The First Slam Dunk

Japan 2022 · 124 min. · FSK: ab 12
Regie: Takeshiko Inoue
Drehbuch:
Musik: Satoshi Takebe
Schnitt: Ryûichi Takita
Ein Team, fünf Geschichten...
(Foto: Plaion Pictures / Wild Bunch)

Basketball als Therapie

Takehiko Inouos fünft-erfolgreichste Anime aller Zeiten funktioniert als Sport- und Familienfilm genauso gut wie als Pre-Sequel der großen Basketball-Manga aus den 1990er Jahren

Das gleich vorweg: Selbst ohne Kenntnis der von 1990 bis 1996 in Japan erschie­nenen 31 Sammel­bände der Mang­avor­lage lässt sich The First Slam Dunk, fast ohne Abstriche als aufre­gender Anime genießen. Allein etwas Interesse für Basket­ball oder Sport sollte vorhanden sein, dürfte das wohl auch der Garant für den großen Erfolg dieses Films gewesen sein, der recht­zeitig vor der Basket­ball­welt­meis­ter­schaft in Japan, Indo­ne­sien und den Phil­ip­pinen 2023 in die Kinos Südostasiens kam. Denn Basket­ball, das sollte man nicht vergessen, zählt in Südostasien zu den ganz großen Leits­port­arten und wird auch in diesem Anime nicht einfach nur darge­stellt, sondern regel­recht zele­briert.

Aber Takehiko Inouo, der nicht nur der Autor der Manga-Vorlage ist, sondern auch Regisseur und Dreh­buch­autor der mit dem renom­mierten Japan Academy Preis ausge­zeich­neten filmi­schen Anime-Adaption, belässt es nicht einfach beim Basket­ball und der Geschichte einer unter­be­wer­teten japa­ni­schen High-School-Mann­schaft und einer filmi­schen Kurz­zu­sam­men­fas­sung des epischen Manga-Werks. Statt­dessen erweitert er den Charakter Ryota Miyagis, der im Manga erst später und gar nicht so zentral einge­führt wird, zur tragi­schen Haupt­person, die durch den frühen Tod des älteren und viel begab­teren Basket­ball­spie­lers so stark trau­ma­ti­siert wird, dass für ihn Basket­ball immer wieder auch Konfron­ta­tion mit dem eigenen Trauma ist, eine Wieder­be­geg­nung mit dem toten Bruder, der nicht nur Vorbild, sondern über­mäch­tiges Vorbild war, über das er allein schon wegen des frühen Todes des Bruders nie hat hinaus­wachsen können.

Deshalb muss Rota in diesem unge­wöhn­li­chen Format einer Pre-Sequel sein Basket­ball­spiel als Trau­er­ar­beit insze­nieren und gleich­zeitig in einer Mann­schaft funk­tio­nieren, die ebenfalls aus versehrten Charak­teren besteht, für die das Einzel­spiel mehr als das Mann­schafts­spiel zählt. Inouo gelingt es hervor­ra­gend, dieses Team aus Ego-Shootern charak­ter­lich während nur eines, jedoch entschei­denden Spiels, zu entfächern und komplexe Coming-of-Age-Geschichten zu erzählen.

Anders als in Ghibli-Filmen, die oft mit histo­ri­schen Facetten arbeiten oder Makoto Shinkais Suzume (2022) oder Your Name (2016), in denen gegen­wär­tige Geschlechts­iden­ti­täten oder Multi­verse-Optionen verhan­delt werden, bleibt The First Slam Dunk ganz seinem sport­li­chen Thema und klas­si­schen Bezie­hungs­kon­stel­la­tionen verpflichtet, spielt das »andere« Geschlecht oder eine »andere« Welt keine Rolle.

Doch ganz gegen­warts- und ausschließ­lich sport-fokus­siert ist auch The First Slam Dunk nicht, nimmt sich auch Takehiko Inouo Zeit für Ruhe und Poesie, werden die leeren Basket­ball­felder genauso intensiv und poetisch animiert wie ein Mond in einer Pfütze, und wird vor allem die innere Geschichte der Helden während des Spiels in einem Bewusst­seins­strom illus­triert, der in seiner Inten­sität und Expe­ri­men­tier­freu­dig­keit an die lite­ra­ri­schen Ursprünge dieser Lite­ra­tur­technik bei John Dos Passos und James Joyce erinnern.

Die Inten­sität, die Inouo seinen Charak­teren und ihre Entwick­lung verleiht, wirkt aller­dings ein wenig stief­müt­ter­lich, sieht man sich die Sport­se­quenzen an, in denen Basket­ball wie eingangs schon geschrieben nicht einfach nur darge­stellt, sondern zele­briert wird. Aber auch das trifft es eigent­lich nicht wirklich, gelingt Inouo im Grunde das, was er auch mit seinem Personal macht. So wie er ihre Charak­tere bloßlegt, legt er auch den Charakter des Basket­balls bloß, bindet er Taktik, Stra­te­gien und Spie­ler­per­sön­lich­keiten und vor allem geschei­terte und erfolg­reiche Spielzüge derartig subtil und hyperreal mit ein, dass sie mehr zeigen, als es jede Fern­sehü­ber­tra­gung oder eine an sich souveräne Komödie wie Bobby Farrelys Champions zeigen kann. Es ist die Seele des Sports, die spürbar, die sichtbar wird und das, was Sport am Ende auch immer sein kann – eine Kultur­technik, die kranke Seelen zu gesunden Menschen formt, die sich damit nicht mehr nur indi­vi­duell, sondern auch als Mann­schaft arti­ku­lieren können.