Höllentour

Deutschland 2004 · 129 min. · FSK: ab 0
Regie: Pepe Danquart
Drehbuch:
Kamera: Wolfgang Thaler
Darsteller: Erik Zabel , Rolf Aldag, Andreas Klöden u.a.
Höllenspektakel

Der Frei­burger Regisseur Pepe Danquart hat die Tour de France und das Team Telekom im letzten Jahr begleitet. Ergebnis ist eine ausführ­liche Doku­men­ta­tion hinter den Kulissen des »härtesten Radren­nens der Welt«, zwischen schier über­mensch­li­chen Leis­tungen der Fahrer und perfekter Choreo­gra­phie eines Sport-Events, das unzählige Fans begeis­tert.

Über zwei Stunden portrai­tiert der Regisseur Sportler und Team­mit­glieder. Deutlich wird die Leistung der Fahrer, die – ob glühende Sonne, ob Regen – unbeirrt ihre Strecken absol­vieren und an die Grenzen ihrer Leis­tuns­fähig­keit gehen, bei den schwie­rigen Berg­stre­cken durch Alpen und Pyrenäen ebenso wie bei den Zeit­fahren. Dabei zeigt sich auch der Teamgeist, die Abhän­gig­keit vonein­ander, wenn etwa Teamchef Zabel seine »Wasser­träger« nicht enttäu­schen will oder Rolf Aldag einen Zeit­ver­lust in Kauf nimmt, um den lang­jäh­rigen Freund und Zimmer­ge­nossen Zabel mit einem platten Reifen nicht alleine hinten zu lassen. Verlet­zungen und Stürze werden mit zusam­men­ge­bis­senen Zähnen in Kauf genommen, ein Abbruch der mythisch verklärten Tour kommt nur in Frage, wenn der Körper aufgibt – eine Kata­strophe.

Für den Laien ist nicht immer einsichtig, wie die Orga­ni­sa­toren gefähr­liche Situa­tionen zulassen können wie das Fahren im Pulk (mit fatalen Massen­s­türzen) oder bei schlechter Sicht und Regen, wenn die schmalen Renn­reifen jederzeit den Halt verlieren können. Auch die Fans, die die teilweise unge­sich­terte Strecke mehr verstopfen als säumen, scheinen oft eher Hindernis als Ansporn zu sein. Doch die Fahrer ficht das nicht an, dabei sein ist und gar noch eine winzige Chance auf den (Etappen-)Sieg zu haben ist alles.

Faszi­nie­rend, wie einzelne Fahrer in diesem Rennen aus der Masse hervor­treten können, wenn sie auf einem Teil­ab­schnitt gewinnen, und ebenso spannend, die perfekt koor­di­nierten Abläufe und die Zusam­men­ar­beit des Teams Telekom zu beob­achten: Der Verlauf der Etappen wird wie bei einer Auto­rallye per Funk mehr­spra­chig aus dem Begleit­fahr­zeug an die Fahrer weiter­ge­geben, ebenso wie unzählige Wasser­fla­schen. Hier wird auch genau beob­achtet, wo im Feld die einzelnen Fahrer sich gerade befinden. Der Masseur »Eule« kümmert sich nicht nur um die Körper der Sportler, wenn sie erschöpft im Betreu­ungs­fahr­zeug sitzen und ihre Einschät­zung des gerade Gefah­renen abgeben.

Doch die Tour besteht aus mehr als nur den Teams: zu histo­ri­schen Aufnahmen gibt Serge Laget Auskunft über ihre hundert­jäh­rige Geschichte. Auch die Fans gehören dazu, wie sie geduldig und in Feier­stim­mung die rasante, nur wenige Augen­blicke dauernde Durch­fahrt ihrer Helden am Stre­cken­rand erwarten. Manche, beispiels­weise eine deutsche Familie, verfolgen die Tour geradezu mit ihrem Wohnwagen, abwech­selnd per TV und an der Straße stehend. Die Tour de France zeigt sich als Wander­zirkus, wenn am Etap­pen­ziel die immer gleichen Tribünen, Absper­rungen und Werbe­ta­feln aufgebaut werden, die samt der Über­tra­gungs­technik am nächsten Morgen wieder sorgsam verstaut und zum nächsten Ort gefahren werden. Die Tour hat viele Gesichter.

Danquart gelingt es, viele davon einzu­fangen und auch ein Gefühl für die Wucht und die Geschwin­dig­keit des Ereig­nisses zu vermit­teln. Das sind die Stärken seines Films. Aller­dings fragt man sich, wo er die Ziel­gruppe seiner Doku­men­ta­tion vermuten mag, denn die echten Fans kennen die meisten Bilder schon aus dem TV. Die Unwis­senden dagegen mögen sich ange­sichts der vielen unbe­kannten Gesichter und Namen verloren vorkommen und trotz der faszi­nie­renden Porträts mit der Länge von zwei Stunden ihre Probleme haben. Bei aller Ausführ­lich­keit hat der Film Lücken, etwa das diskrete Auslassen der Doping-Proble­matik – dafür gibt es die faszi­nie­rende Männ­er­freund­schaft Zabel/Aldag zu sehen. Und durch­trai­nierte Sport­ler­körper, deren groteske Bräunung (die nur bis zu den Rändern der Trikots reicht, ab Mitte Oberarm und Ober­schenkel sind die Männer bleich wie Enger­linge) zum Lachen reizt.