Juno

USA 2007 · 96 min. · FSK: ab 6
Regie: Jason Reitman
Drehbuch:
Kamera: Eric Steelberg
Darsteller: Ellen Page, Michael Cera, Jennifer Garner, Olivia Thirlby, Jason Bateman u.a.
Vater und Tochter

»Echt schön und echt böse, ungefähr wie Diana Ross«

Viermal war Juno für einen Oscar nominiert, doch nur einmal gewann der Film Ende Februar diesen Jahres die begehrte Trophäe – keines­wegs zufällig für sein Drehbuch. Denn so wunderbar die Haupt­dar­stel­lerin Ellen Page ihre Titel­figur zwischen Naivität und Clever­ness, Sensi­bi­lität und Witz spielt, so souverän Jason Reitman in seinem zweiten Spielfilm nach Thank You for Smoking Regie führt – all das wird in diesem Fall in den Schatten gestellt durch ein gran­dioses, immer witziges, nie albernes, immer kluges, nie neun­mal­kluges Drehbuch, geschrieben von der jungen Autorin Diablo Cody.

Filme über Teenager sind in der Regel entweder pseudo-locker und gegenüber der vermu­teten Ziel­gruppe – Teenager! – anbie­dernd, oder sie sind pädago­gisch wertvoll, sprich belehrend und aus Erwach­sen­sicht erzählt, in diesem Fall zur Beru­hi­gung der anderen vermu­teten Ziel­gruppe – Erwach­sene!

Da im inhalt­li­chen Zentrum von Juno die unver­mu­tete Schwan­ger­schaft einer 16-jährigen steht, die aus eher »guten«, mittel­s­tän­di­schen Verhält­nissen in den Suburbs von Minnea­polis stammt, liegt die Vermutung sehr nahe, Jason Reitmans neuer Film gehöre zur zweiten Gruppe. Denn auch das liberale Hollywood ist keines­wegs so liberal, wenn es um Schwan­ger­schaft geht. Abtrei­bungen gehen in solchen Filmen nicht gut aus, und in den letzten Jahren gab es Dutzende von Filmen, in denen Schwan­gere diese Möglich­keit gleich zurück­weisen, oder, wenn es dazu kam, die Folgen schlecht sind.

Wer das alles befürchtet, wird in Juno aber angenehm enttäuscht. Auch hier verlässt das Mädchen mit dem Namen »einer römischen Göttin, die echt schön war und echt böse, ungefähr wie Diana Ross«, die Abtrei­bungs­klinik unver­rich­teter Dinge – aber nicht aus mora­li­schen Gründen, sondern aus ästhe­ti­schen. Die Klinik ist ihr schlicht zu ordinär, allein schon das dort Kondome mit Geschmack verteilt werden, zeigt deren Geschmack­lo­sig­keit. Juno ist auf einer seiner vielen Ebenen, eine Feier des Snobismus. Zugleich ein Film, der weiß wie nerv­tö­tend Filme sind, die mora­li­sieren, mit der Erziehung der Haupt­fi­guren sympa­thi­sieren, und wie charmant Filme sein können, die den Mut haben, kalt­blütig zu sein. Dabei behandelt der Film Schwan­ger­schaft nie als Scherz, aber er behält immer einen Sinn für die scherz­haften Seiten, die in ernsten Dingen liegen. Juno predigt nie sondern ist angenehm sarkas­tisch.
Dies alles zeigt sich auch als Juno, nachdem sie sich entschlossen hat, ihr Kind auszu­tragen und nach der Geburt zur Adoption frei­zu­geben, per Anzeige ein poten­ti­elles Eltern­paar gefunden hat. Die beiden sind Yuppies wie aus dem Bilder­buch. die Kunst von Reitman und Cody zeigt sich darin, dass sie ihre Figuren zwar klar beschreiben, aber nie bloß­stellen.

Formal hat man für Juno einen hübschen Kunst­griff gefunden: Beginnend im Herbst wird der Film nach dem Muster der vier Jahres­zeiten erzählt. Stark ist auch die Musik. Die Haupt­dar­stel­lerin Ellen Page – bisher nur aus dem Horror­film Hard Candy bekannt – schließ­lich ist perfekt. Jung und modern, hat sie trotzdem eine altmo­di­sche Grazie und trotz aller flotten Sprüche eine geradezu altmo­di­sche Zurück­hal­tung. Alles in allem ist Juno ein coming-of-age-Film für die Popkultur, ohne einen falschen Ton. Und ein geradezu femi­nis­ti­sches Statement: Ein Film kann starke Frauen zeigen, und trotzdem witzig sein und auf tradi­tio­nelle Botschaften verzichten.