Holy Shit

Deutschland/CH 2023 · 85 min. · FSK: ab 0
Regie: Rubén Abruña
Drehbuch:
Kamera: Hajo Schomerus
Schnitt: Cécile Welter
Viel besser als ihr Ruf – (P)ups – Geruch...
(Foto: farbfilm/Filmwelt)

Die natürlichste Sache der Welt

Holy Shit zeigt erstaunlich unterhaltsam, dass menschliche Ausscheidungen kein Abfall sind, den wir entsorgen, sondern eine wertvolle Ressource, die wir nutzen sollten

Viel­leicht denken Sie jetzt Nase rümpfend, bis genau hier und nicht weiter. Keinen einzigen Satz will ich mehr über Scheiße lesen. Noch viel weniger will ich sie auf der Leinwand sehen. Um diese Doku­men­ta­tion mache ich besser einen großen Bogen.
Einen viel größeren Bogen, wenn man so will, macht diese Doku und zwar über 16 Städte auf vier Konti­nenten. Diese Weltreise dient jedoch nicht dazu, etwas vermeint­lich Unan­ge­nehmem aus dem Weg zu gehen. Im Gegenteil – sie demons­triert, was man alles Groß­ar­tiges mit Scheiße anstellen kann, anstatt sie rauschend im WC verschwinden zu lassen.

Das Prinzip des water closet, also einer Toilette mit Wasser­spü­lung, ist aus dem modernen Leben nicht mehr wegzu­denken. Obwohl sie, wie Holy Shit eindrucks­voll belegt, Unmengen kostbares Trink­wasser vergeudet und die Umwelt nicht nur für uns, sondern auch für nach­fol­gende Gene­ra­tionen verseucht und zerstört.

Sind Sie beim letzten Absatz wieder auf ableh­nende oder andere negative Gedanken gekommen? In der Richtung von: Geht’s noch?! Sollen wir nicht nur weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren und weniger Fliegen? Luxus­liner verschrotten lassen? Müssen wir uns bald auch noch das Scheißen verkneifen?
Egal, ob Sie das gedacht haben oder etwas anderes. Für jeden, der scheißen muss, also für alle Menschen, präsen­tiert Holy Shit super Neuig­keiten, oder um genau zu sein, eine alte, leider vernach­läs­sigte Wahrheit: Anstatt unsere Ausschei­dungen wie bisher zu entsorgen, kann man sie als Pflan­zen­dünger in den natür­li­chen Kreislauf unseres Planeten zurück­führen.

Doch warum wurde und wird diese Wahrheit, die man schon Binsen­weis­heit nennen könnte, so schänd­lich wenig beachtet? Die Ursachen dafür liegen – mal wieder – beim Streben nach Profit, also den extremen Auswüchsen unseres kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems. Die chemische Industrie verdient mit künstlich herge­stelltem Dünger Millionen. Solche Schuld­zu­wei­sungen oder Anklagen, die zurecht wütend machen, werden nur am Rande gestreift.

Dem Regisseur Rubén Abruña gelingt ein bewun­derns­wertes Kunst­stück. Schon nach wenigen Minuten lässt er uns vergessen, dass das Thema auf irgend­eine Art und Weise unan­ge­nehm sein könnte. Statt­dessen zeigt er humorvoll, wie es zu den aktuellen Fehl­ent­wick­lungen gekommen ist und zwar fast, ohne die Moral­keule zu schwingen.
Darüber hinaus präsen­tiert er verblüf­fende Lösungen für Abwas­ser­pro­bleme aus der ganzen Welt: In Uganda zum Beispiel helfen Poop Pirates armen Slum-Bewohnern, ihre Ausschei­dungen in wert­vollen Dünger zu verwan­deln. In Schweden hat ein Ingenieur schon vor Jahr­zehnten eine geruchs­freie und ökolo­gisch einwand­freie Trocken­toi­lette entwi­ckelt. In Hamburg und Genf gibt es Wohn­kom­plexe mit dezen­tralen Klär­an­lagen, in denen nicht nur Dünger erzeugt wird, sondern auch Strom. Gab es nicht immer schon den Wunsch, aus Scheiße Gold zu machen oder zumindest Geld damit zu verdienen? In Südkorea hat Rubén Abruña ein Projekt gefunden, das diesem Mensch­heits­traum näher­kommt. Mit den beim täglichen Geschäft verdienten Shitcoins kann man nicht nur Shoppen, sondern auch anderen Menschen etwas Gutes tun.