Happy Welcome

Deutschland 2015 · 87 min. · FSK: ab 6
Regie: Walter Steffen
Drehbuch:
Kamera: Christoph Grabner
Schnitt: Johanna Czakalla
Seifenblasenträume

Auf Tour, nicht auf der Flucht

Es regnet in München. Zwei Frauen und zwei Männer betreten ein Gebäude in der Bayern­ka­serne, finden schnell den Raum, der ihnen zuge­wiesen wurde. In der nächsten Sequenz sieht man, wie sie sich verwan­deln – ab jetzt über­nehmen Waschli, Duda, Mädmoisel und Kuki. Kurz vor dem Auftritt steht das Quartett nahe beiein­ander, um sich gemeinsam zu konzen­trieren. Kein Zweifel: Denen ist es ernst mit dem Spaß.
Georgia Huber, Stefan Knoll, Miriam Buchner und Andreas Schantz sind Profi-Clowns auf ganz beson­derer Deutsch­land-Tour. Frei­willig und ohne von jemandem etwas dafür zu verlangen, machen sie im Sommer 2015 halt in acht Erst­auf­nahme-Einrich­tungen für Flücht­linge. Der Doku­men­tar­film Happy Welcome von Walter Steffen hat sie dabei begleitet.

Sehnsucht nach Schutz und Platz für sich, und wenn es nur wenige Zenti­meter tragbarer Kunst­rasen sind. Sehnsucht nach Ruhe, die nicht aber einkehren will, weil die Zimmer­ge­nossen die Nacht zerschnar­chen. Statt spaßiger Fanfaren Kurt Weill, eher verhalten auf dem Akkordeon: »Mais c'est un rêve, c'est une folie, il n'y a pas de Youkali« … Das Programm der Rotnasen-Truppe ist keine ober­fläch­liche Quatsch­pa­rade. Sie zeigen sich in Situa­tionen, die ihre Zuschauer nur zu gut kennen, denn so sieht deren Alltag in den Erst­auf­nahme-Einrich­tungen seit der Ankunft in Deutsch­land oft aus. Wo viele Menschen auf engem Raum mitein­ander leben müssen, entstehen Konflikte. Diese heben die Clowns in die Welt des Humors mit seinen Über­trei­bungen und richtigem Timing und lösen sie auf neue, uner­war­tete und komische Weise – in einer Kunst-Sprache, die alle verstehen, weil sie keiner versteht.

Für Happy Welcome ist die Tour der Clowns der erzäh­le­ri­sche Rahmen, der schon genug Futter zum Nach­denken gibt: Kinder im jewei­ligen Publikum, die nach grau­en­haften Erleb­nissen lachen und auf Gesehenes spontan reagieren, viele lächelnde Erwach­sene, von denen einige die Auffüh­rung aufzeichnen – mit Handys, die ihnen mögli­cher­weise unterwegs das Leben gerettet haben. Die Intention des Stücks ist gleich­zeitig der Leitfaden für den Film, der über ein »Roadmovie« weit hinaus­geht: So wie seine vier Prot­ago­nisten will auch er Film sein Publikum nicht belehren, sondern Lust darauf machen, andere Wege zu denken und auszu­pro­bieren. Denn er ist vor allem eine Vernei­gung vor den vielen frei­wil­ligen Helfern in den Erst­auf­nahme-Einrich­tungen, die, sozusagen im Laufe der Tour, zu Wort kommen. Ihr Einsatz zeigt, wie unter­schied­lich frei­wil­lige Flücht­lings­hilfe in Deutsch­land aussehen kann – so werden aus den Massen­un­ter­künften, die in den tages­ak­tu­ellen Medien oft mit Worten wie »überfüllt« und »Krise« in Verbin­dung gebracht werden, Schau­plätze indi­vi­du­ellen Einfalls­reich­tums und höchst­wirk­samer Unter­s­tüt­zung. Ob Lern­werk­statt in München, Will­kom­mens­helfer in Halber­stadt oder das Inter­net­café in Meßstetten: Einen Beitrag zu leisten hat überall ein eigenes Gesicht, so wie auch jeder Auftritt der Clowns etwas Beson­deres ist.

Happy Welcome handelt von frei­wil­ligem Enga­ge­ment und ist es auch selbst: Das Projekt entstand ohne Mitwir­kung öffent­lich-recht­li­cher Anstalten und ohne öffent­liche Film­för­de­rung, das gesamte Team um Walter Steffen war mit Hono­rar­rück­stel­lungen einver­standen. Mit ihrem Doku­men­tar­film ist es ihnen geglückt, ein viel­schich­tiges omni­prä­sentes Thema zu einem dichten Teppich zu knüpfen, der dem Gewicht seiner Botschaft problemlos standhält: Animierte Erleb­nis­be­richte der Flücht­lings­kinder und klug ausge­wählte, unkom­men­tierte Situa­ti­ons­auf­nahmen lassen den Zuschauer inne­halten, während die heiter-melan­cho­li­sche Filmmusik und der opti­mis­ti­sche Grundton die nötige Luft zum Atmen geben.

Deutsch­land ist nicht Youkali. Dass es ein schwarz-rot-goldenes Paradies nicht gibt, wissen ihre Zuschauer, aber auch die Clowns selbst. Wenn man einen der Künstler über die Sicher­heit hier­zu­lande sagen hört, für ihn sei sie »nur eine vermeint­liche«, drückt es einen in den Kino­sessel. Nachdem wir jetzt Gewiss­heit haben über das, was während der Dreh­ar­beiten noch eine düstere Vorahnung war, ist es umso wichtiger, das zu unter­s­tützen, wofür sich der Film einsetzt und mit jenen zusam­men­zu­stehen, die dem Grauen schon einmal entkommen konnten. »Will­kom­mens­kultur schützt vor Terror nicht«, stellt Alexander Kissler auf cicero.de schlau fest. Das stimmt zwar. Aber unter­las­senes Enga­ge­ment würde die Gesell­schaft erstens nicht sicherer machen und zweitens denen in die Hände spielen, die sie zerstören wollen. Happy Welcome – jetzt erst recht.