Escape to Life – Die Erika und Klaus Mann Story

Escape to Life

GB/D/F 2000 · 85 min. · FSK: ab 12
Regie: Andrea Weiss, Wieland Speck
Kamera: Uli Uli Fischer
Darsteller: Christoph Eichmann, Maren Kroymann, Cora Frost, Jean Loup u.a.

Zwillingsgleiches Geschwisterpaar

Eine Doku­men­ta­tion über das Leben der beiden ältesten Kinder Thomas Manns

Literatur und Emigra­tion, poli­ti­sches Enga­ge­ment und Homo­se­xua­lität, das Einge­bun­den­sein in die unver­gleich­liche und doch so reprä­sen­ta­tive Schrift­stel­ler­fa­milie Mann und die lebens­langen Versuche, sich vom Druck dieses Erbes zu befreien – vieles mischt sich im Schicksal von Klaus und Erika Mann. Vor der Vertrei­bung im Jahr 1933 schienen sie für die Öffent­lich­keit unzer­trenn­lich, ein zwil­lings­glei­ches Geschwis­ter­paar, dass künst­le­risch an gemein­samen Büchern und Thea­ter­pro­jekten arbeitete, aber auch zusammen reiste, und sich in denselben Freun­des­kreisen bewegte. Später wurde das Verhältnis kühler, doch im poli­ti­schen Kampf gegen Hitler und für das andere Deutsch­land traf man sich wieder.

In der Doku­men­ta­tion Escape to Life (nach Klaus Manns Buch über die Situation von Emigranten), in der sie jetzt das Leben dieser unge­wöhn­li­chen Menschen nach­ge­zeichnet haben, lassen die Kultur­his­to­ri­kerin und Doku­men­ta­ristin Andrea Weiss und Wieland Speck vor allem die Quellen sprechen. Die Filme­ma­cher vermi­schen Spiel­szenen mit Origi­nal­do­ku­menten, wie schrift­li­chen Aufzeich­nungen oder dem berühmten Interview, dass Erika kurz vor ihrem Tod dem Kritiker Fritz J. Raddatz gab. Nicht immer über­zeugen die arg manie­riert und thea­tra­lisch geratenen Spiel­szenen, zumal diese zumeist nur als Illus­tra­tion der jewei­ligen Zitate einge­setzt sind. Thea­tra­lisch ist auch die Geste, diese Auftritte mit Christoph Eichhorn, Cora Frost und Maren Kroymann ausschließ­lich mit Schau­spie­lern zu besetzen, die sich – wie die Geschwister Mann – offen zu ihrer Homo­se­xua­lität bekennen.

Unge­achtet dieser weniger geglückten Abschnitte überzeugt der Film insgesamt durch sensible Einfüh­lung, Intel­li­genz und dichte Atmo­s­phäre. Auf kommen­tie­rende Beschrei­bung wurde dabei ganz verzichtet, so handelt es sich eher um einen Essay, als eine primär didak­tisch auf Wissens­ver­mitt­lung angelegte Darstel­lung.

Die Konzen­tra­tion im chro­no­lo­gi­schen Ablauf des Films liegt vor allem auf inneren Entwick­lungen und dem Verhältnis zwischen den Geschwis­tern. Über­ra­schend wenig erfährt man statt­dessen vom Vater Thomas, und auch der Selbst­mord Klaus Manns aus dem Jahr 1949 bleibt eine Fußnote am Ende. Als Erzähler und Leser der Text­stücke fungieren Vanessa und Corin Redgrave, auch ein unge­wöhn­li­ches Geschwis­ter­paar, auch dies mit einem berühmten, viel­leicht über­mäch­tigen Vater. Auch in diesem Detail zeigt sich eine Eigen­wil­lig­keit des Zugangs, die Escape to Life klar über übliche Doku­men­ta­tionen hinaus­hebt, und für jeden, an der Kultur­ge­schichte des 20.Jahr­hun­derts Inter­es­sierten zu einem sehens­werten Stück Kino macht.