Der irrationale Rest

Deutschland 2005 · 95 min.
Regie: Thorsten Trimpop
Drehbuch:
Kamera: Hanno Moritz Kunow
Zerstörte Freundschaft: Suse, Matthias und Susanne

Das Experiment

16 Jahre lang haben sich die einstigen Freunde Suse, Susanne und Matthias nicht gesehen. Susanne und Matthias versuchten die Flucht aus der DDR in den Westen, Suse blieb zurück. Als die Flüch­tenden von Grenzern geschnappt werden, geraten alle drei in die Mühlen der Stasi: Der perfide Mecha­nismus aus Angst und Psycho­terror zersetzt Freund­schaft und Liebe und hinter­lässt Verrat und Miss­trauen.

Matthias lässt die Vergan­gen­heit nicht los: Er macht Führungen durch das Gefängnis, in dem er einst inhaf­tiert war. Täglich aufs neue begegnet er so dem Grauen, dem er während der Haft ausge­setzt war. Das hat etwas von Und täglich grüßt das Murmel­tier, eine Art bedrü­ckende Zeit­schleife, ein Wieder­ho­lungs­zwang, den zu durch­bre­chen ihm noch nicht gelungen ist. Susanne kann im Westen ihrem Traum­beruf nachgehen und ist Kran­ken­schwester. Sie hat alle Brücken hinter sich abge­bro­chen – eine andere Form, das Trauma zu bewäl­tigen. Suse hingegen ist noch immer in Pankow, wo sie einst mit ihrer Busen­freundin Susanne zur Schule ging. Trotz ihrer drei Kinder wirkt sie seltsam leer. »Ich habe nie mehr etwas gefunden, was ich für mich machen kann«, sagt sie.

Trimpop bewegt die drei Prot­ago­nisten zu einem Wieder­sehen – mitein­ander und den Orten des Gesche­hens. Was dabei heraus­kommt, ist ein gewagtes Expe­ri­ment mit konfron­ta­ti­ons­the­ra­peu­ti­schen Zügen. Die Kamera ist Zeuge, wenn Susanne erstmals in ihren Stasi­akten blättert, wenn Matthias einen nie abge­schickten Brief seines Vaters liest und wenn sich die Prot­ago­nisten begegnen. Das klingt verdächtig nach Dokusoap. Doch hier wird der Zuschauer nicht in zum Voyeur: Statt nach­zu­haken fängt Timpop auf, statt zu fragen, lässt er oft die Stille stehen.

Manches bleibt dadurch unscharf: Wer hat eigent­lich wen verraten – und wodurch? Am Schluss treffen sich die drei auf einem Steg. »Was sagt man in so einem Moment«, fragt Matthias bloß hilflos. Die erhoffte Aussprache bleibt aus und die Kamera zoomt sich auf Distanz. Am Ende des Stegs stehen drei winzige Menschen, jeder für sich. Kein Happy End weit und breit. Die Wieder­ver­gei­gung ist geschei­tert. Der Film ist es nicht.