Der General

The General

Irland 1998 · 126 min. · FSK: ab 16
Regie: John Boorman
Drehbuch: ,
Kamera: Seamus Deasy
Darsteller: Brenda Gleeson, Adrian Dunbar, Sean McGinley

Ein Held der Arbeit

Martin Cahill war ein moderner Robin Hood: Er stahl von den Reichen und gab sich selbst

Wie wird man zum Held? In Irland? Bereits in der ersten Szene von The General gibt Regisseur John Boorman seine Antwort: Man wird erschossen.

Martin Cahill war nicht nur Irlands größter Gangster, er war ein Rebell und als solcher eine arche­ty­pi­sche Figur seiner Heimat. Denn wo Briten, katho­li­sche Kirche und IRA ein mafioses Regiment führen, kann einer nur frei sein, wenn er Gangster wird. Darum ist The General wie jeder gute Gangs­ter­film in erster Linie eine Sozi­al­studie.
Erzählt wird eine wahre Geschichte aus dem Dublin der 50er Jahre: Martin Cahill ist jung, arm und er hat keine Lust, sich von den Verhält­nissen in eine vorher­seh­bare Karriere als Sozi­al­hil­fe­empfänger zwingen zu lassen. Hilfe kann er nicht erwarten, die Polizei läßt seine Wohnung nieder­reißen, und die Kirche ist schein­heilig und korrupt. Was bleibt? Er wird Einbre­cher. Boorman zeigt Cahill als einen Verbre­cher mit solider Berufs­auf­fas­sung. Abends geht er zur Arbeit – und Stehlen ist harte Arbeit, erst recht, wenn man dabei moralisch sauber bleiben will und mit der Polizei (Jon Voight verkör­pert eindrucks­voll Cahills Gegen­spieler) sein privates Katz- und Maus-Spiel treibt.

Brendan Gleeson spielt Martin Cahill als gutmü­tigen Teddybär. Tapsig, lieb und sorgsam um die Seinen bemüht, verrichtet dieser Kino-Gangster sein Handwerk. Noch das Aussehen des Haupt­dar­stel­lers beglau­bigt die Authen­ti­zität von John Boormans Story: Kein schöner Held, dafür ein echtes Gesicht. Weich sind Gleesons Züge, und die Sensi­bi­lität die er ausstrahlt, überzeugt nicht nur die Zuschauer – die diesen Typ erst einmal als positive Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur akzep­tieren müssen – sie macht auch die Robin-Hood-Attitude glaubhaft, mit der Cahill Geld an die Armen verteilt, und auf der er seine Position unter seinen eigenen Leuten gründet. Cahill ist charmant und er hat Stil.
Aber er ist auch ein brutal-auto­ritärer Macht­mensch. Boorman erliegt nicht den Klischees vieler Gangs­ter­filme. Entweder erklären diese ihre Figuren zu Volks­feinden, die in großer Jagd zur Strecke gebracht werden müssen. Oder sie sind klamm­heim­liche »good guys«, treu­sor­gende Fami­li­en­papas, die trotz aller Geset­zes­brüche Recht und Ordnung schätzen, und im Grunde nichts anderes im Sinn haben, als daß es den Kleinen einmal besser geht.
Boorman ist sicher näher an der zweiten Variante, doch versucht er einen »dritten Weg«: Sein düsteres, ambi­va­lentes Gangs­ter­por­trait zeigt einen Arbeiter, der bieder und mühselig im Schweiße seines Ange­sichts das Geld verdient (60 Millionen US-Dollar sollen es im 'wahren Leben' gewesen sein). Und er ist das Resultat der korrupten irischen Verhält­nisse. Auf seinen Diebes­zügen und in den Gerichts­sälen begegnet dieser Outlaw (und damit die Zuschauer) allen »In-laws«, allen Prot­ago­nisten der irischen Gesell­schaft. Auch Cahill selbst will auf der einen Seite nichts anderes als den Aufstieg. Er lebt mit Familie in einem netten, gutbür­ger­li­chen Viertel, züchtet Tauben und macht es sich abends auch 'mal vor dem Fernseher gemütlich.
Ande­rer­seits ist er aber das Gegenteil: Eine typische Boorman-Figur, der ein extremes, heid­ni­sches Leben führt, der seine eigenen Gesetze macht und brutal voll­streckt, und den es vor allem nach Freiheit dürstet. Selbst von der eigenen Moral: Denn zu seiner Familie gehört auch die Schwester seiner Frau, mit der Cahill ein Verhältnis hat.

Boorman filmt all das in verfüh­re­ri­schem, elegantem Schwarz­weiß. Bei ihm erklären Bilder, nicht kleine dumme Dialoge die Geschichte. Erst am Ende zollt er den Genre­kli­schees einmal Tribut: da braucht der Verbre­cher seine »verdiente Strafe« und wird ganz kühl von einem IRA-Killer erschossen.