Die Jahreszeit des Glücks

Stestí

Tschechien/D 2005 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Bohdan Sláma
Drehbuch:
Kamera: Divis Marek
Darsteller: Pavel Liska, Tatiana Vilhelmová, Anna Geislerová, Marek Daniel u.a.
Halten Ausschau nach dem Glück: Pavel Liska und Tatjana Vilhelmová

Auf der Suche nach dem verborgenen Glück

Was ist Glück? Ein kusche­liges Badetuch? Eine knallrote Kinder­gi­tarre unterm Tannen­baum? Oder doch eher, wenn »das Christ­kind« verse­hent­lich eine Lawine von Konserven auslöst?

Monika hat Glück. Könnte man meinen. Denn immerhin hat ihr Freund einen Job in den USA. Und die erscheinen ange­sichts der Tristesse des tsche­chi­schen Ortes tatsäch­lich als gelobtes Land. Der Ort, das ist Most, ein Kaff, das von den Schloten einer Fabrik dominiert wird. Ansonsten gibt es nur: blät­ternde Farbe, bröckelnden Putz. Schrott­reife Autos, in denen sich Hühner häuslich nieder­lassen. Und einen boshaften Wind, der durch jede Ritze des Films zu heulen scheint. Die Crew habe man sogleich im einzigen Hotel der Stadt nächtens ausge­raubt, berichtet Anna Geis­le­rová, die Monikas Freundin Dáa spielt, und zur Premiere in München angereist ist.

Auch Toník hat erst mal gar kein Glück. Er haust mit seiner Tante in einem abbruch­reifen Haus, in dem aber immerhin sein Vater geboren wurde. Weshalb Toník es nicht an die Fabrik verscher­beln möchte – die mit den qual­menden Schloten. Toník ist ein Loser aus dem Bilder­buch, mit räudigem Sieben­ein­halb-Tage-Bart, fettigen, halb­langen Locken, Dackel­blick und wenig markantem Kinn. Aber wenn glücklich sein heißt, eine große Leiden­schaft, eine große Sehnsucht im Herzen zu tragen, dann hat er schon Glück: Toník liebt. Natürlich hoff­nungslos. Monika, versteht sich.

Deren Vater sähe seine Tochter tatsäch­lich lieber mit dem liebens­werten Versager liiert als mit dem hoff­nungs­vollen USA-Aus- und Aufsteiger. Denn Toník hat immerhin ein weiches Herz – wo findet man das noch? Und die Liebe, oder besser gesagt, fehlende Liebe, die seine Frau als Argument in die eheliche Schlacht um das Glück der Tochter führt, wischt er vom Tisch: »Wer liebt denn heut­zu­tage noch jemanden?«, fragt er und scheint doch zu hoffen, dass man ihm das Gegenteil beweist. Und wünscht sich heimlich, dass der Lover in den USA die Tochter sitzen­lässt. Außerdem, auch das schwingt mit, ist er selber ein Loser, einer der arbeiten will, den aber keiner mehr braucht. Und schon von daher ist ihm Toník weitaus sympa­thi­scher.

Dann kommt es doch noch, das glück­ver­heißende Ticket aus den USA. Aber Monikas Freundin Dáa entfaltet punkt­genau ihre Border­line-Persön­lich­keit und landet in der Psych­ia­trie. Dabei hat sie zwei kleine Jungs, deren Erzeuger sich längst verdrückt hat. Der verhei­ra­tete Lover ist in der Situation auch keine wirkliche Stütze. Und so vertröstet Monika ihren Freund in den USA und zieht mit den blond­ge­lockten Knaben zu Jugend­freund Toník und seiner Tante in die Bruchbude. Ein Glück für die Jungs und für Dáa. Aber die sieht das anders.

Immerhin findet Regisseur Bohdan Sláma für diese Episode die glück­lichsten Film­mo­mente. Wenn Toník und Monika einen Blick vom maroden Dach wagen und im Sonnen­un­ter­gangsrot eine Zigarette teilen. Oder wenn sie mit den beiden Kleinen über einen See rudern, auf der Suche nach den Wasser­män­nern. Da können nicht einmal die Fabrik­schlote das Idyll zerstören. Glück besteht letzt­end­lich aus Moment­auf­nahmen.

Doch die sind nicht von Dauer: Die Tante hat Krebs, die Mutter holt die heulenden Söhne, und Monika fliegt in die USA.

»Was ist Glück?«, fragt einer der Premie­ren­be­su­cher. »Happyness is a state of mind«, sagt die Dáa-Darstel­lerin Anna Geis­le­rová weise – letzt­end­lich eine Geis­tes­hal­tung. Und: die Fähigkeit zu erkennen, was man wirklich braucht zum Glück­lich­sein. So gesehen hat der Film dann doch noch ein Happyend.

Zur Premiere in Tsche­chien ließ der Verleiher übrigens Taschen­tücher verteilen. Ein Film über das Glück und seine Facetten ist es trotzdem geworden.

Sieben Facetten des Glücks:

Glück ist alles, was die Seele durch­ein­ander rüttelt. (Arthur Schnitzler)

Das Glück beruht oft nur auf dem Entschluss, glücklich zu sein. (Lawrence Durrell)

Das Glück der Menschen liegt nicht in der Freiheit, sondern in der Übernahme einer Pflicht. (André Gide)

Das Glück ist ein Wie, kein Was; ein Talent, kein Objekt. (Hermann Hesse)

Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten. (Sigmund Freud)

Glück spielt sich in Sekunden ab. (Bernd Eichinger)

Glück ist Talent für das Schicksal. (Novalis)