Hard Rain

USA 1997 · 97 min. · FSK: ab 16
Regie: Mikael Salomon
Drehbuch:
Kamera: Peter Menzies Jr.
Darsteller: Morgan Freemann, Christian Slater, Randy Quaid, Minnie Driver u.a.

Als verspä­teter Ausläufer der letzt­jäh­rigen Kata­stro­phen­film-Welle schwappt nun auch Hard Rain in unsere Kinos. Ursprüng­lich The Flood betitelt, möchte der Verleih mit der Namen­sän­de­rung und dem verzö­gerten Start dieses Elaborat nun von den Desaster-Schinken distan­zieren (die sich als weit weniger lukrativ als erwartet erwiesen haben) und vornehm­lich als Action-Stück vermarkten. Besser wird der Film davon aller­dings auch nicht.

Der Fahrer eines Geld­trans­por­ters (Christian Slater), ein im Herzen guter Ganove (Morgan Freeman) und seine weniger guten Kumpanen, die den Trans­porter über­fallen, ein richtig böser Sheriff (Randy Quaid) und eine richtig putzige Kirchen­re­stau­ra­torin (Minnie Driver) sind in Hunting­burg, einer über­schwemmten Klein­stadt im Mittel­westen, einge­sperrt; das Wasser steigt, dem Damm ist auch schon schlecht (er droht zu brechen), blah blah, Schießerei, Wasser, Romanze, blah blah.
Das Ganze läuft genau so ab, wie Sie es sich jetzt selbst denken können, wenn Sie in ihrem Leben mehr als zwei Stunden ameri­ka­ni­sche TV-Serien gesehen haben; und das alles mit gehörigem Aufwand, viel Span­nungs­hu­berei und weit­ge­hendst herz- und hirnlos in Szene gesetzt.
Was soll’s. Wer meint, daß er oder sie’s braucht – bittschön.

Zwei Dinge aber fand ich inter­es­sant.
Zum einen die Tatsache, daß ein Film wie Hard Rain von vorn­herein nur noch unter »ferner liefen« vermarktet wird; daß er – ohne große Kampagne und ohne viel Stolz – als kleiner Action-Snack für zwischen­durch, fast schon als B-Picture auftritt. Und das ange­sichts eines immensen Produk­ti­ons­auf­wands. $80 Mio. hat das filmische Wasser-Werk verschlungen; eine komplette Klein­stadt wurde in einem Flug­zeug­hangar nach­ge­baut und schritt­weise künstlich über­flutet. Als Eröff­nungs­se­quenz gibt es eine minu­ten­lange, unun­ter­bro­chene Kame­ra­fahrt über das Flut­ge­biet, die in einer Groß­auf­nahme eines Poli­zisten in Hunting­burg endet: Diese Sequenz allein muß, unter Einsatz modernster digitaler Trick­technik, mona­te­lange Arbeit in Anspruch genommen haben.
Noch vor 20 Jahren wäre eine ähnliche Kame­ra­fahrt revo­lu­ti­onär gewesen, hätte das Publikum ungläubig staunen lassen und die Kritiker endlos beschäf­tigt. Heute nimmt man sie, wie auch den übrigen Aufwand, beiläufig hin. Soetwas ist inzwi­schen in Hollywood »business as usual« – das macht man eben mal so für einen Möch­te­gern-Block­buster.
Daß der ganze Aufwand niemanden mehr berührt, liegt auch daran, daß er schon längst keinem vertret­baren, künst­le­ri­schen Zweck mehr dient – hinter der beein­dru­ckenden HiTech-Fassade herrscht beängs­ti­gende geistige Öde. Bunt, laut und schnell muß alles sein; mehr an ästhe­ti­schem Konzept gibt es nicht. Für ein Projekt wie Hard Rain werden Unsummen Geld und zahlloses tech­ni­sches Talent verpul­vert, ohne daß jemand auch nur mit der Wimper zuckt und erst mal sagt: »Leute, dieses Drehbuch ist erbärm­li­cher, unin­spi­rierter Mist.«
Und das ist gruselig.

Aber – und damit wären wir bei Punkt zwei – einen wunder­baren Moment hat der Film, und der erwächst ausge­rechnet aus einer seiner uner­freu­lichsten Facetten. Im mißlun­genen Bemühen um »Comic Relief« leistet sich Hard Rain eine Neben­hand­lung um ein altes Ehepaar (darge­stellt von Richard Dysart und Betty »Golden Girl« White), das den ach-so-lustigen Stereo­typen von »Alter Haus­drache« und »Armer, geplagter Mann« gehorcht. Die beiden – für den Film nie mehr als verhöhnte, zwei­di­men­sio­nale Klischee­fi­guren – werden in die Gangs­ter­ge­schichte verwi­ckelt und schließ­lich, nach einigen bedroh­li­chen Momenten, inmitten der Fluten in der relativen Sicher­heit eines Baum­geästs zurück­ge­lassen. Dort sieht die Frau dann ein, daß sie schon immer auf ihren Mann hätte hören sollen, und verspricht ihm Besserung.
Vom Drehbuch war das wohl als Pointe gedacht, mit der sich dieser Erzähl­strang unter dem Gelächter des Publikums aus dem Film verab­schiedet. Aber die Schau­spieler haben es sich subver­siver Weise erlaubt, diesen Moment ernst zu nehmen; und wie die kalkweiße Betty White, das dünne Haar vom Wasser an den Schädel geklebt, sich verzwei­felt an ihren Partner klammert, da sieht man plötzlich keine konstru­ierte Witzfigur mehr, sondern einfach nur einen alten, müden Menschen; da spricht aus ihr eine solche Resi­gna­tion, Angst und Trauer, daß man von diesem völlig uner­war­teten Augen­blick der Wahr­haf­tig­keit inmitten all der über­drehten, maschi­nen­haften Künst­lich­keit des übrigen Films wie vom Blitz gerührt im Kino­sessel zusam­men­fährt.
Dieses Aufblitzen von Mensch­lich­keit läßt freilich den Rest von Hard Rain nur um so falscher und über­flüs­siger erscheinen; aber offen­sicht­lich haben auch die Filme­ma­cher gespürt, daß sich in dieser Szene etwas Magisches ereignet hat. Denn sie verweilen auf diesem Moment einige Sekunden länger, als es der Rhythmus eigent­lich diktiert hätte.
Und das ist sehr schön.