I Am Legend

USA 2007 · 100 min. · FSK: ab 16
Regie: Francis Lawrence
Drehbuchvorlage: Richard Matheson
Drehbuch: ,
Kamera: Andrew Lesnie
Darsteller: Will Smith, Alice Braga, Charlie Tahan, Salli Richardson u.a.
Robinson in New York

Vorsicht vor den Alpha-Männern

Mutan­ten­stadl, Stille, Infan­ti­lismus: Meta­physik für die Nuller-Jahre

Wieder so ein Film, der wirkt, wie sein eigenes Compu­ter­spiel: »Du bist allein in New York. Die ganze Mensch­heit ist durch einen schreck­li­chen« Ganz allein auf der Welt – wer hätte sich das nicht schon mal vorge­stellt. In seinen besten Momenten spielt I Am Legend, die Verfil­mung des gleich­na­migen, 1954 veröf­fent­lichten Romans Richard Matheson mit beiden, der verfüh­re­ri­schen wie der pani­kerre­genden Seite dieser Phantasie. Doch zumeist ist dies ein recht konven­tio­neller, zunehmend ärger­li­cher SF-Thriller, der Mathesons aufre­gendes Szenario in ein allzu cleanes, allzu zeit­ge­mäßes Stück reak­ti­onärer Ideologie verwan­delt.

Emma Thompson – wer glaubt, sie zu sehen, der täuscht sich nicht. Aller­dings nur 45 Sekunden lang dauert ihr Auftritt ganz zu Beginn des Films, und sie wird später dafür nicht einmal im Abspann erwähnt – viel­leicht auf eigenen Wunsch, was man verstehen könnte. Dabei ist dieser Auftritt nicht ganz unwichtig, schließ­lich spielt Thompson jene Krebs­for­scherin Dr. Alice Krippin, mit der alles anfängt. Eine Therapie für Krebs sollte es werden im Jahr 2009, zu einem »Retro­virus« ist dies geworden, außer Kontrolle geraten und hat binnen kürzester Zeit den größten Teil der Mensch­heit ausge­rottet – dies ist die Ausgangs­si­tua­tion zu Francis Lawrence' Science-Fiction-Thiller I Am Legend.

Zugrunde liegt der gleich­na­mige Roman des US-ameri­ka­ni­schen Science-Fiction und Horror-Autors Richard Matheson (geboren 1926). Matheson ist einer der wich­tigsten lebenden Genre-Autoren, und neben mehreren Romanen und zahl­rei­chen Kurz­ge­schichten ist er auch Über­setzer Edgar Allen Poes und, nicht zuletzt, Dreh­buch­autor fürs US-Kino. Unter anderem schrieb er Steven Spiel­bergs legen­dären ersten Spielfilm Duel. I Am Legend, eine seiner ersten Arbeiten, begrün­dete 1954 seinen Ruhm und blieb aller­dings auch eines seiner bekann­testen Bücher, und sicher sein einfluss­reichstes. Auf das Buch beruft sich nicht nur Stephen King, sondern auch George A. Romero, der hierin die Inspi­ra­ti­ons­quelle – »basically a rip-off of the Richard Matheson novel«, meint er – für seinen all-time-Zombie­horror-Klassiker The Night of the Living Dead und all seine Fort­set­zungen fand. Dazu gehören nicht zuletzt Danny Boyles 28 Days Later. Und man versteht es, denn das Buch ist großartig.
Zweimal wurde I Am Legend noch direkter verfilmt: 1964 in Last Man On Earth mit Vincent Price, zu dem Matheson unter Pseudonym das Drehbuch schrieb, und 1971 mit Der Omega-Mann mit Charlton Heston in der Haupt­rolle. Jetzt also die dritte Verfil­mung. Bizar­rer­weise trägt ausge­rechnet sie, obwohl der Vorlage am fernsten, erstmals den Origi­nal­titel. Und das ist das erste, was man über I Am Legend fest­stellen muss: Matheson-Fans und alle, die eine relativ getreue Verfil­mung der Vorlage erwarten, dürften schwer enttäuscht sein.

Home alone: Will Smith, allein zu Haus

Das posta­po­ka­lyp­ti­sche Ausgangs­sze­nario ist so simpel wie verlo­ckend: Nach dem eingangs erwähnten Tod der meisten Menschen ist Robert Neville (Will Smith), einst Virologe im Dienst der US-Armee und aus unklaren Gründen immun, vermut­lich der einzige gesund Über­le­bende der Mensch­heit. Ansonsten gibt es noch Menschen, die sich vom Virus infiziert, in blut­rüns­tige, licht­scheue Monster verwan­delten, in Zombie-artige Nacht­wesen, die Neville nun nach dem Leben trachten. Bei Tages­licht können sie ihm nicht gefähr­lich werden, nachts verbar­ri­ka­diert er sich in seinem Haus in Greenwich Village.
Dieses Szenario ist Traum und Alptraum zugleich. Traum, weil Neville das ganze menschen­ver­las­sene New York allein gehört. Tagsüber streift er wie ein Jäger durch die Straßen, schießt Wild, pflanzt Mais im Central Park holt sich DVDs aus einem Laden um die Ecke. Auf einer Straßen­karte markiert er die Wohn­blöcke, die er syste­ma­tisch durch­streift, und die Häuser nach Verwert­barem durch­sucht. Auf einem alten Flug­zeug­träger schlägt er Golfbälle durch die Straßen. Auf dem Landungs­steg des South Street Seaport findet er sich täglich um 12 Uhr ein, weil er auf Radio­fre­quenzen eine Nachricht an etwaige Über­le­bende sendet, denen er diesen Treff­punkt angegeben hat. Und sein wunder­bares (Traum-)Haus wirkt wie eine Mischung aus Pippi Langs­trumpfs Villa Kunter­bunt und der Komman­do­brücke des Captain Nemo: Ausge­stattet mit eigenem Labor, allerlei Computern, unter­schied­lichsten Medien, Konser­ven­dosen für die nächsten Jahr­zehnte, Strom­ag­gre­gaten, fließend Wasser und diversen Siche­rungs­an­lagen für den Fall eines Zombie­an­griffs, vor allem aber edlen Desi­gner­mö­beln und sünd­teuren Kunst­werken aus dem offenbar von Neville geplün­derten Museum of Modern Art, ist dies eine einzige Allmachts­phan­tasie. Ein bisschen erinnert das alles an eine moderne Version von Robinson Crusoe. Oder auch an Home Alone, statt Kevin nun eben Will Smith, allein zu Haus.

Die Alptraum­seite kennt man auch aus Robinson: Zunächst die nagende Einsam­keit, wobei Neville im Vergleich zu Robinson aller­dings recht zivi­li­siert ist. Nicht nur das er sich täglich rasiert, und wie ein guter Ameri­kaner Sport treibt, nicht raucht und trinkt, sondern auch, das er seine Sprache nicht verlernt. Von Anfang an hat er nämlich einen Begleiter, mit dem er reden kann. Der heißt statt Freitag Blondie, pardon: Sam, ist weiblich und aller­dings ein super­treuer und vers­tän­diger deutscher Schä­fer­hund, weshalb das Gespräch etwas einseitig bleibt. Daran, dass Neville auch mit Schau­fens­ter­puppen redet, und die DVDs nach Ansicht jeden Morgen in den Laden zurück­bringt, erkennt man, dass der Wahnsinn bei ihm nicht mehr so weit weg liegt. Hinzu kommen natürlich die Zombies, die aller­dings bislang nicht wissen, wo Neville wohnt, und zwar nachts fürch­ter­lich wölfisch heulen, aber drei Jahre lang keine große Gefahr werden.

So weit die tatsäch­lich faszi­nie­rende Ausgangs­si­tua­tion, die Stärke des Films. Großartig sind einige Bilder des menschen­ver­las­senen Manhattan: Mit Pflanzen über­wu­cherte Straßen, Wild, das in die Stadt zurück­kehrt, atem­be­rau­bende Bilder von ikoni­scher Kraft. Sie sind sichtbare Relikte der Kata­strophe, die sich ereignete, und zeigen eine leere Welt, die zum – so wörtlich »ground zero«, zur Wüste geworden ist, aber eben auch zu einer neuen Frontier, einem leeren, poten­tiell zu erobernden und zu zivi­li­sie­renden Land. Am span­nendsten, filmisch schönsten: Die absolute Stille in »the city that never sleeps«. Wissen­schaft­lich ist es mit all dem wohl eher nicht so weit her, Wissen­schaftler haben bereits argu­men­tiert, einer­seits sei so etwas gar nicht möglich, wenn New York aber mal tatsäch­lich menschen­leer sei, sähe es anders aus.

Aber das sollte man dem Film nicht ankreiden. Ebenso wenig – bis auf uner­träg­li­ches Product-Placement – dass er die Vorlage moder­ni­siert und erheblich verändert hat: In Mathesons Geschichte wird die Krankheit durch Bakterien über­tragen, und die infi­zierten Menschen verwan­deln sich in Vampire. Diese Vampire werden im Film zu haarlosen Zombies. Ob man sie aber wirklich derart sichtbar compu­ter­ani­mieren und gollu­mi­sieren – also Peter Jacksons Gollum nachäffen – musste? Auch auf die kitschigen Flash­backs, die erzählen, wie Nevilles Familie bei der Evakua­tion umkam (und im entschei­denden Moment abblenden, also doch nicht erzählen) hätte man besser verzichtet. Auch auf die vielen in sich unlo­gi­schen Momente: Auf was reagieren eigent­lich die Zombies? Gut vampirüb­lich auf Blut, oder auf Geräusche? Letzteres scheint zunächst keines­wegs der Fall zu sein, dann, als die Zombies Nevilles Haus stürmen, eben doch. Wenn Neville in die Falle der Zombies geht, darf er in diese Falle im Grunde gar nicht gehen, denn sie sieht seiner eigenen zu ähnlich. Wer ist dieser Neville überhaupt? Auf einem Cover von »time magazine«, das an seinem Kühl­schrank hängt, kann man lessen: »soldier, scientist, savior.« Onward christian soldier. Ist er Jesus? Der Retter der Mensch­heit? Und so weiter. Auch tech­ni­sche Schwächen, etwa die lächer­li­chen Compu­ter­ani­ma­tionen über­ra­schen und wirken unfrei­willig lachhaft.
Ande­rer­seits lässt das anfäng­liche Tempo schnell nach, sodass der wieder dyna­mi­sche Showdown am Schluss aufge­setzt wirkt. Der Film schleppt sich über weite Strecken eher träge dahin, wirkt lang­weilig und konturlos. Robinson Crusoe trifft Warten auf Godot.

Weitaus schwerer wiegt aber, dass der Film die ganzen inter­es­santen Ansätze der Vorlage völlig fallen lässt. Im Roman ist es so, dass Neville erkennt, dass, wenn alle Vampire sind, nicht sie, sondern er das Monster ist, und sich tötet. Hier fehlt so viel ameri­ka­ni­sche Selbst­er­kenntnis. Die Welt ist fein säuber­lich in Gut und Böse geteilt, und im Gegensatz zum Roman und den zwei früheren Verfil­mungen kommt es zu gar keinem direkten Kontakt, zu keinem Austausch und Kommu­ni­ka­tion zwischen Neville und den Monstern, die weder eine Gattungs­be­zeich­nung noch Namen haben. Auch »Zombies« werden sie nicht genannt, erst im Nachspann ist vom »Alpha-Mann« und seines­glei­chen die Rede. Diese Zombies grunzen, bewegen sich rasant schnell, fressen Menschen­fleisch.

Trotzdem treten sie auch als Persön­lich­keiten in Erschei­nung. Denn in einer Szene fängt Neville einen Zombie, der sich als ein »Weibchen, vermut­lich 18-21 Jahre alt« heraus­stellt, und einen bei aller Zombie­haf­tig­keit doch erstaun­lich wohl­ge­formten Körper hat. Mit diesem Ekel-Girl macht Neville nun im dunklen Forscher­keller seines Hauses, dass hier besonders an Nemos perfekt einge­rich­tete »Nautilus« erinnert, allerlei Expe­ri­mente: Expe­ri­mente am lebenden Menschen zum guten Zweck, zum Nutzen der Wissen­schaft, um nämlich die Zombies zu kurieren – aber davor sterben viele. Das Bild des dem Forscher-Mann zur freien Verfüg­bar­keit ausge­setzten hübschen Frau-Objekts ist aber ganz offen­kundig doppelt zu lesen, nicht nur als Pathos eines mensch­heits­ret­tenden Wissen­schafts­spiels ohne Grenzen, sondern auch als Männer­phan­tasie. Man kann sich kurz Milla Jovovitch in The Fifth Element in Erin­ne­rung rufen. Nur bleibt die Phantasie hier völlig vage, unaus­ge­spro­chen, unver­fäng­lich. Der Film traut sich nicht, was das Buch sich in den 50ern traute.

Hier nun kommt der »Alpha-Mann« ins Spiel. Denn erstmals sieht man ihn in dem Moment, in dem Neville das Weibchen fing. Da reagiert er offen­sicht­lich eifer­süchtig und liebes­krank – die folgenden, mit unge­ahnter Aggres­si­vität und gleich­zei­tiger List vorge­tra­genen Angriffe der Zombies auf Neville sind also Verbre­chen aus Leiden­schaft, Taten eines Liebes­kranken, die vor Gericht unbedingt mildernde Umstände bean­spru­chen können. Wenn Neville ausge­rechnet in diesen Momente in sein digitales Tagebuch notiert: »Social de-evolution appears to be complete.« ist dies eine glatte Lüge oder die Gefühlblind­heit des kalten Wissen­schaft­lers: Der Alpha-Mann wird genau durch diese Gefühle mensch­lich – und gefähr­lich.

Visuell gibt es eine weitere, ganz frag­wür­dige Anklänge: Denn von fern ähneln die Zombies – und das passt dann sogar zu Mathesons Vorlage, die Konse­quenz aller­dings nicht – tatsäch­lich KZ-Opfern. Man könnte also schlag­zeilen: »Blondie und sein Herrchen, von KZ-Opfern gejagt«, aber wir wollen ja nicht immer mit der »Faschis­mus­keule« (Martin Walser) auf gutame­ri­ka­ni­sche Filme einschlagen.

Der Film passt perfekt in unsere Zeit, genauer: zu den ideo­lo­gi­schen Mustern des Spektrums rechts von der Mitte. Er illus­triert den bekannten Sicher­heits­wahn von Bush bis Schäuble, ist sozusagen der symbo­li­sche Form der »homeland security« und der Sicht auf das Leben als einen Über­le­bens­kampf, auf die militante Angst und Gegenwehr gegen die »Intruder«, die Eindring­linge, die vermeint­lich das Heim des guten Ameri­ka­ners bedrohen, und sei er der letzte auf Erden. Und er kann Hoff­nungs­lo­sig­keit nicht aushalten. Darum wird der Handlung ein irgendwie hoff­nungs­volles Ende ange­dichtet. Und dem Selbstopfer Nevilles ein Sinn.

Dazu trägt wesent­lich die religiöse Meta­phorik bei, die im Laufe des Films immer stärker wird: Lange schon wimmelte es von Schmet­ter­lingen und anderen kleinen Verweisen. Der ganze Ton ändert sich, als holly­wood­ty­pisch der beste Freund des Helden – hier also der Hund – stirbt. Schon vorher verhält sich Neville überaus unlogisch, ballert grundlos durch die Gegend, auf Schau­fens­ter­puppen – seine Hand­lungen lassen sich schon hier nur als Ausdruck zuneh­menden Wahnsinns verstehen. Als Sam dann einen tränen­ge­tränkten Tod erleidet, scheint sich Neville zum Selbstopfer zu entschließen, und greift die Zombies nachts an – zwar tötet er viele, doch wird er schließ­lich über­wäl­tigt, und beinahe getötet, da – kommt engels­gleich, bzw. wie ein deus ex machina eine Frau namens Anna (Alice Braga), die von einem stillen Jungen namens Ethan (Charlie Tahan) begleitet wird, und rettet ihn. Anna muss einfach ein Engel sein. Denn obwohl doch alle Brücken längst gesprengt, alle Tunnel über­flutet sind, fährt sie mit dem Auto nach Manhattan – sie kann also offen­kundig über Wasser wandeln. Sie flickt Nevilles Wunden, bruzelt ihm am Morgen ein gutes american breakfast – eggs & bacon – und verwi­ckelt ihn wie eine Scien­to­login in religiöse Gespräche: Glauben sei wirkungs­voll, obwohl ihr Gott kurz zuvor ein paar Milli­arden getötet hat. Neville verwei­gert sich, insis­tiert auf Wissen­schaft und Skep­ti­zismus.

Doch der Film schlägt ich bald darauf ganz auf Annas Seite: Neville begeht ein christ­li­ches Selbstopfer, stirbt stell­ver­tre­tend für »die ganze Mensch­heit«, und faselt in seinen letzten Worten noch sehr Jesus-haft etwas von »light up the darkness«. Während Anna sich nach Vermont aufmacht, und dort in den letzten Film­se­kunden tatsäch­lich auf jene »whole colony of survivors« trifft, an die sie immer geglaubt hat, und die den Arche-Noah-Mythos des Films komplett macht. Dieser Ort sieht aus wie ein ideal­ty­pi­sches, von Mr. Huckabee entwor­fenes Smalltown-Amerika, mit guten Soldaten, Spiel­platz und Kirchturm (eine Moschee gibt es wahr­schein­lich nicht), ein putziges Auenland für unsere Zeit.
Keine posta­po­ka­lyp­ti­sche Vision, sondern die gar nicht so heimliche Utopie einer Welt ohne Funda­men­ta­listen und Islam, ohne Umwelt­pro­bleme, Groß­stadt­krank­heiten, etc., in der das Problem der Über­be­völ­ke­rung auch gelöst ist. Eigent­lich eine heile Welt. Der alte ameri­ka­ni­sche, tota­litäre Traum eines Neuan­fangs, eines neuen Garten Eden, in dem alle Sünden­fälle der Geschichte gelöscht sind, eines Paradies auf Erden, rein und unschuldig. Zumindest aber eine New Frontier. Die Doppel­bö­dig­keit und die Abgründe von Mathesens Version sind hier endgültig verschwunden.

Was I Am Legend außerdem für ein Film ist, wird am deut­lichsten, wenn man ihn mit seinen beiden direkten Kino­vor­gän­gern vergleicht: Die Kata­strophe ist hier eine Folge bester, nicht böser Absichten, nicht eines Biokrieges wie in The Omega Man. Während Charlton Heston einst Woodstock-Ausschnitte ansah, guckt Will Smith jeden zweiten Tag SHREK – kein Wunder, dass er allmäh­lich drollig wird und die Geis­tes­kräfte nach­lassen. Der Protest wird durch Infan­ti­lismus abgelöst. Während Mathesen und seine ersten beiden Verfil­mungen im weitesten Sinn Produkte der Gegen­kultur waren, ist I Am Legend Main­stream pur, eine Verherr­li­chung der Medien- und Konsum­ge­sell­schaft, in der sich jede Kata­strophe aushalten lässt, solange man noch seinen i-pod aufladen kann, und in der Nähe ein DVD-Shop liegt. Hier könnte er sich, wenn er einen guten Zombie­film sehen wollte, am besten den spani­schen Film REC besorgen – was man auch allen poten­ti­ellen Kino­zu­schauern anraten kann.

Wenn man aber etwas über die USA kurz vor der Kata­strophe erfahren will, muss man den Film sehen, schließ­lich betreibt er Prophetie: Die Stimme »des Präsi­denten« ist zu hören, wir wissen also, dass Hillary Clinton die Wahl 2008 nicht gewonnen hat. Sie hätte auch die Kata­strophe bestimmt verhin­dert. Eher klingt es wie eine Mischung aus Cheney und Obama. Für die USA kurz vor der Kata­strophe sollte man sich auch mal mit den Rollen und der Schau­spie­ler­per­sona von Haupt­dar­steller Will Smith befassen, von Inde­pen­dence Day bis Enemy of the State. Will Smith? Ist das nicht der, der damals den Beverly Hills Cop gespielt hat? Nein, ist er nicht. Auch nicht dieser demo­kra­ti­sche US-Präsi­dent­schafts­be­werber? Nein, auch nicht. Will Smith ist bis zur Verwech­sel­bar­keit allge­gen­wärtig und erfolg­reich. Heute könnte man kurz­schließen: Will Smith, der echte »weiße Schwarze« Holly­woods als posta­po­ka­lyp­ti­scher, irgendwie »linker«, aber dann doch stink­kon­ser­va­tiver Held. So wie Obama ein posta­po­ka­lyp­ti­scher Kandidat, der ebenfalls Change, Neuanfang und Vergessen der Vergan­gen­heit verspricht. Wie gesagt: Ein Film für unsere Zeit.

Richard Matheson: »Ich bin Legende«; Heyne 2008 (Neuauf­lage)