Die glorreichen Sieben

The Magnificent Seven

USA 2016 · 133 min. · FSK: ab 16
Regie: Antoine Fuqua
Drehbuch: ,
Kamera: Mauro Fiore
Darsteller: Denzel Washington, Chris Pratt, Ethan Hawke, Vincent D'Onofrio u.a.
An Plattheit und Humorlosigkeit kaum zu übertreffen

Sechse kommen durch die ganze Welt

»Und als sie ein Weilchen gegangen waren, fanden sie einen Jäger, der lag auf den Knien, hatte die Büchse angelegt und zielte. Sprach der Herr zu ihm: Jäger, was willst du schießen?« Er antwor­tete: »Zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf dem Ast eines Eichbaums, der will ich das linke Auge heraus­schießen.« – »Oh, geh mit mir«, sprach der Mann, »wenn wir drei zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.«
(Grimms Märchen)

Das Western­genre hat in den letzten Jahren erfreu­liche Neube­le­bungen erfahren. Mit Slow West lieferte John Maclean 2015 ein stilles, gerad­li­niges Meis­ter­werk über einen jungen Roman­tiker ab, der auf die harte Realität und den Zynismus des Westens prallt. Mit The Revenant legte 2016 Iñárritu mit einem epischen Über­le­bens­drama nach, bei dem vor allem der packende Hyper-Realismus der Darstel­lung fesselte. Beide Filme über­zeugten mit fantas­ti­schen Schau­spie­ler­leis­tungen.

Nun hat sich der ameri­ka­ni­sche Regisseur Antoine Fuqua (Training Day, Southpaw) an die Neuver­fil­mung des Western­klas­si­kers „Die glor­rei­chen Sieben“ (1960, John Sturges) gemacht. Die Handlung weist Paral­lelen zum Grimm­schen Märchen »Sechse kommen durch die Welt« auf, in dem ein paar schräge Outlaws mit Spezi­al­be­ga­bungen nach und nach rekru­tiert werden, um dann den Königshof aufzu­mi­schen. Das im Western leicht abge­wan­delte Erzähl­muster zeigt den Kopf­geld­jäger Sam Chisolm (Denzel Washington), der den Auftrag annimmt, eine Klein­stadt vor der Armee des skru­pel­losen Unter­neh­mers Bogue (Peter Sarsgaard) zu beschützen. Für sein Himmels­fahrts­kom­mando stolpert ihm eine kuriose Ansamm­lung von zumeist abge­half­terten Killern über den Weg, die er jeweils schnell über­zeugen kann, sich seiner Truppe anzu­schließen. Dieses schnell ermüdende Casting ist an Plattheit und Humor­lo­sig­keit kaum zu über­treffen, auch wenn die Mischung der Charak­tere bezüglich Hautfarbe und Eigen­schaften (Spieler, Scharf­schütze, Spuren­leser, Messer­werfer etc.) aufs Beste sortiert ist. Wer kann darüber lachen, dass der Indianer dem Kopf­geld­jäger Chisolm frische Innereien zur Besie­ge­lung der neuen Freund­schaft anbietet, die dieser tapfer herun­ter­würgt?

So nimmt die Handlung – Ankunft im Dorf, Vorbe­rei­tungen zum Kampf, die epische Schlacht – seinen bere­chen­baren Verlauf, was ja keinen Western­lieb­haber stören würde, wenn man dahinter käme, was Fuqua an der Neuauf­lage des Stoffes gereizt hat. Außer der zeit­li­chen Auswei­tung der logis­ti­schen Vorbe­rei­tung auf den Kampf und die folgenden Action­szenen, die aller­dings auch keine neuen Standards setzen, natürlich. Kein Schau­spieler, mit Ausnahme von Peter Sarsgaard als erbar­mungs­losem Super­schurken, kann in diesem Film ausspielen, was er drauf hat. Auch nicht Denzel Washington, der am meisten Spielzeit bekommt, aber völlig unin­spi­riert und ohne Charisma durch dieses Genre schleicht, wie auch Chris Pratt, der seinem Revol­ver­helden keine klare Kontur geben kann. Womit wir bei den Paral­lelen zu Taran­tinos The Hateful 8 (2015) wären, wo sich auch ein großes Ensemble von kuriosen Helden die Bühne teilen muss, wo dies aber wesent­lich witziger, sprit­ziger insze­niert ist und einzelne Schau­spieler funkeln können.

Man muss gar nicht den Vorläufer von 1960 heran­ziehen, um zu sehen, dass alle Themen jenseits der großen Ballerei verschenkt werden. Das Verhältnis der Dorf­be­wohner zu ihren Rettern zum Beispiel, wo sich Sympa­thien und gegen­sei­tige Wert­schät­zung in kleinen Minia­turen zeigen ließe. Oder das völlig brach liegende roman­tisch-erotische Potential, welches die schöne Witwe (Haley Bennett) bietet (es muss ja nicht gleich das happy ending à la Horst Buchholz sein, der in der Sturges-Version nach dem Kampf bei seiner neuen Liebe bleibt). Auch der Versuch der psycho­lo­gi­schen Tiefen­boh­rung in Gestalt von Goodnight Robi­cheaux (Ethan Hawke), einem Meis­ter­schützen, der nicht mehr schießen will, wirkt angeklebt und aufge­setzt. Selbst das Retter­team wirkt im Mitein­ander seltsam bezie­hungs- und leblos. Zu mehr als einem müden Kalauer reicht es zwischen dem passio­nierten India­ner­skal­p­jäger (Vincent d’Onofrio) und seinem india­ni­schen Antipoden (Martin Sensmeier) nicht, wenn sie in der Bar aufein­ander treffen. Was hätte ein Tarantino da an Spannung aufbauen können …

Natürlich bleibt das übliche Western­mo­bi­liar, das manchen Western­lieb­ha­bern viel­leicht schon Grund genug ist, sich den Film doch anzu­schauen: Pferde, Hüte, wilde Ritte, fiese Schurken, Kopf­geld­jäger und Gauner, die ihr Herz am rechten Fleck tragen, Schieße­reien satt. Viel­leicht wird eine Szene aber länger im Gedächtnis bleiben: Als Bogue und seine Leute, nachdem die Schlacht für sie schon verloren scheint, eine Gatling-Gun, einen Vorläufer der Maschi­nen­ge­wehre, einsetzen und minu­ten­lang die ganze Klein­stadt gnadenlos nieder­bal­lern – da scheint auf eindrucks­volle Weise ein neues Zeitalter der Kampf­füh­rung auf, eine Zeit, in der das schnelle, elegante Ziehen des Revolvers nicht mehr ausrei­chen wird, um das Böse zu besiegen.