The Big White – Immer Ärger mit Raymond

The Big White

Kanada/NZ/USA 2005 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Mark Mylod
Drehbuch:
Kamera: James Glennon
Darsteller: Robin Williams, Holly Hunter, Giovanni Ribisi, Tim Blake Nelson u.a.
Gruppenbild mit Leiche

Die Leichenschau

Frage: Was haben die Filme Der Fall Mona, Lucky Numbers und Abgezockt! gemeinsam? Antwort: Alle diese Holly­wood­filme verfügen über zahl­reiche (Komödien)Stars, behandeln kleine und größere Gaunerein in der Provinz, bean­spru­chen für sich einen schwarzen, sarkas­ti­schen, politisch unkor­rekten Humor und sind doch derart belang- und witzlos, dass sie schon nach kurzer Zeit (zu Recht) vergessen sind. Der nächste Kandidat für diese erlesene Gruppe heißt Immer Ärger mit Raymond (The Big White) und läuft gerade in unseren Kinos.

In The Big White sind es an sich talen­tierte Komiker / Schau­spieler wie Robin Williams, Giovanni Ribisi, Holly Hunter oder Woody Harrelson, die in einem trost­losen Kaff in Alaska eine vermeint­lich schwarz­hu­mo­rige Geschichte über Leichen­raub, Versi­che­rungs­be­trug, Kidnap­ping und Geis­tes­krank­heit durch­leben. Der Film hätte so grund­sätz­lich keine schlechten Voraus­set­zungen: Gute Schau­spieler, eine filmisch unver­brauchte Umgebung zwischen eisiger Tristesse und bombas­ti­scher Natur, eine Handlung abseits der flachen Teenie- und Romantic-Comedies, flotte Musik, solide Kame­ra­ar­beit.

Dummer­weise steht dem ein weder besonders komisches, noch besonders intel­li­gentes, noch besonders freches Drehbuch gegenüber. Kombi­niert mit der planlosen Regie, die keinen Sinn für Timing oder Ironie kennt, entsteht ein humo­ris­ti­sches Vakuum, in dem die Darsteller nicht anders können, als hilflos umher zu zappeln.

Man könnte nun versuchen, die Schwächen von The Big White einzeln aufzu­schlüs­seln, doch einfacher und aufschluss­rei­cher ist es, einen Blick in die Film­ge­schichte zu werfen. Dabei erkennt man eben nicht nur was The Big White falsch gemacht hat, sondern vor allem (und fast noch wichtiger), was er nicht richtig gemacht hat.

Einen direkten Vergleich mit dem großar­tigen Fargo, der von manchen Kritikern leicht­fertig und vorschnell aufgrund einiger äußerer Ähnlich­keiten (Schnee, Verbre­chen, Entfüh­rung) gezogen wird, wollen wir The Big White ebenso ersparen, wie einen Verweis auf Hitch­cocks Immer Ärger mit Harry, den der deutsche Verleih mit dem Unter­titel Immer Ärger mit Raymond vermes­sener­weise geradezu heraus­for­dert (was wohl eine »Leichen­komö­dien-Tradition« ist, man siehe hierzu auch die Teenie-Klamotte Immer Ärger mit Bernie, der im Original Weekend At Bernie’s heißt).

Einen halbwegs vertret­baren Vergleich, der aber immer noch schlimm genug für The Big White ausfällt, bietet sich etwa mit A Simple Plan. Auch dort viel Schnee, schräge Figuren, dilet­tan­ti­sche Verbre­cher und ein Haufen Geld, der die Menschen zum Äußersten treibt. Nur ist in Sam Raimis Films eben alles span­nender, komischer, schlüs­siger.
Bleiben wir in Alaska, bleiben wir bei Robin Williams und kommen zu Insomnia. Der ist zwar alles andere als eine Komödie, aber man erkennt, was The Big White an Stimmung, Bildern und schau­spie­le­ri­schem Potential verschenkt hat.

Redet man über eine skurrile Entfüh­rung mit einer wider­spens­tigen Geisel und unfähigen Entfüh­rern, kommt man am äußerst komischen Ruthless People (Die unglaub­liche Entfüh­rung der verrückten Mrs. Stone) nicht vorbei. Geht es um die aber­wit­zigen Verwick­lungen, die einen der Umgang mit einer Leiche beschert, dann ist sogar Kopf über Wasser mit Cameron Diaz und Harvey Keitel trotz einiger hekti­scher Über­trei­bungen die bessere Wahl. Unüber­troffen komisch bleibt natürlich, was Louis de Funès im Klassiker Jo (Hasch mich, ich bin der Mörder) alles mit einem Toten erlebt.

Nun soll beileibe niemand vom Besuch eines Kinos abge­halten werden, aber wer partout eine Leichen-Schnee-Gangster-Entfüh­rungs-Komödie sehen will, sollte ernsthaft abwägen, ob er sich für den unin­spi­rierten The Big White in der deutschen Version (die englische läuft in München nicht) im Kino oder einen der gerade genannten Film im Original auf DVD entscheidet. Mit der viel­zi­tierten Kinokrise hat eine solche Entschei­dung dabei nichts zu tun, sondern nur mit guten und weniger guten Filmen.