Frau Rettich, die Czerni und ich

Deutschland 1998 · 101 min. · FSK: ab 6
Regie: Markus Imboden
Drehbuch: ,
Kamera: Benedict Neuenfels
Darsteller: Martina Gedeck, Jeanette Hain, Iris Berben, Olli Dittrich u.a.

Scheitern an der eigenen Mittelmäßigkeit

Auch ein Simone-Borowiak-Drehbuch endet nur als landes­üb­liche Kinokunst

Nachdem die SZ schon eine erneute Krise des deutschen Filmes ausrufen ließ, da ja in den letzten Monaten die Markt­an­teile wieder gefallen sind und dies­jäh­rige Werke, wie Das Trio oder Widows, bereits ungesehen in den Archiven schimmeln, starten nun die nächsten unge­hol­fenen Versuche, den Kino­kas­sen­rei­bach für die heimische Industrie zu gewinnen. Daß der Feuille­tons-Seufzer »Immer nur Komödien!« definitiv die falsche Reaktion auf die neue deutsche Kinowelle ist, sondern »Ausge­rechnet Komödien!« lauten sollte, kann man derzeit an Frau Rettich, die Czerni und ich fest­stellen. Denn auch, wenn die Buch­vor­lage bril­li­ante Komik enthält, hat sie auf dem Weg zur Premiere noch viele Gele­gen­heiten gründlich vermurkst zu werden.

»Oh, Deutsch­land, du fernes beklopptes Vaterland...nie warst du mir näher als hier, im spani­schen Staube.«
Simone Borowiaks Reise­roman »Frau Rettich, die Czerni und Ich« gehört zu den seltenen Exem­plaren moderner Literatur, die zu lautem Lachen anregen. Aller­dings drängt sich das Buch mit seinem dreisten, hessi­schen Humor eben­so­wenig zur Verfil­mung auf, wie Borowiaks meis­ter­li­cher Schund­roman »Baroneß Bibi« oder ihre hinreißende Gedicht-Serie »Hessen trauert um...«. Die Texte der Dame, die bisher haupt­säch­lich durch ihre Titanic-Beiträge bekannt war, sind zu verspielt, zu albern und gleich­zeitig viel zu gescheit, um an die gierigen Finger der Vorabend­se­ri­en­spaß­ma­cher verschwendet zu werden. Andrer­seits haben herz- und seelen­lose Produ­zenten ja bereits Ralph Königs »Bewegten Mann« auf das Level von Hera Lind und Ingrid Noll runter­ge­schraubt. Da müßte auch »Frau Rettich...« zu verfla­chen sein.

Frau Rettich, frisch geschwän­gert, reist ihrer Vermäh­lung in Spanien entgegen. Begleitet wird sie von der sarkas­ti­schen Sophie und der etwas umständ­li­chen Czerni, die des Urlaubs wegen sogar ihren bärtigen Freund in Frankfurt zurück­läßt. Die Rettich ist die welt- und liebes­er­fah­renste der drei Damen und somit auch gern der Mittel­punkt jeglicher Art von Drama, vor allem als sich die geplante Hochzeit, gar nicht als die ihre heraus­stellt. Nebenbei ergattern sich aber auch die unbe­darften Assis­ten­tinnen ihre kleinen Erleb­nisse. Sophie begegnet auf der Fahrt ihrem Frank­furter Lieb­lings­nach­barn wieder, und die Czerni entdeckt, daß es auch außerhalb der hessi­schen Gewerk­schafts­ju­gend Männer gibt. Ihr Freund, »der Bart«, der ihr nach­ge­reist ist, will aber um sie kämpfen, was bei einem derart sozi­al­päd­ago­gisch bebar­teten Mann extrem lächer­lich wirkt. Zum Schluß kriegen alle Betei­ligten Kinder – ein echtes Marken­zei­chen landes­üb­li­cher Kinokunst.

Mit Martina Gedeck und Jeanette Hain, die in ihren tolpat­schigen Gouver­nan­ten­rollen als Sophie und Czerni einfach zu flott und schön sind, wurden ausge­rechnet die beiden einzigen kino­t­aug­li­chen Gesichter des Filmes fehl­be­setzt, und Iris Berben, die für die Rolle der aufge­ta­kelten, melo­dra­ma­ti­schen Rettich ideal erscheint, wirkt unscharf, »Out of focus« wie es im neuen Woody Allen Film heißt, wo ein Filmstar von keiner Kamera mehr deutlich ins Bild zu kriegen ist. Frau Berbens jahre­lange Fern­seh­dar­stel­lerei hatte seine guten Gründe; nicht jeder kann die große Leinwand ausrei­chend füllen. Die beiden größten Männer­rollen wurden von der Autorin nach­träg­lich in die Geschichte gewoben. Da der Roman sich darauf beschränkt, kolum­nen­haft vor sich hinzu­frot­zeln, war ein bißchen mehr Plot­ent­wick­lung für den Film nötig. Diese Idee scheitert spätes­tens dann, wenn der noto­ri­sche Thomas Heinze ins Spiel kommt. Wie einst Peter Alexander, Hansi Kraus und Mike Krüger ist Heinze als Komö­di­en­dar­steller nur ein übles Gerücht, diesmal über­treibt er wenigs­tens nicht so schamlos wie in Das Superweib oder Allein unter Frauen. Fern­seh­ko­miker Olli Dittrich als »der Bart« ist sichtlich bemüht, seine erste Charak­ter­rolle gut auszu­füllen. Wenn er wild­fremde Frauen angräbt, blitzt kurz eine größere Komödie auf: »Darf ich sie zu einem Frei­ge­tränk ihrer Wahl einladen?«. »Bart«, ein echter Phänotyp des deutschen Lehrers, scheitert da an seiner eigenen Mittel­mäßikeit. Das gönnt der Zuschauer ihm einer­seits (sein Bart ist wirklich blöd), und ande­rer­seits erweckt es Mitleid. Leider werden Dittrich in dieser Szene Hain und Heinze zur Seite gestellt, die sogleich dem Publikum das Gelächter vormachen, Barts Worte sogar wieder­holen. Unklar bleibt außerdem, warum Martina Gedeck am Ende zu ihm und seinen Pullun­dern zurück­kehrt, anstatt mit ihrem spani­schen Hengst in den Sonnen­un­ter­gang zu reiten.
Bartwitze, Betrach­tungen über die Minder­wer­tig­keit des fran­zö­si­schen Volkes im Vergleich zum spani­schen, und Sätze wie »Bei einer Geburt muß es zugehen wie in der Wurscht­küche«, lassen den Dialog manchmal wie geschmiert dahin­flut­schen, bei der Häufung solcher Sprüche tritt die Geschichte aber auf der Stelle, was dem Roman einfach wurscht ist, dem Film schlecht bekommt. Die Gast­auf­tritte von Fern­seh­ge­sich­tern wie Dirk Bach und Badesalz richten zusätz­lich Schaden an und markieren abermals den Unter­schied zwischen tita­ni­schem Humor und Film­hoch­schüler-Horizont. Swimming-Pools sind hier zum Rein­fallen da, Männer zum Hinein­ver­lieben, Frauen zum schwanger werden. Ein fabel­haftes Buch endet als verhu­delte, unförmige Bezie­hungs­gro­teske. Der deutsche Film erinnert immer mehr an Klinsmann: Die schönsten Chancen werden kläglich vergeben.