Hilde

Deutschland 2009 · 137 min. · FSK: ab 12
Regie: Kai Wessel
Drehbuch:
Kamera: Hagen Bogdanski
Darsteller: Heike Makatsch, Dan Stevens, Monica Bleibtreu, Michael Gwisdek, Hanns Zischler u.a.
Das hier ist Hildegard Knef – oder doch Heike?

Die Stehauffrau

Den Sound­track ihres Lein­wand­le­bens hat sie selbst geschrieben. In »Von nun an ging’s bergab«, einem ihrer schönsten Chansons, wirft Hildegard Knef mit viel Witz und Sarkasmus Schlag­lichter auf ihre bewegte Vita – von ihren Anfängen als junge Schau­spie­lerin in Babels­berg 1943 bis zu ihrem legen­dären Konzert in der Berliner Phil­har­monie 1966. Von dieser Zeit­spanne erzählt das Biopic Hilde- mit Heike Makatsch in der Titel­rolle.

Was Hildegard Knef allein in diesen 23 Jahren erlebt, reicht für mehr als zwei Film­stunden: Gezeigt werden die letzten Kriegs­mo­nate im ausge­bombten Berlin, ihre kompli­zierte und umstrit­tene Beziehung zu dem Goebbels-Intimus und Reichs­film­dra­ma­turg Ewald von Deman­dowsky, zwei Ehen, erfolg­lose und erfolg­reiche Jahre in Hollywood, Broad­way­tri­umphe, wie sie keine deutsche Künst­lerin vor oder nach ihr feiern konnte, und skan­dalöse Abstürze. Als ihr väter­li­cher Freund und Mentor Erich Pommer nach Los Angeles kommt, wo die nach ihrem Auftritt in Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns als 'größter deutscher Nach­kriegs­star' gefeierte Knef zwar jede Woche einen Gehalts­scheck, aber keine einzige Rolle bekommt, zieht sie lakonisch Bilanz: »Was gut war, wie es war, merkt man immer erst hinterher. Was schlecht ist, wie es ist, merkt man sofort.« Doch auch wenn ihr schnell klar wird, dass der Umzug nach Hollywood ein Fehler war, kämpft sie drei Jahre lang um ihr Standing und steht bei Filmmogul David O. Selznick höchst­per­sön­lich auf der Matte, weil sie nicht glauben will, dass es in Amerika keine Rollen für sie gibt. Erst als sie, wieder in Deutsch­land, unter der Regie des Öster­rei­chers Willi Forst den Skan­dal­film Die Sünderin dreht und in der Heimat dafür geächtet wird, gelingt ihr der Durch­bruch in Amerika. Dass ihre erste Ehe mit dem Juden Kurt Hirsch an ihrem Ehrgeiz und ihrem Egoismus zerbricht, und sie auf dem Weg zum Weltstar immer unglück­li­cher wird, nimmt sie als Kolla­te­ral­schaden hin.

Dieses Getrie­ben­sein – alles dem Erfolg unter­ordnen, nie aufgeben, sich immer wieder neu erfinden – prägte Hildegard Knef ihr Leben lang. Sie war süchtig nach Aner­ken­nung und Öffent­lich­keit, konnte es nicht ertragen, alleine zu sein. Ein PR-Profi, der sich und sein Leben perfekt insze­nierte und sich nie ganz in die Karten schauen ließ. Eine Diva unter Dauer­span­nung. Und genauso eigen­willig und eitel, zerbrech­lich und zornig, selbst­zweif­le­risch und stur spielt Heike Makatsch sie auch. Wenn sie als Hilde mit rauchiger, kurz­at­miger Stimme vor die Presse tritt und en passant erklärt, dass sie »Glück nie lange genug erlebt habe, um wirklich etwas darüber sagen zu können«, spürt man etwas von der Wehmut, die Hildegard Knef immer umgab. Wenn sie bei einem Wutaus­bruch Knefs selbst­zer­stö­re­ri­sches Tempe­ra­ment aufblitzen lässt, glaubt man, der 'echten' Hilde dabei zuzusehen, wie sie alles kurz und klein schlägt. Am frap­pie­rendsten aber ist die Ähnlich­keit in der Schluss-Szene, in der »die beste Sängerin ohne Stimme« – wie Ella Fitz­ge­rald die Knef einmal nannte – ihr unver­ges­senes Konzert in der Berliner Phil­har­monie mit den Worten »Das hier ist Hildegard Knef« eröffnet. Wenn sie dabei trotzig ihr Kinn heraus­reckt und ihren Ober­körper nach vorne wirft, wird das Biopic (fast) zum Doku­men­tar­film – und Heike zu Hilde.

Diese ungeheure Authen­ti­zität und Ähnlich­keit von Heike Makatsch macht auf der einen Seite die Stärke des Films aus, ist aber gleich­zeitig auch seine größte Schwäche. Hildeist so komplett auf seine Haupt­dar­stel­lerin zuge­schnitten, dass ihre Film­partner und -ehemänner nur blass aussehen können. Trystan Pütter darf zwar in seinen ersten Szenen als jüdischer Film­of­fi­zier Kurt Hirsch noch humorvoll und wortreich Hildes Herz erobern, verstummt dann aber zusehends als Mann an ihrer Seite. Nicht viel besser ergeht es dem smarten Dan Stevens als David Cameron, Knefs Ehemann Nummer zwei. Nur Anian Zollner gelingt es als Ewald von Deman­dowsky, Hildes erster großer Liebe, etwas mehr Profil zu zeigen. Diese fehlende Präsenz der (Film-)Männer ist viel­leicht noch der Tatsache geschuldet, dass sie auch im wahren Leben neben ihrer domi­nanten Partnerin die zweite Geige gespielt haben. David Cameron gab sogar seine eigene Karriere auf, um die seiner Frau zu unter­s­tützen. Unver­s­tänd­lich dagegen ist, dass auch die zwei wich­tigsten Frauen in Knefs Leben zu Stich­wort­ge­bern degra­diert werden. Warum das Verhältnis zwischen Hilde und ihrer Mutter Frieda so ange­spannt war, erfährt man nur in zwei Szenen und auch da nur, wenn man genau hinhört. In der einen macht Frieda Knef der Leiterin des Ufa-Beset­zungs­büros, Else Bongers, klar, was sie von den Schau­spiel­am­bi­tionen ihrer Tochter hält. Nämlich gar nichts. »Sie hat eine Jungs­stimme und ist weder elegant noch schön genug.« Und sie vergisst auch nicht einen Nasen­bein­bruch in Hildes Kindheit zu erwähnen, verschweigt aber, dass sie nicht ganz unschuldig daran war. In einer zweiten Einstel­lung – am Totenbett von Hildes geliebtem Großvater – wird offen­sicht­lich, dass nicht nur Demü­ti­gungen und Schläge die Mutter-Tochter-Beziehung belastet haben, sondern auch Eifer­sucht und Neid. Warum die zwei Frauen trotzdem viele Jahre zusammen unter einem Dach wohnten und Frieda Knef in Hildes Leben allge­gen­wärtig war, bleibt vor diesem Hinter­grund völlig unklar. Genauso stief­müt­ter­lich wird Else Bongers behandelt, Hildes Entde­ckerin und lebens­lange Vertraute. Auch sie ist zwar bei jeder großen Premiere dabei, warum Hildegard Knef sie aber liebevoll 'Bongi' nannte und warum die Beziehung der beiden so innig war und über eine beruf­liche hinaus­ging, kann man nur erahnen. Zu sehen ist es nicht. Hildeerinnert in vielem an La vie en rose, die filmische Lebens­ge­schichte von Edith Piaf . Sogar die Rahmen­hand­lung, ein großes und wichtiges Konzert, ist die gleiche. Und auch in Olivier Dahans Film wirkt die Haupt­figur über­le­bens­groß.

Dass ein so über­volles und ereig­nis­rei­ches Leben wie das der Knef nur in Ausschnitten erzählt werden kann, ist keine Frage. Deshalb haben sich die Macher ja auch entschieden, in Hildenicht die komplette Geschichte einer der viel­sei­tigsten Künst­le­rinnen, die Deutsch­land jemals hatte, nach­zu­er­zählen, und wichtige Lebens­phasen wie die Geburt ihrer Tochter Tinta, ihre schwere Krebs­er­kran­kung, die Erfolge als Best­sel­ler­au­torin und die 25-jährige Ehe mit ihrem dritten Mann Paul von Schell wegzu­lassen. Fraglich ist aber, ob die Erleb­nisse von 1945 und 1946 einen so großen Raum einnehmen mussten, zumal Hildegard Knefs Erin­ne­rungen an diese Zeit – die sie in ihrem auto­bio­gra­fi­schen Roman »Der geschenkte Gaul« nieder­ge­schrieben und Freunden erzählt hat – seltsam wider­sprüch­lich sind. Hätte man das Geschehen dieser Jahre zugunsten tieferer Charak­ter­zeich­nungen der Neben­fi­guren gestrafft, wäre der Film dem Mythos Knef viel­leicht ein bisschen näher gekommen.

Warum weniger manchmal mehr sein kann, ahnt man spätes­tens, wenn der Abspann läuft. Zu Origi­nal­fotos von Hildegard Knef erklingen da ihre Songs »Halt mich fest« und »Von nun an ging’s bergab«. Man hört die eigen­willig inter­pre­tierten, sehr persön­li­chen Liedtexte, schaut in die ausdrucks­vollen Augen mit dem melan­cho­li­schen Silber­blick und hat plötzlich das Gefühl, dieser kompli­zierten Frau einen Moment lang in die Seele schauen zu können.

Der Busen von Heike Makatsch

Sie war die erste Deutsche Film-Nackte, sie war auf dem ersten Titelbild des »Stern«, sie war der erste Weltstar des Nach­kriegs­deutsch­land, sie war, wie sie Christoph Schlin­gen­sief in einem Nachruf, seine Empfin­dungen beschrei­bend nannte, eine »Deutsch­land­mutter«. Die Knef war eine öffent­liche Frau. Schlag­fertig, instinkt­si­cher, begabt für Dramen jeder Art; nichts konnte sie so leicht erschüt­tern. Schön und uner­bitt­lich wie sie war, säumten Männer­lei­chen ihren Weg. Jetzt hat Kai Wessel (»Die Flucht«) die erste Hälfte dieses Lebens verfilmt – als Kolpor­tage.

Aufs Talk­show­format reduziert

Das Anbie­dernde liegt schon im Titel: Hilde, als sei sie eine nahe Verwandte, oder als müsse sich der Film an seinen Gegen­stand heran­schmeissen, Nähe künstlich behaupten – weil man sie sonst nicht glaubt. Aber das ist das geringste Problem dieses Films, und man könnte sagen, dass auch Hildegard Knef selber, im Alter, als am Ende keine Pillen mehr nutzten, kein Cortison, kein Alkohol, und Ziga­retten schon gar nicht, als ihr Ruhm längst aufs Talk­show­format reduziert war, dass Hildegard Knef sich da auch selber für wenig zu schade war. Und es passt, dass es ausge­rechnet der Weich­spüler Johannes B. Kerner war, in dessen Sendung man zwei Wochen vor ihrem Tod die raue Stimme der Knef zum letzten Mal öffent­lich hörte.

Davor aller­dings lagen drei Welt­kar­rieren: Als Schau­spie­lerin, als Sängerin und als Autorin; und ein volles Leben, selbst wie gemacht für die Kino­lein­wand. Als Hildegard Knef 1970 ihr erstes Buch veröf­fent­lichte, ihre Memoiren »Der geschenkte Gaul«, da war das Leben der Hildegard Frieda Albertine Knef, erst gut zur Hälfte 'rum, und doch liest sich dieser Text wie der von einer ganz alten Dame, die Bilanz zieht. Und tatsäch­lich: Danach folgten zwar noch einige Filme, Lieder und Bücher, doch das, an das wir uns heute erinnern, wenn ihr Name fällt, lag bereits hinter Hildegard Knef. »Von nun an ging’s bergab.«

Beset­zungs­couch in Trüm­meräs­t­hetik

Kai Wessels Film hört sogar noch früher auf: 1966, mit der vierten oder fünften »Rückkehr« nach Deutsch­land. Weitere sollten folgen. Von Beginn an kreist Wessels Film um eine sehr gute Frage: Wer war Hildegard Knef? Gestellt wird sie von Erich Pommer, dem einst aus Deutsch­land vertrie­benen UFA-Regisseur (hier präzis gespielt von Hanns Zischler), der zu Knefs Mentor wird, ohne es ihr, im Gegensatz zu anderen, zu leicht zu machen. Er schützt sie, stellt aber auch unan­ge­nehme Fragen nach ihrer Karriere, nach ihrer Moral. Auf die bekommt man im Film so wenig Antwort wie auf die Entschei­dende: Wer war Hildegard Knef? Auf die gibt auch die schlag­fer­tige, instinkt­si­chere Begabte, die nichts so leicht erschüt­tern konnte, keine Antwort. Sie folgt erst am Ende, als die Knef vor ihrem Gesangs-Auftritt auf der Bühne der Berliner Phil­har­monie sagt: »Das hier ist Hildegard Knef«, um dann zu singen: »Für mich soll’s rote Rosen regnen«. Von der Schau­spie­lerin ist sie zur Sängerin geworden. Dann ist der Film vorbei.

Aber wer ist nun Hildegard Knef? Zuvor hakt Hildebrav und völlig ideenlos, ohne allen Erkennt­nis­ge­winn über zwei Stunden die bekannten Stationen die erste Lebens­hälfte der Knef-Biogra­phie ab. Das Drehbuch Maria von Helands setzt in den letzten Kriegs­mo­naten ein. Erzählt inmitten der sattsam bekannten Kulissen deutscher Kino-Trüm­meräs­t­hetik von einem begabten, hübschen Mädchen, das zum Film will, und dafür alles zu tun bereit ist – die Dienst­ver­pflich­tung auf der Beset­zungs­couch inbe­griffen. Wobei die Knef ihr Verhältnis mit Ewald von Deman­dowsky, dem führenden Nazi-Drama­turgen der UFA, nie verklärt hat. Als der dann im Mai 45 von den Russen entsorgt wurde, fing die Knef ein neues Verhältnis an, passen­der­weise mit dem Film­of­fi­zier der ameri­ka­ni­schen Besat­zungs­herren. Das führte zur Ehe 1947, und dauerte genau so lange, bis die Knef ihren ersten Holly­wood­film gedreht, und einen Studio­ver­trag in der Tasche hatte. Die Liebe der Knef fiel in dieser Zeit überhaupt immer dahin, wo es ihr auch beruflich nutzte – wer ihre Memoiren liest, kann sehen, wie erstaun­lich unver­blümt sie ihren eigenen Oppor­tu­nismus beim Namen nennt. Und die Opfer, die sie selbst bringen musste, den Preis, den es sie gekostet hat, nach oben zu kommen und dort zu bleiben.

»Ich bin vor dem Pres­se­fa­schismus in Deutsch­land geflohen«

Es wäre nun hoch­in­ter­es­sant gewesen, einen Film zu sehen, der auch davon erzählt. Einen Film, der auch die Schat­ten­seiten und Brüche in Knefs Leben zeigt, ihre persön­li­chen Krisen, ihre Arbeits­lo­sig­keit, als ihre besten Jahre hoch­be­zahlt, unter striktem Studio­ver­trag, aber mit Neben­rollen abge­speist, in Hollywood verplem­pert. Der Beginn der Gesangs­kar­riere, der ein Ausweg aus der Krise als Schau­spie­lerin war, so wie der Beginn der Schreib­kar­riere ein Ausweg nach stockenden Plat­ten­ver­käufen. Es wäre hoch­in­ter­es­sant gewesen, einen Film zu sehen, der eine starke Frau zeigt, die ziel­strebig, uner­schro­cken, auch kalt­blütig war, die auch viele Schwächen hatte, aber sich immer Münch­hausen-gleich selbst aus dem Sumpf zog. Und die – vor allem – aus ihren Schwächen nie ein Hehl machte, die immer offen und offensiv mit sich selbst – »Natürlich ist man wahn­sinnig einsam« – wie mit anderen – »Ich bin vor dem Pres­se­fa­schismus in Deutsch­land geflohen« – umging.

Kai Wessel macht das alles aber nicht: Die Brüche der Knef bleiben leere Behaup­tungen. Statt­dessen verkitscht und harmo­ni­siert er das Leben dieser kompli­zierten Frau, dünnt es auf Daily-Soap-Format herunter, dehnt das vermeint­lich »Positive« aus und kappt das vermeint­lich »Negative« – als ob eine wie die Knef nicht gerade dadurch ihr Weltstar-Charisma bekommen hätte, dass – wie bei der Dietrich, der Monroe, bei Romy Schneider – beides untrennbar zusam­men­hing, dass das eine nicht ohne das andere zu haben war. Ihre Memoiren, »Der Geschenkte Gaul«, 1970 erschienen, nach denen Kai Wessels Film entstand, beschreiben das. Sie heißen nicht grundlos »Roman« im Unter­titel und sind nach wie vor ein überaus lesens­werter Text, unver­wech­selbar ist Knefs Stimme auch hier. Wer dann noch wissen will, wo sie geflun­kert und schön­ge­färbt hat, der lese Jürgen Trimborns inzwi­schen bei Goldmann erschie­nene »Hildegard Knef: Die Biogra­phie«. Da kann man dann lesen, dass die Knef womöglich ihren Nazi-Schatz Deman­dowsky an die Ameri­kaner verraten hat. Man kann lesen, wie es war, die Eltern ihres ersten Gatten in New York zu treffen, deutsch- jüdische Emigranten, deren Geschwister in den Nazi-Lagern ermordet wurden, und die not amused sind, dass ihr Sohn ein »Fräulein« nach Hause mitbringt, und dann noch so eine.
Nicht immer stil­si­cher geschrieben, ist dies exzellent recher­chiert. Trimborn ist ein Knef-Fan, aber einer, der seine Heldin gut genug kennt, um ihr nichts zu glauben, was er nicht selbst überprüft hat, und einer, der sie genug schätzt, um zu wissen, dass es sie nur noch größer macht, wenn er ihre Kunst noch eine weitere hinzufügt: Die Kunst, Hildegard Knef zu sein, aus dem Leben ein Kunstwerk zu machen.

Die Mörder sind unter uns

Wessels Film demge­genüber ist weder Inter­pre­ta­tion, noch braves Biopic. Wir erfahren zu wenig. Zu wenig über ihre Arbeit mit Helmut Käutner bei Unter den Brücken – »Ich habe eigent­lich mein ganzes Leben versucht, die Atmo­s­phäre dieses Films wieder zu entdecken.« sagte sie im hohen Alter –, beim DEFA-Film DIE Die Mörder sind unter uns, bei Henry King und Claude Chabrol, Andrej Tarkow­skij und Billy Wilder. Wir erfahren nichts von der Schrift­stel­lerin, die eines von ihren vier Büchern – die anderen drei sind Auto­bio­gra­phien – über Romy Schneider geschrieben hat, 1982, gleich nach deren Tod. Das kann man damit erklären, dass der Film zu früh aufhört, aber das ist dann eben keine Erklärung, sondern nur ein Fehler. Wir erfahren auch zu wenig von der Frau, die ihre Liebhaber zwischen­durch wechselte, wie andere die Hemden, die immer wieder mit den Regis­seuren und Produ­zenten, mit denen sie Drehte Liebes­ver­hält­nisse begann, die ihre Sexua­lität so lebte, wie sonst nur Männer, selbst­be­wußt, polygam, getrieben, eska­pis­tisch, allemal frei, so frei, dass ausge­rechnet sie von Alice Schwarzer zu einer früh, »zu früh« Eman­zi­pierten erklärt wurde – und immer genau das verkör­perte, was die Stunde diktierte: Erst Moral des Wieder­auf­baus, dann die Unmoral des Wirt­schafts­wun­ders, die versteckte Wahrheit der Verdrän­gung, die unter ober­fläch­li­chen Lügen durch­schim­merte. Und wir erfahren zu wenig über das deutsche Publikum, das auf all dies mit Hassliebe reagierte.

Anbie­de­rung beim Main­stream, Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten­gat­tinnen, Moral­apos­teln und Entrüs­teten

Es bleibt ein prüder, feiger und fern­seh­hafter Film. Die Mörder sind unter uns – das gilt auch für den boule­vard­haften Umgang mit dem Star Knef. In keinem Moment zeigt sich das besser, als in dem, der das zeigt, was der berühm­teste Kino­auf­tritt der Knef bleiben sollte – ihre sekun­den­kurze Nackt­szene in Die Sünderin. 1951 sah man Knefs nackte Brust, eine leichte Empörung fürs heutige Publikum, das sich nun über die Heuchelei, Tartüf­ferie und Prüderie der 50er erheben kann – ein billiges Vergnügen, auch wenn es natürlich stimmt, dass die Aufregung über die Nacktheit in (k)einem Verhältnis steht zur Nicht-Aufregung über die Mörder und Folterer und KZ-Schergen und Nazis, die im ganzen Land frei herum­liefen.
Die Wahrheit liegt kompli­zierter, denn die kirch­liche Empörung über den Film galt eher der doppelte Selbst­mord/Ster­be­hilfe-Szene am Ende, die, kaum sechs Jahre nach Ende der Nazi-Eutha­nasie als geschmacklos empfunden wurde. Erst die Produ­zenten hatten aus dem Kirchen­pro­test Publicity gemacht, die sich dann verselbstän­digte.

Zum Schlüs­sel­mo­ment für Wessels Film wird nun aber, dass er uns Heike Makatschs Busen völlig voren­t­hält. Ausge­rechnet. Ausge­rechnet ein Film, der im Prinzip eine einzige Travestie ist, der ansonsten alles bis ins Kleinste nach­stellt, der jedes Detail akkurat und penibel bebildert, und der seine Darstel­lerin offen­kundig vor allem danach ausge­wählt hat, dass sie der Knef noch ähnlicher sieht, als Hape Kerkeling.
Da verrät sich Wessel. Und seinen Gegen­stand gleich mit. Denn nicht, dass, wer wollte, in mehreren anderen Filmen Heike Makatsch Busen nicht schon hätte ausgiebig sehen können; an der Prüderie der Schau­spie­lerin liegt das also vermut­lich nicht, es sei denn, sie möchte durch Fleisch­ver­zicht nun darauf hinweisen, dass sie zur ernst­haften Charak­ter­dar­stel­lerin gereift ist. Sondern Wessel biedert seine »Hilde« mit solcher Prüderie beim deutschen Main­stream und den Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten­gat­tinnen an. Und gibt damit den schein­hei­ligen Moral­apos­teln und Entrüs­teten von damals im Nach­hinein recht.

Mimikry. Eine Puppe im Knef-Look. Eine Travestie.

Heike Makatsch in der Titel­rolle müht sich redlich. Aber Mühe genügt nicht. Makatsch sieht zwar vor allem in der Schluss­se­quenz aus wie Knef, spricht wie Knef, versucht zu singen wie sie – doch es bleibt ein Imitat, keine Inter­pre­ta­tion. Manchmal ist sie ein bisschen Hildegard Knef, aber nur manchmal. Sonst: Mimikry. Eine Puppe im Knef-Look. Eine Travestie.

»Lebens­läufe sind Lügen. Vorsätz­liche« hat die echte Knef gesagt. Wer war Hildegard Knef? Heike Makatsch jeden­falls nicht. Und indem Wessels Film immer den Aufstieg ohne den Fall zeigt, zeigt er auch nie das Wieder­auf­stehen der Knef. Damit verrät Wessel gerade das, was Hildegard Knef groß machte.