James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag

Die Another Day

GB/USA 2002 · 134 min.
Regie: Lee Tamahori
Drehbuch: ,
Kamera: David Tattersall
Darsteller: Pierce Brosnan, Halle Berry, Toby Stephens, Rosamunde Pike u.a.
Pierce Brosnan und Halle Berry

Es ist ein bisschen wie in der katho­li­schen Kirche: Von selbst bleiben die alten Mythen nicht am Leben. Wieder und wieder wollen Rituale zele­briert werden, in denen die für heilig erklärten Texte immer aufs Neue vorge­tragen, wach­ge­rufen, aktua­li­siert werden. Und je älter und ferner, aber zugleich einge­schlif­fener die alten Schriften werden, um so aura­ti­scher werden sie einer­seits, um so größer wird ande­rer­seits aber auch bei ihrem rituellen Wieder­er­klingen die Spannung zwischen ihnen und der Lebens­wirk­lich­keit der Gemeinde. Die Rituale wollen so im Lauf der Zeit behutsam und bedächtig erneuert, die Texte neu- und umge­deutet werden. Ob »Denn Dein ist das Reich, und die Kraft und die Herr­lich­keit« oder »My name is Bond. James Bond.«.

Nur drei Filme hat es gedauert, dann war die filmische Bibel für Bond geschrieben. Regisseur Terence Young hatte 007 mit Dr. No seine Lein­wand­per­sön­lich­keit gegeben, jene Mischung aus unbe­stech­li­chem, erst­klas­sigem Geschmack, briti­scher Distin­gu­iert­heit, unwi­der­steh­li­chem, ruchlosem Charme, trockenem Humor und gewis­sen­loser Gewalt­tä­tig­keit. Mit From Russia With Love hat er dem Hochamt das zur endgül­tigen Form fehlende Brim­bo­rium verliehen – Dinge wie die Teaser-Sequenz vor dem Vorspann oder den von Maurice Binder designten Vorspann selbst mitsamt Titelsong. Und Guy Hamilton hat in Gold­finger dann noch mehr tech­ni­sches Spielzeug, mehr Gags und eine deut­li­cher ins (halb augen­zwin­kernde) Surreale spie­lendes Flair hinzu­ge­fügt.
Mit diesen drei Aben­teuern war das quasi alttes­ta­men­ta­ri­sche Reper­toire formu­liert, aus dem danach geschöpft, das in den folgenden Filmen nur noch variiert werden durfte.

Lange konnten die Bond-Macher ihr Credo nicht ungetrübt predigen. In den letzten Jahren verführt jeder neue Bond-Film gerne zur Fest­stel­lung, dass sich die Zeiten geändert, den impe­ria­lis­ti­schen Macho Bond hinter sich gelassen haben. Aber die Serie war spätes­tens nach You Only Live Twice schon immer latent in der Krise, auf der Suche nach einem zeit­ge­mäßen 007. Sei es, dass wieder und wieder neue Darsteller gefunden werden mussten für den Agenten mit der Lizenz zum Töten, sei es, dass in den USA die schwarze Bürger­rechts­be­we­gung ihre schweren Kämpfe focht, während Bond auf der Leinwand (in Live And Let Die) reihen­weise bös-bedroh­liche Klischee-Nigger wegpus­tete, oder dass kindische Science-Fiction-Spektakel der guten, alten boden­s­tän­digen Action so sehr den Rang abzu­laufen drohten, dass man 007 bei Moonraker in einem seiner albernsten und pein­lichsten Einsätze sogar ins All schoss. Bond hat all das überlebt, und er – der schon immer old-school und matter over mind, Hand­greif­li­ches über Virtu­elles verkör­perte – taucht jetzt auch gestärkt aus dem Zusam­men­bruch der »new economy« und ihrer Cyber-Fantasien auf, durch den mögli­cher­weise die demnächst anste­henden The Matrix-Fort­set­zungen seltsam anti­quiert aussehen könnten.
Sogar das allmäh­liche Abtreten in irdischen oder ewigen Ruhestand der ange­stammten Bond-Garde an Produ­zenten, Regis­seuren, Mitar­bei­tern, Neben­dar­stel­lern etc. hat die Serie über­dauert. Es ist nicht zuletzt das Verdienst von Goldeneye, dass man den Gene­ra­ti­ons­wechsel mitt­ler­weile fast in allen Bereichen über­zeu­gend vollzogen hat – damals schien die Filmreihe mal wieder vor dem endgül­tigen Aus, und das gab ihr den Mut der Verzweif­lung, der einige gewagte Schritte in neue Rich­tungen wagen ließ.

Freilich hat bei den rituellen Kino-Auftritten des welt­berühm­testen Geheim­agents der Klin­gel­beutel schon immer eine noch größere Rolle gespielt als in der katho­li­schen Messe. Je weniger Geld darin klimperte, um so mehr stand schon immer das Dogma zu Dispo­si­tion, um so mehr Abwei­chungen (aber auch Verir­rungen) davon traute man sich. Je prall gefüllter er war, um so braver betete man es buch­sta­ben­ge­treu herunter.
Nach dem hoch­klas­sigen Start mit Terence Young wurde die Bond-Reihe in Sachen Regie dabei lange Zeit eher zum Geschäft für ordent­liche Hand­werker. Erst in jüngster Zeit setzen die Produ­zenten auch hier auf ein gewisses Prestige – holen sich aber mit Leuten wie Michael Apted oder nun Lee Tamahori dann doch Filme­ma­cher, die im Action-Genre noch keine sonder­lich indi­vi­du­elle Hand­schrift entwi­ckelt haben. Bond-Filme sind eben zual­ler­erst Produ­zen­ten­filme und nichts für Auto­ren­kino-Feti­schisten – was jemand vom Kaliber eines John Woo aus einem 007-Streifen machen würde, wird sich wohl für immer nur unsere Fantasie ausmalen können.

Lee Tamahori und die Autoren, Produ­zenten, Darsteller haben in Die Another Day freilich durchaus spürbare Freude daran, mit den über­kom­menen Riten manch freches Spielchen zu treiben. Gleich zu Beginn gerät der Super­a­gent in die Fänge der nord­ko­rea­ni­schen Armee – und kann sich nicht wie üblich schnell aus eigener Kraft befreien. Er wird über Monate hinweg gefoltert, und nur weil seine Peiniger ihn schließ­lich gegen einen ihrer vom Westen gefan­gen­ge­hal­tenen Leuten austau­schen, überlebt er das überhaupt.
Die Vorspann­se­quenz – in ihrer Ästhetik einem MTV-Clip näher als den psyche­de­li­schen Montagen Maurice Binders – funk­tio­niert diesmal zum Teil auch als narra­tives Element: Bonds Folter erleben wir hier, ins Surreale und Ballett­hafte über­stei­gert, zu Madonnas Titelsong. (Die Folter hätte auch MIT dem Titelsong statt­finden können, denn Frau Ritchie, geb. Ciccone, hat leider das schwächste Stück in der teils ehr-, teils frag­wür­digen Tradition von 007-Liedern abge­lie­fert. Es klingt, als hätten sie und Mirwais Ahmadzaï es noch in einer Schublade mit Ausschuss des »Music«-Albums rumliegen gehabt und entdeckt, dass die Refrain­zeile zufällig mit dem Filmtitel über­ein­stimmt: Der Song versucht nicht einmal, mit den üblichen Elementen eines Bond-Lieds zu spielen (und merke: 007-Songs ohne röhrende Bläser­sätze haben noch selten funk­tio­niert) – und auch als Madonna-Werk gehört es zum Belang­lo­sesten, was sie bisher hervor­ge­bracht hat. Dafür hat die Meisterin einen (mit verdächtig viel Weich­zeichner gefilmten) Gast­auf­tritt als Fecht­leh­rerin mit sehr deut­li­chen Leder­lesben-Unter­tönen, und der ist dann doch wieder nett.)
Wenn Bond schließ­lich freikommt, ist er zum Schmer­zens­mann mutiert, dem alles genommen wurde, was zu 007 gehört – inklusive seines smarten, gepflegten Äußeren. Mit Zottel­haar und Vollbart wankt er durch einen undurch­dring­li­chen Nebel (wobei Pierce Brosnan nebenbei den Beweis abgibt, dass er kein schlechter Jesus-Darsteller wäre): Tabula rasa, alles weiß, alles leer.
Selbst die eigenen Leute trauen ihm nicht mehr, durch­leuchten seinen Körper (und halten die Säufer­leber für ein brauch­bares Iden­ti­fi­zie­rungs­merkmal), sperren ihn in ein Hoch­si­cher­heits­kran­ken­lager. Nur mittels einer veri­ta­blen Wieder­auf­er­ste­hung schafft der Agenten-Messias die Flucht vor seinen Rettern...
Freilich ist Bonds Kredit in feinen Hotels ganz unab­hängig von seinem Zustand noch gut, und es dauert danach nur Minuten, da hat er sein Aussehen zurück, ein Maßhemd am Buckel und das Cham­pa­gner­glas in der Hand. Bond vertei­digt den Kapi­ta­lismus nicht nur, er hat ihn schon immer gelebt – und 007-Filme sind nicht zuletzt Zurschau­stel­lung des Luxus; leben auch davon, dass sie ihre üppigen Budgets mit Genuss sichtbar machen.
Es ist bezeich­nend, dass die fast vanda­lis­ti­sche Über­ma­lung der Bond-Ikone ganz zu Anfang des Films steht – denn mit zuneh­mender Laufzeit beginnt Die Another Day nicht nur, sich etwas arg in die Länge zu ziehen, sondern auch, sämtliche Flecken und Kratzer wieder wegzu­re­tu­schieren und bis zum finalen »Amen« den Ritus auf gar ausge­tre­tene Pfade zurück­zu­bringen.
Letzlich bleibt das alles so zaghaft modisch wie der Look des Films mit den bleichen, blassen Farben, die derzeit en vogue sind. Das Bond-Ritual hat inzwi­schen eine neuartige Phase der Stabi­lität erreicht: Das Spiel mit der Verun­si­che­rung, der Abwei­chung ist nunmehr auch schon ein erprobtes Element geworden, das keine Bedrohung für das Altehr­wür­dige darstellt, sondern eine spie­gel­bild­ar­tige Ergänzung – der man alle Konzes­sionen an die Zeit­läufte aufbürden kann, gegenüber der sich das Vertraute aber schließ­lich um so strah­lender durch­setzen kann.

Ideo­lo­gi­sche Ausschläge nach links oder rechts im allge­meinen geistigen Klima waren sowieso meist das geringere Problem: Verfüh­re­ri­sche Über­men­schen-Fantasien haben immer gleich Konjunktur – wenn man sich ihnen für zwei Stunden im Kino hingibt, fühlt man sich nur manchmal stärker, manchmal schwächer verpflichtet, es mit schlechtem Gewissen zu tun. Wo das 007-Ritual ernstlich an Glanz zu verlieren droht, da tut es das übli­cher­weise aus prag­ma­ti­scheren Gründen.
Als Bond einst Anfang der ‘60er auf Jagd nach Dr. No ging, da waren Welt­reisen noch nicht bei Necker­mann im Sonder­an­gebot zu haben. Der Tourismus hat Bond geschadet – erfüllte man sich früher mit dem Kino­be­such wenigs­tens für zwei Stunden den Traum vom Urlaub an para­die­si­schen Flecken, die in Wahrheit uner­reichbar blieben, haben die exoti­schen Locations mitt­ler­weile für weite Publi­kums­schichten eher einen »Guck ma, Ernnnaaah, da sprengt de Jahmes Bond dat Hotel in de Luft, wo wir letz' Jahr gewesen sind«-Wieder­er­ken­nungs­wert.
Gepaart mit der Tatsache, dass in 19 Filmen schon erheb­liche Teile des Globus abge­klap­pert wurden, bringt das die Bond-Macher mitt­ler­weile in Zugzwang. Die Lösung in Die Another Day: Erstmal wird die welt­berühm­teste Doppel­null auf eine Kommu­nismus-Worldtour geschickt – von Nordkorea über China bis Kuba muss er überall hin, wo sich dem Kapi­ta­lismus noch letzte, trutzige Bollwerke entge­gen­stemmen und somit die Pauschal­reisen noch nicht flächen­de­ckend ausge­bro­chen sind. Und dann geht’s ab nach Island, wo es keine Bade­strände gibt und somit vergleichs­weise wenig Urlauber.

Ähnlich leidet der neue 007 auch auf anderem Gebiet zum Teil an der Leistung seiner 19 Vorgänger: Man merkt, dass es den Bond-Machern selbst langsam schwer fällt, noch irgendein Vehikel zu finden, das ihr Staragent noch nicht (meist: zu Schrott) gefahren hat, noch irgend­eine Form von Verfol­gungs­jagd, Sprüngen, Über­schlägen, Fahr­kunst­stü­cken mit moto­ri­sierten Fort­be­we­gungs­mit­teln zu ersinnen, die sie noch nicht abgehakt haben. (Vorschlag: Die nicht-moto­ri­sierten Gefährt wurden bisher sträflich vernach­läs­sigt – Bond auf Fahrrad, Skate­board, Kettcar, Dreirad, das wär' doch mal was!) Aber irgendwas findet sich dann doch immer: Diesmal sind es Luft­kis­sen­boote, die zum Highspeed-Fanger­mandl antreten und dabei das schöne Gefühl geben, noch echter Hardware beim Aufein­an­der­kra­chen zuzusehen, bestes, boden­s­tän­diges, gewich­tiges Stunt-Handwerk. Während gegen Ende leider auch dieser Film dem allge­meinen Trend zum Zeichen­trick folgt und eine ganze, alberne, hässliche Sequenz am Eiskliff praktisch komplett vom Computer ausspu­cken läßt – körper­loser, charm­e­freier, wertloser Pixel­quark.
Dabei stemmt sich Bond in Die Another Day ansonsten durchaus gegen den Strom, Action immer virtu­eller, tech­ni­sierter, leib­ferner zu machen. (Wer übrigens sehen will, wie sowas durchaus auch funk­tio­nieren kann, muss nach Hong Kong schauen, wo gelingt, was das ameri­ka­ni­sche Action-Kino nicht hinbe­kommen will: CGI zum kreativen Werkzeug mit einer stimmigen Ästhetik zu machen.) Die Explo­sionen kommen nicht zu knapp, aber 007 darf viel öfter echten Körper­ein­satz zeigen; der Kampf Mann gegen Mann kommt hier wie lange nicht zu seinem Recht. Höhepunkt ist ein Klin­gen­kampf, der mit viel Schweiß, ein bisschen Blut aber ohne Tränen kreuz und quer durch einen Londoner Club ausge­fochten wird, voller Härte und Wut und jenem schma­ckigen Wumms, der all dem Digi­tal­zauber so schmerz­lich abgeht.
Dass Bond sich wieder mehr auf seinen Körper als Waffe besinnt, mag auch damit zusam­men­hängen, dass Hightech inzwi­schen zum allge­gen­wär­tigen, stink­nor­malen Konsumgut geworden ist. Jedes heutige Handy wäre in Gold­finger noch als bestau­nens­werte Wunder­ma­schine aus hoch­ge­heimen Regie­rungs­la­bors durch­ge­gangen.
Um mehr zu bieten als Consumer Elec­tro­nics, muss Die Another Day schon zur puren Science-Fantasy greifen: Bond bekommt ein albe­ri­ches, unsicht­bares Tarn­kappen-Auto zu fahren.

Manche Kapitel von Bonds Heiliger Schrift zeigen sich jedoch wacker resistent gegen alle Veral­te­rungs­ge­fahren:
Die mythi­schen Mächte des Guten kommen nicht aus ohne einen Adver­s­a­rius, ohne einen, der das Prinzip des Bösen verkör­pert. Es ist eine alte Binsen­weis­heit, dass ein Bond-Film immer nur so gut ist wie sein Schurke. Und da hat es Die Another Day ziemlich gut getroffen. Toby Stevens als Gustav Graves ist Bonds Ebenbild in einem dunklen Spiegel: Englische Upper-Class-Gebaren mit teurem Geschmack und erst­klas­siger athle­ti­scher Ausbil­dung – seinen Auftritt mittels Fall­schirm mit Briti­scher Flagge hat er sogar direkt von Bond geborgt. Graves ist ein böser Prinz mit einem Eisschloss, der niemals schläft sondern sich seine Träume aus einer Maschine beschaffen muss. (Diese Traum­ma­schine ist eine der vielen hübschen Ideen, die im Ansatz stecken­bleiben – die Autoren legen die starke Tendenz an den Tag, lieber viele Einfälle irgendwie in den Film zu packen als einen davon auch einmal richtig auszu­reizen.) Und Graves hat ein Geheimnis, das ein echter, post­mo­derner Trumpf ist gegenüber Bond, der immer ein ganz klas­si­scher Vertreter fest­ge­fügter Körper- und Iden­ti­täts­vor­stel­lungen geblieben ist...

Was die Frauen angeht, die 007 diesmal zur Seite stehen respek­tive liegen, so schreibt der Film fort, was spätes­tens seit Pierce Brosnans Einstand zum Standard geworden ist: Die Promis­kuität Bonds ist nicht mehr ganz so zügel- und wahllos wie einst, und die Frau­en­rollen werden an der Obefläche mit etwas mehr Selbst­be­stimmt­heit und Kompetenz geschmückt.
Sowohl Jinx (Halle Berry) als auch Miss Frost (Rosamund Pike) – der Name verrät schon, dass sie zunächst weniger willig ist als Bondgirls wie Pussy Galore, aber selbst­ver­s­tänd­lich taut Bond sie auf – sind selbst Agen­tinnen: Die CIA-Frau Jinx zu nicht minder spek­ta­ku­lären Stunts bereits als Bond (das Film­plakat montiert sie gleich parallell zu 007 mit der Pistole im Anschlag); die unter­kühlte Dame in MI6-Diensten mit deutlich mehr Beson­nen­heit und Ratio als der hitz­köp­fige James.
Was alles nicht mehr ist als ein bisschen aufge­klärte Drapie­rung um die alte Mär vom »Knight in shining armor«, vom Traum­prinzen und der schwachen Maid. Am Ende muss Bond Jinx aus dem Eissarg retten und zu neuem Leben wach­küssen – in Sachen Wieder­auf­er­ste­hungen ist der nur zu passend benamste Die Another Day geradezu infla­ti­onär. Und wenn es schließ­lich zum Fight zwischen den beiden Frauen kommt, muss selbst­ver­s­tänd­lich die spröde Miss Frost mittels (wer’s braucht: auch freu­dia­nisch deutbarem) Dolchstoß dran glauben und bekommt von Jinx ein ach so geist­rei­ches »Bitch!« ins Jenseits hinter­her­ge­rufen – nicht zuletzt deswegen pein­li­cher Tiefpunkt des Films, weil das mehr Lacher und Applaus bekommt als alle fein­ge­schlif­fenen Gags.
Wenig scheinen Autoren und Darsteller diesmal in dieser Hinsicht aller­dings mit dem unver­meid­li­chen Austausch von Zwei­deu­tig­keiten zwischen Bond und seinen Gespie­linnen anzu­fangen wissen. Arg forciert wirkt die Suche nach noch und noch einem neuen Gesprächs­stoff, der schlüpf­rige Doppelb­e­deu­tungen hergibt, und Brosnan und Berry vermeint man anzu­merken, dass sie größte Probleme haben, beim Aufsagen dieser Dialoge ihren Ernst zu wahren.

Sein Tradi­ti­ons­be­wusst­sein trägt Die Another Day deut­li­cher zur Schau als je ein Bond-Film zuvor: Als Jubiläums-007-Abenteuer – das zwan­zigste in der Reihe von Eon-Produc­tions, der einzig »amtlichen« – zitiert er sich munter durch seine Vorgänger. Zumindest von den klas­si­schen Bond-Streifen ist jeder vertreten, manche sogar mehrfach, und wenn ich nicht alle jüngeren 007-Filme wieder­er­kannt habe, dann liegt das wahr­schein­lich eher daran, dass von den meisten so wenig hängen­ge­blieben ist im Gedächtnis, als dass tatsäch­lich keine Zitate präsent wären. Die Reve­renzen sind mal eindeutig und knall­of­fen­sicht­lich (Halle Berrys Kopie des legen­dären Biki­ni­auf­tritts von Ursula Andress in Dr. No; Halle Berry auf ähnliche Weise von einem Laser bedroht wie Sean Connery in Gold­finger – wobei sie freilich schlicht Angst um ihr Leben hat, während es dem Ur-Bond zunächst mal ans beste Stück gegangen wäre; Pierce Brosnans Schnüf­feln an Lotte Lenyas Fußschweiß im Stilett-Schuh aus From Russia With Love); mal etwas versteckter (das in dieser Schuh-Szene im Hinter­grund an der Wand hängende Krokodil aus Live And Let Die); mal spie­le­risch (die Dialog­zeile »Diamonds aren’t for everyone« als Verball­hor­nung von Diamonds Are Forever); mal eher Paral­lellen denn Zitate (die ebenfalls an Diamonds Are Forever erin­nernden Bösewicht-Pläne mit den diamant­be­setzten Satteliten; Bonds Ausschluß von seinem geheim­dienst wie in Licence To Kill); und ein paar sind rein für die Kenner: »Universal Exports« heißt eine Firma in Die Another Day – und unter diesem Tarnnamen firmierten einst ganz zu Beginn der Bond-Reihe noch die Büros von MI6.
Bei so viel Verweisen keimt dann nicht selten der Verdacht, dass selbst Newco­merin Rosamund Pike als Miranda Frost nur deshalb besetzt wurde, weil sie eine so große Ähnlich­keit zu Daniela Bianci in From Russia With Love aufweist. Man beginnt mit der Zeit regel­recht, jedes Detail als poten­ti­ellen Code zu sehen, der sich zum Titel eines älteren Bond-Films entschlüs­seln läßt – das Geheim­dienst­ge­schäft macht paranoid. Zumindest aber ist das Ganze ein amüsantes Suchspiel, das die Aufmerk­sam­keit auch in Sequenzen wach hält, die aus sich selbst nicht viel zu bieten haben.

Bei all dem bleibt schließ­lich EINE Neuerung, die dem Ritual doch wenigs­tens ein kleines Schnipp­chen schlagen kann: Auch den Erz-Körper­held Bond, der mit solchem Genuss im Hier und Jetzt der mate­ri­ellen Welt lebt, der dem Hand­greif­li­chen so zugetan ist, hat inzwi­schen das Zeitalter der virtu­ellen Realitäten erreicht. Und in der Simu­la­tion sind – es soll nicht zuviel verraten sein – ein paar Dinge möglich, die eigent­lich herb gegen die heiligen Zehn Gebote eines Bond-Films verstossen...