DogMan

F/USA 2023 · 114 min. · FSK: ab 16
Regie: Luc Besson
Drehbuch:
Kamera: Colin Wandersman
Darsteller: Caleb Landry Jones, Clemens Schick, Christopher Denham, Marisa Berenson, Michael Garza u.a.
Kein Adrenalinkino, sondern ein ruhiger, intimer Film...
(Foto: Capelight Pictures/Central)

Der mit den Hunden lebt...

Luc Bessons DogMan ist ein eindringlicher Film über die Identitätskrisen des modernen Menschen

»Ich mochte Verklei­dungen schon immer. Das macht man so, wenn man nicht weiß, wer man wirklich ist, oder? Man erfindet eine Vergan­gen­heit, um seine eigene zu vergessen.« – in den aller­ersten Momenten ist ein Mann in Frau­en­klei­dern zu sehen. Es ist die Haupt­figur: ein Mann, der einfach Cross­dres­sing betreibt, der also keine Trans­person ist. Er wird von der Polizei verhaftet. Wir wissen noch nicht genau warum. Dann kommt er in die psych­ia­tri­sche Klinik und hat eine vom Gericht bestellte Gutach­terin. In den Gesprächen mit dieser Gutach­terin wird dann im Rückblick allmäh­lich die Geschichte dieses Mannes Kapitel für Kapitel chro­no­lo­gisch und etwas sche­ma­tisch erzählt.

Hunde spielen die Haupt­rolle in diesem Film. Es sind viele Hunde, und es geht dann um einen Mann, der seit seiner Kindheit mit Hunden zusam­men­lebt. Das wird dann im Laufe des Films genau erklärt.

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Es ist die Geschichte eines Menschen, der von seinem Vater miss­han­delt wurde. Er wurde von ihm in einem Hundekäfig mit Hunden zusammen einge­sperrt. Bevor er nach Monaten von den Sozi­al­behörden befreit wurde, entwi­ckelte er dort eine große Empathie für Hunde und fand einen Weg, um mit den Kreaturen auf eine Weise zu kommu­ni­zieren, die einmalig ist. Diese Hunde – es sind sehr viele und verschie­denste Hunde­rassen – machen alles für ihn, auch ganz unge­wöhn­liche Dinge.
Wir wissen nicht, ob so etwas im realen Leben auch möglich ist? In der Phantasie des Kinos ist es in jedem Fall möglich: So sieht man zum Beispiel eine Gruppe von Hunden, die in eine Wohnung einbre­chen und dort wie Robin Hood und seine Bande bei einer sehr reichen Frau ein Diamanten-Collier stehlen. Dieser DogMan tut auch im Alltag ganz viel für seine Tiere; er hat eine intime Nähe zu ihnen, die Hunde sind seine Ersatz­fa­milie.

Dies ist trotzdem vor allem auch eine mensch­liche Geschichte. Eine Geschichte, in deren Zentrum ein schon als Kind massiv gestörter und zerstörter Mensch steht. Einer, der darum kämpft, er selbst zu sein, sich zu finden, erwachsen zu werden. Und so richtig gelingt das bis zum Ende nicht. Denn dieser Mann ist auch körper­lich schwer gezeichnet. Er hat eine Lähmung, die ihn daran hindert, mehr als wenige Minuten aufrecht zu stehen, und eine Gewehr­kugel wandert langsam auf sein Rücken­mark zu, und wird ihn irgend­wann töten.

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Caleb Landry Jones, der 2021 bei den Film­fest­spielen von Cannes als bester Schau­spieler ausge­zeichnet wurde, spielt diesen von den Miss­hand­lungen gezeich­neten, mitt­ler­weile erwach­senen, aber meist im Rollstuhl sitzenden »Dogman« zwischen Humanität und Wahnsinn.

Wer die Bilder sieht, kann vermuten, dass Todd Phillips grandios-erfolg­rei­cher Joker ein Einfluss auf diesen Film gewesen sein muss. Die düstere Atmo­sphäre, die psycho­pa­thisch anmutende Gewalt und nicht zuletzt eine zeitweise sehr stark geschminkte Titel­figur mit trau­ma­ti­scher Jugend sind Hinweise darauf.

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Im Rausch der Tiefe, Nikita, Léon – Der Profi, Das fünfte Element, Valérian – der Name Luc Besson steht für Adrenalin-Action und fanta­sie­reiche Science-Fiction-Abenteuer, in jedem Fall für gewagte Szenarien.
Zumindest Letzteres trifft auch auf seinen neuen Film zu: DogMan erzählt von einem Mann, der sich mit Hunden besser versteht, als mit Menschen, und ist für Besson ein vergleichs­weise stiller, intimer Film.

Der fran­zö­si­sche Regisseur kehrt damit zum »enga­gierten« Kino seiner Anfänge zurück, und legt einen inten­siven Thriller vor, der sich an der Rohheit und Bruta­lität der Realität orien­tiert.
In dieser Rückkehr zu seinen Ursprüngen erforscht Besson die Iden­ti­täts­krise des modernen Menschen.

DogMan ist ein Film, der schon alleine für den Regisseur sehr unge­wöhn­lich ist. Denn Besson ist eigent­lich jemand, der immer für Adre­na­lin­kino steht. In gewissem Sinn macht er das zwar auch jetzt wieder. Aber trotzdem ist dies ein viel ruhigerer, intimerer Film. Wer Baller-Action à la Léon – Der Profi erwartet, wird enttäuscht werden. Aber es ist ein sehr geglückter Film.
Das liegt vor allem am Zauber der Hunde und an dem, was sie hier alles machen.