Horst Schlämmer – Isch kandidiere!

Deutschland 2009 · 96 min. · FSK: ab 0
Regie: Angelo Colagrossi
Drehbuch: , , ,
Kamera: Frank Grunert
Darsteller: Hape Kerkeling, Alexandra Kamp, Simon Gosejohann, Maren Kroymann u.a.
Politik ist... das Fähnchen im Wind schwenken

Die Seichtgebiete schlagen zurück

Was mag wohl ein Oppo­si­tio­neller aus – zum Beispiel – dem Iran oder Nordkorea denken, falls er sich zufällig in Hape Kerke­lings vierten Kinofilm verirrt? Und ob sich wohl eine Sophie Scholl oder Graf Stauf­fen­berg gerade in ihren Gräbern umdrehen? Immerhin verloren sie einst ihr Leben im Kampf für eine deutsche Demo­kratie. Auch dafür, dass jetzt Filme wie dieser im Kino laufen können? Viel­leicht. Trotzdem: Im Grunde ist Horst Schlämmer – Isch Kandi­diere! eine Belei­di­gung all jener, denen Demo­kratie wirklich am Herzen liegt.

Gewiss: Das sind ganz schön humorlose Fragen, die wahr­schein­lich nur belegen, dass der Frage­steller irgendwo in den 80er Jahren stecken­ge­blieben ist, und weder Post­mo­derne noch die Medi­en­de­mo­kratie verstanden hat. Zu der gehört schließ­lich die Einpla­nie­rung aller Grenzen zwischen Politik und Enter­tain­ment, und während es bei Heute mehr ums Design der Nach­richten geht als um deren Inhalt, ist Beckmann längst zur poli­tischsten Sendung der Öffent­lich-Recht­li­chen geworden – dem Ort, wo die Politiker Rede und Antwort stehen und sich – im Gegensatz zu den braven Stich­wort­ge­bern der Polit-Jour­na­listen – auch mal kritische Fragen gefallen lassen müssen. Der Logik folgend fährt ein Guido Wester­welle mit seinem Guido­mobil zu Big Brother, stili­siert sich Karl-Theodor Freiherr von und zu Gutten­berg zum Michael Schuh­ma­cher der deutschen Politik, während die Satiriker – letzte Woche der Ex-»Titanic«-Chef­re­dak­teur Martin Sonneborn in Die Partei – und Komö­di­anten sich im Wahlkampf tummeln.

Natürlich: Hape Kerkeling ist ein intel­li­genter Mensch. Wenn Kerkeling mit Schlämmer eine Politiker-Figur erfindet, wird das subversiv, weil z.B. Angela Merkel eine Poli­ti­kerin namens »Angela Merkel« erfunden hat, die kein bisschen realer ist. Weil dies aber längst auch die Bürger wissen, hält sich der Erkennt­nis­wert dann doch in Grenzen. Der Film ist auch nicht wirklich lustig – eine ganz nette Comedy-Nummer, die man nach fünf Minuten begriffen hat, die aber auf Spiel­film­dauer aufge­blasen nur noch öde ist.
Man kann ihn aber schon deshalb gar nicht kriti­sieren, weil er sich an irgend­wel­chen künst­le­ri­schen Kriterien so wenig messen lassen will, wie zeit­genös­si­sche Politiker noch an poli­ti­schen Maßstäben. So wie Merkels Frisur und Stein­meiers Krawatte zu poli­ti­schen Inhalten erklärt werden, so wie die Wahl­kämpfer sich folgenlos mit poli­ti­schen Dumping­an­ge­boten – »Voll­be­schäf­ti­gung«, »Steu­er­sen­kung« – über­bieten, ohne dass ihnen das auch nur ein Wähler glaubt und sie später bei Nich­ter­fül­lung zur Rechen­schaft zieht, so sehr weicht Kerkeling allen Einwänden aus. Er nimmt Politik ernst, solange man sie nicht ernst nimmt – und umgekehrt.
Einer­seits zeigt Kerkeling hier die unsym­pa­thischste denkbare Politik-Variante: Einen größen­wahn­sin­nigen Deppen aus der Provinz, hässlich und dumm, unmo­ra­lisch und dreist – ein auto­ritärer Charakter, ein Klein­bürger, der vor »denen da oben« buckelt, sie aber hasst. Die Verkör­pe­rung des popu­lis­ti­schen Ressen­ti­ments und insofern ein treffende Karikatur vieler Politiker von LINKE bis FDP. Kühl entlarvt Kerkeling hier ande­rer­seits als unbe­darfte rhei­ni­sche Frohnatur im Trench­coat und mit Schnauzer die abge­dro­schenen Gesten des Polit­be­triebs, souverän nimmt er die Leer­hül­sen­rhe­torik der Polit-Profi-Lang­weiler auf die Schippe.

Span­nender als die lang­wei­ligen Kandi­daten Merkel und Stein­meier ist sein Schlämmer allemal. Aber geht es in der Politik um Spannung? Um Unter­hal­tung? Kerkeling beweist nur: Unter­hal­tung können die Unter­halter besser. Substan­ti­elles zur Politik tragen er und sein Film nicht bei – insofern wirkt er nur mit an der Zers­tö­rung des Poli­ti­schen, die er doch humorvoll zu entlarven und zu kriti­sieren vorgibt.

Hape Kerke­lings Horst Schlämmer – Isch Kandi­diere! ist die Antwort auf eine bundes­deut­sche Poli­ti­k­land­schaft, in der Politik und ihre Bericht­er­stat­tung ohne Spaß­faktor gar nicht mehr denkbar sind, in der Politik sich derart entpo­li­ti­siert hat, dass die Wähler zum Publikum mutierten, freilich zu einem gelang­weilten. Die Folge: Der Zynismus der routi­nierten Cleverles und Durch­bli­cker unter den wählenden Bürgern. Sie sind selbst längst von kriti­schen Wählern zu Polit-Konsu­menten geworden, und werden auf der zum Medi­en­markt mutierten Öffent­lich­keit von embedded-ten Medien entspre­chend bedient – die verstehen ihre Aufgabe längst nicht mehr als Kritik und Analyse, sondern als Präsen­ta­toren und Verkäufer, als Marke­ting­an­ge­stellte.

Kein Wunder, dass Horst Schlemmer, stünde er wirklich zur Wahl, mehr Stimmen bekäme, als die FDP. Mit Horst Schlämmer – Isch Kandi­diere! und Kerke­lings Verwi­schung der Grenzen kann sich aber auch der dümmere Polit­kon­su­ment gleich­zeitig weiterhin über den Film erhaben fühlen – die Entpo­li­ti­sie­rung des öffent­li­chen Geschäfts wird das nicht aufhalten.