Goyas Geister

Goya's Ghosts

Spanien/USA 2006 · 114 min. · FSK: ab 12
Regie: Milos Forman
Drehbuch: ,
Kamera: Javier Aguirresarobe
Darsteller: Javier Bardem, Natalie Portman, Stellan Skarsgård, Randy Quaid, Michael Lonsdale u.a.

Der Maler und der Großinquisitor

Keine Frage: Der spanische Maler Francisco Goya (1746-1828) ist einer der größten, einfluss­reichsten Künstler der Moderne. Es liegt nahe, von diesem Leben auch in Form eines Kinofilms zu erzählen. Die Lebens­zeit des Malers zwischen Abso­lu­tismus, fran­zö­si­scher Revo­lu­tion, napo­leo­ni­schem Zeitalter und Restau­ra­tion besitzt bereits viel äußer­liche Dramatik. Doch auch Goyas eigenes Leben enthält viel Stoff für einen abwechs­lungs­rei­chen Film: Goya gehörte als Hofmaler schon früh zu den besseren Kreisen der Madrider Gesell­schaft, doch war er durch seine zum Teil massen­haft verbrei­teten Druck­gra­fiken auch beim Bürgertum populär. Und zeit­le­bens erregte er mit seinen obszönen, brutalen, blas­phe­mi­schen Bildern immer wieder Anstoß bei der in Spanien damals noch sehr leben­digen Inqui­si­tion – in der Termi­no­logie der heutigen Zeit war Goya jugend­ge­fähr­dend und gewiß kein Anwalt der »Rückkehr der Werte«, fehlte ihm »ein positives Menschen­bild«.

Milos Forman – seit Amadeus, und dann mit Larry Flint und Man on the Moon, über die man allesamt mit guten Gründen streiten kann, Experte solcher Künstler-»Biopics« – erzählt drei Aspekte dieses facet­ten­rei­chen »Goya-Komplexes«. Natürlich geht es um wichtige Stationen in Goyas Leben, zugleich natürlich auch um die ganze Epoche, um die Ideen und Entwick­lungen, die sie bestimmten. Ein drittes, genauso wichtiges Thema ist aber Goyas Malerei, die Bilder, in denen indi­vi­du­elle Erfahrung und Tendenzen des Zeit­al­ters, zusam­men­fallen. Kern des Films ist somit nicht weniger als eine geschichts­phi­lo­so­phi­sche These, die Behaup­tung der Verschrän­kung von Poli­ti­schem und Persön­li­chem in der Kunst (die der Theorie der Epoche entspricht: Hegel schrieb etwa im gleichen Moment, Kunst sei ihre »Zeit in Erschei­nung gefasst«): Forman begründet sämtliche Themen von Goyas Spätwerk, leitet Wahnsinn, Kriegs­gräuel, soziales Elend, die verzwei­felte Faszi­na­tion für das Dunkle und Abgrün­dige mensch­li­cher Existenz, aus Goyas persön­li­cher Erfahrung ab.

Para­do­xer­weise – aber zumindest hierin Amadeus ähnlich – nähert sich Forman seinem Thema über den Umweg einer zweiten Figur: Es ist gar nicht Goya (Stellan Skarsgård) sondern der dämo­ni­sche katho­li­sche Großin­qui­sitor Lorenzo (Javier Bardem), der im Zentrum steht. Der ist einer­seits ein Fanatiker, der seinen Eifer zuerst in den Dienst der katho­li­schen Gegen­auf­klä­rung stellt, später dann in den Napoleons und der Ideen der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion. Objekt der Begierde für den Maler und den Inqui­sitor ist Goyas Modell Ines (Natalie Portman), der Konflikt ist politisch, wie persön­lich.

Der thema­tisch verschach­telte Film setzt 1792 ein, mit der Inhaf­tie­rung von Ines durch die Inqui­si­tion. Trotz offen­sicht­li­cher Unschuld wird sie zu jahr­zehn­te­langer Kerker­haft verur­teilt. Nach einer Verge­wal­ti­gung durch Lorenzo bringt sie eine Tochter zur Welt, die als Hure in Madrid enden wird. Später landet Ines im Irrenhaus – die Kunst wird bei Forman auch im Melodram geboren. 1808 wird Spanien durch die Truppen Napoleons besetzt. Einer­seits führt dies zu einer Libe­ra­li­sie­rung der Gesell­schaft in Goyas Sinne, zugleich beginnt ein wütender und bedin­gungs­loser Wider­stands­kampf, der Histo­ri­kern rück­bli­ckend als Anfang vom Ende von Napoleons Herr­schaft gilt.

Ein Film über Goya ist Goyas Geister nur indirekt, der Künstler bleibt zu neben­säch­lich, und seinem Werk kommt nur eine Rand­be­deu­tung zu. Statt­dessen arbeitet sich Forman ein weiteres Mal an seinem Lebens­thema, dem Verhältnis von Freiheit und Fana­tismus, ab. Das ist schön anzusehen und hervor­ra­gend gespielt, die Story freilich ist mitunter etwas plakativ und – im Falle Goyas sehr unver­s­tänd­lich – bedau­erns­wert unsinn­lich.