech­ni­sche Perfek­tion vernarrt, sie haben Humor, und wollen nicht möglichst »natu­ra­lis­tisch« aussehen. Jedes Bild weiß um den Charakter des Kinos als Ort des Exzeß, der Über­schrei­tung, der Erfüllung verbo­tener Lüste. Das gerade ist der Charme des Films. Er hat Magie und Erotik.

Opti­misten können nun hoffen, dass Louis Leterrier’s Harry­hausen-Remake, das 3D-Spektakel Kampf Der Titanen, in der Lage ist, diesen Stoff nun auch der Compu­ter­spiel­ge­ne­ra­tion näher zu bringen, und ein wenig erzie­he­ri­sche Basis­ar­beit zu leisten: Genau­ge­nommen ist die Abstrak­ti­ons­leis­tung hier nämlich hoch: Man muss akzep­tieren, dass es zahllose Götter, Halb­götter und Misch­wesen wie Gorgonen und Ungeheuer gibt, dass deren Charakter nicht weniger launisch und mensch­lich-allzu­mensch­lich ist, wie unser eigener. Sie lügen und betrügen, führen Krieg gegen­ein­ander. Da sieht man’s mal. Nun hatte das alles immer noch Sinn und Verstand, wenn einer wie Lawrence Olivier den Zeus spielt, ihm eine intel­lek­tu­elle Über­le­gen­heit gibt, nicht nur das Haus­va­tertum eines x-belieben Papas, das dieser Zeus in Gestalt von Liam Neeson erhält, was sicher manch einer als besonders »mensch­lich« auslegen wird, aber eigent­lich nur blöd und bieder ist.

Ande­rer­seits nimmt sich Kampf Der Titanen nicht nur legitime erzäh­le­ri­sche Frei­heiten, sondern macht einfach, was er will. Er macht aus inter­es­santen, wider­sprüch­li­chen Figuren durch­schnitt­liche ameri­ka­ni­sche Super­helden mit 08/15-Problem­chen, eine Art antiker Liga der außer­or­dent­li­chen Gentlemen mit Männer­bund­um­gangs­formen, denen sich auch die Frauen anzu­passen haben – etwa Io, die darum in ihrer schwarz­grünen Neue-Werte-Ernst­haf­tig­keit weniger modern ist, als die hedo­nis­tisch wild fremd­knut­schenden und -gehenden Göttinnen im Olymp.
Unter den guten Menschen ist man wie in einem Werbefilm der US-Marines ein freund­schaft­li­ches Team ohne ernst­hafte Konflikte, man kämpft nicht für sich, sondern will – wie lang­weilig – für alle Menschen im Himmel einen Regi­me­ch­ange einführen, den bösen Diktator Hades verhin­dern, und dafür einen guten Diktator namens Zeus stützen. Und klar, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Sam Wort­hington als Perseus sieht sowieso in allen seinen Filmen aus, als sei er einem Rekru­tie­rungs­clip entsprungen: Ein Muskel­paket mit naiven Gesichts­aus­druck, dem bereits mit Anfang 30 die Haare ausfallen.

Obwohl dieser Film völlig unab­hängig von Avatar gedreht wurde, gibt es einige bemer­kens­werte Ähnlich­keiten zu Camerons 3D-Spektakel: Wieder spielt Sam Wort­hington (als Perseus) ein Wesen, das halb mensch­lich, halb etwas anderes ist, und sich in eine Vertre­terin der anderen Seite verliebt: Die Halb­göttin Io (Gemma Arterton), die in der Story eigent­lich nichts zu suchen hat, hier aber hinein­ge­schrieben wurde, um das Ganze offenbar ein wenig aufzu­peppen, erscheint Andromeda doch eher am Rand.

Nur ist der Film an alldem denkbar desin­ter­es­siert und spult seine Geschichte eher chaotisch als mit irgend­einem spürbaren Interesse herunter – ja er ist sogar bildungs­feind­lich, denn während in jedem X-belie­bigen andern Fantasy-Spektakel die Figuren zumindest knapp einge­führt und benannt werden, erfährt man hier nicht einmal die Namen der Götter. Eine Frau mit einer Eule in der Hand – wer erkennt sie wirklich als Athene? Und doch sind derlei »feine« Bezüge noch die gerade eben mögliche tiefere Bedeutung und feinere Symbolik, die der Film zulässt. Medusa sieht aus, wie das Calvin-Klein-Model Natalia Vodianova – dafür ohne den alten Charme von Harry­hau­sens ohne Computer entstan­denen 2D-Tricks. Weil das keiner glaubt, werden trotzdem viele ins Kino gehen, und es erst dann weiter­erzählen. Darum dürfte der Film Anfangs ein leid­li­cher Erfolg werden, um dann in Verges­sen­heit zu versinken, wie das Ungeheuer im Meer.

Dem Zuschauer bleibt olym­pi­sches Gelächter. Denn gute Kino ist unsterb­lich wie die grie­chi­schen Helden­sagen – Kampf Der Titanen dagegen ist so sterblich wie seine Macher und Akteure.