Fußball ist unser Leben

Deutschland 1999 · 97 min. · FSK: ab 12
Regie: Tomy Wiegand
Drehbuch: ,
Kamera: Christian Nauheimer
Darsteller: Walter Gontermann, Uwe Ochsenknecht, Oscar Ortega Sánchez, Ralf Richter u.a.

Im Land der VoKuHiLas

»Was meine Frisur betrifft, da bin ich Realist.« Rudi Völler

Eigent­lich sind sie ja schon ausge­storben, dachte man, denn selbst wenn man sich ins Münchner Hasen­bergl, nach Berlin-Treptow, Hamburg-Harburg oder auch nach Dortmund begibt, sieht man kaum noch welche: VoKuHiLas. Die Herren mit den Frisuren, die vorne kurz, hinten lang sind, trugen meist noch den beliebten OLiBa, gleichsam die Zierde eines wahren Mannes: den Schnauzer. In den Acht­zi­gern hatten Sie ihre Hoch-Zeit, doch es gibt sie noch immer – zumindest im Film von Tomy Wiegand, der mit Fußball ist unser Leben sein Kinodebüt hinlegte.

Uwe Ochsenk­necht spielt darin ein VoKuHiLa-Pracht­ex­em­plar mit dem Namen Hans Pollak, und dieser Pollak ist das, was man eben heute in Gelsen­kir­chen ist: arbeitslos und Schalke-Fan. Gerade hat er die Entbin­dung seiner Frau verpaßt, weil er natürlich im Stadion stehen muß, um mit seinen »Dios-Knappen« Pablo Antonio »Dio« Di Ospeo, den Liebling des Vereins, anzu­feuern. Doch der Liebling legt in letzter Zeit die Moti­va­tion eines alten Wasch­lappen an den Tag und bis auf die »Dios-Knappen« wollen ihn die Fans deswegen nicht mehr auf dem Spielfeld sehen. Zudem verdichten sich die Gerüchte um den Wechsel von Dios nach Mailand, und einen »Judas« konnte man noch nie »auf Schalke« gebrau­chen. Den Knappen ist klar, daß Dios einen deut­li­chen Moti­va­ti­ons­schub braucht und so besuchen sie ihn, um ihm etwas mora­li­sche Unter­s­tüt­zung zu geben – was mit der eher unfrei­wil­ligen Entfüh­rung des Fußball­stars endet. Aber Pollak ist jetzt eines klar: der Dios braucht ein Spezi­al­trai­ning, zu dem nur er fähig ist.

Verblüf­fend an Fußball ist unser Leben ist die für deutsche Film-Verhält­nisse höchst sympa­thi­sche Schil­de­rung seiner prole­ta­ri­schen Haupt­fi­guren. Pollak und seine Fan-Clique werden nicht als hohle Prolls gezeichnet, sondern sehr liebevoll porträ­tiert. Man hat dies, vor allem den Darstel­lern, wie Ochsenk­necht und Ralf Richter, zu verdanken, und ihre mensch­liche Komik ist die besondere Stärke des Films. Wenn Pollak Dios klar macht, daß es in Zukunft mit dem Koksen aus sein muß oder er am Ende aufgrund der absolut aussichts­losen Situation den Freitod wählt, erlebt man seltene Momente von Komik im deutschen Film, und man sieht, daß Ochsenk­necht deutlich besser schau­spielt als singt. Das hat zwar nichts mit großem Schau­spiel zu tun, doch die Kamera »liebt« einfach seine Fresse. Die Geschichte hat ebenso ihren Charme, wenn sie auch ab und an ihre fehlende Plau­si­bi­lität nicht gut verbergen kann. Unan­ge­nehm stoßen aller­dings Musik und Schnitt auf. Ganz unpassend zur kleinen Geschichte wurden ein paar sehr albern hitpa­ra­den­kom­pa­tible Songs für den Film ausge­wählt. Die Fußball-Szenen sind zwar sehr gelungen montiert, doch der Schnitt will uns selbst in einem eher ruhigen Gespräch zwischen Pollak und einem Bank­an­ge­stellten klar machen, daß wir es hier, mit einem schnellen, fetzigen Film zu tun haben. Abgesehen davon, daß das keinen beson­deren Sinn macht, zeugt dies von einem bestimmten Drang zu Größe und Durch­schnitts­ge­schmack, den der Regisseur Wiegand viel­leicht auch gegenüber den Produ­zenten demons­trieren mußte, doch genau das versalzt die Komö­dien­suppe ein wenig.

Bei den Produ­zenten bzw. beim Verwer­tungs­zu­sam­men­hang des Films wird es eigent­lich erst richtig spannend. Produ­ziert wurde der Film nämlich u.a. von »SevenPic­tures« einer Tochter von – man ahnt es kaum – Pro Sieben. »SevenPic­tures« wiederum hält die Hälfte des Verleihs »SevenX«, der mit Fußball ist unser Leben seinen ersten Film in die Kinos bringt. Ach ja die Kinos: die andere Hälfte des Verleihs gehört der Cinemaxx AG; jetzt raten Sie mal, in welchen Kinos der Film laufen wird! »Cinemaxx« höre ich alle rufen (in München »Maxx«) – doch das ist nur teilweise richtig, denn – auch die UFA und Kieft & Kieft sind Partner des »SevenX«-Verleihs (wieso eigent­lich sieben, wer sind denn die anderen drei Xe?), also bekommt man Fußball ist unser Leben, auch in den »UFA-Palästen« und in den »CineStars« zu sehen. Die Werbung zum Film läuft vor allem auf Pro Sieben und auf dem Kirch-eigenen Sport­kanal DSF, dort natürlich besonders im Magazin »Auf Schalke«. Das klingt erstmal nach einem kleveren Bündnis von großen Partnern, und um deutsche Filme aus der Misere der Film­för­de­rungs­struktur zu holen, ist das sicher auch ein probates Mittel (die Film­för­de­rungs­richt­li­nien werden übrigens geändert: wie Staats­mi­nister Naumann am Dienstag bekannt gab, sollen bis 2003 die Gelder des Bundes von 15,5 Millionen auf 21 Millionen erhöht werden, wobei die Büro­kratie abgebaut werden soll – schön).

In diesem Sinne ist dem Unter­nehmen nur viel Erfolg zu wünschen. Doch irgendwie beschleicht einem ein komisches Gefühl, wenn dieser Tage der Mega-Fusionen auch die Namen Kirch, Flebbe und UFA zusam­men­rü­cken, zumal es mit einem Produkt geschieht, daß sich den (Sports-)Geist des kleinen Mannes auf die Flaggen geschrieben hat, daß von den wahren Werten und Tugenden (des Sports) wie Fleiß, Ausdauer und Anstand erzählt. An Tagen an denen Cinemaxx und die UFA über eine Koope­ra­tion nach­denken, weil die Multiplex-Dichte in Deutsch­land so hoch ist, daß man schon wieder ein paar dicht machen müßte, werden die Motive für derartige Elefan­ten­hoch­zeiten klar. Egal wie das alles ausgeht, die Vielfalt des Kinos wird dadurch natürlich nicht gefördert. Bitter ist unter diesen Vorzei­chen der Beige­schmack der Botschaft von Fußball ist unser Leben: entdecke dein Herz und deinen Kamp­fes­willen wieder und alles wird gut. Das Verhältnis von der Mähr vom »ehrlichen« Fußball der elf Freunde und der Liga, deren Vereine an die Börse gehen werden, entspri­chen dem Verhältnis des Films zu seinem Verwer­tungs­zu­sam­men­hang. Bleibt zu hoffen, daß die Großen bei der Verfol­gung ihrer Ziele – ob im Fußball oder sonstwo – nicht mit der Einstel­lung so mancher wahren »Sports­männer« zu Werke gehen: »Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigs­tens den Rasen kaputt.«