Daredevil

USA 2003 · 103 min. · FSK: ab 16
Regie: Mark Steven Johnson
Drehbuch:
Kamera: Ericson Core
Darsteller: Ben Affleck, Jennifer Garner, Colin Farrell, Michael Clarke Duncan u.a.
It's a burning hell...

In der Nacht der Gerechtigkeit

Väter, Söhne und Daddys Girl: Daredevil ist ein Superheld mit besonders dunkler Seite

Justitia ist bekannt­lich blind. Und auch Matt Murdock, der junge Anwalt, der in New York uner­müd­lich für Gerech­tig­keit kämpft, hat früh sein Augen­licht verloren. Im Rückblick wird dieses doppelt trau­ma­ti­sche Kind­heits­er­lebnis gleich zu Beginn von Daredevil erzählt, sehr schnell, sehr klar in groben, aber plas­ti­schen Strichen – wie es sich für eine Comic-Verfil­mung gehört. Zuvor schon hatten die Film-Credits sich elegant aus den hell erleuch­teten Fenstern einer nächt­li­chen Hoch­haus­ku­lisse heraus­gelöst – City Lights – Lichter der Großstadt darf man dabei mitdenken, Metro­polis wohl auch, und so sind in kürzester Zeit schnell ein paar Dinge klar: Daredevil/Matt ist, wie Batman oder Spiderman ein Superheld mit Nacht­seite: Dann bekämpft er dieje­nigen, die er nicht legal verur­teilen konnte, mit illegalen Mitteln.

Er stammt, nomen est omen, aus »Hell’s Kitchen« dem Arme­leu­te­be­zirk der Upper West Side, und seit ihm bei einem Unfall radio­ak­tive Flüs­sig­keit ins Auge schoß, sieht er nicht mehr. Dafür haben sich all seine anderen Sinne ins Über­mensch­liche entwi­ckelt, so weit, dass er übers Gehör doch perfekte Bilder erzeugt – für uns als schöne, bläulich-schwarze Compu­ter­ani­ma­tion sichtbar, ist ihm die Welt auch tagsüber ewige Nacht. Am Unfall trug eine Lüge des Vaters schuld, doch umgekehrt hatte der Sohn dann indirekt an dessen Ermordung Anteil – die Mutter bleibt völlig unerwähnt, so kann die Schuld­ver­stri­ckung zwischen Vater und Sohn nichts stören.

Überhaupt geht es um Väter und ihre Kinder in diesem Film: Elektra heißt eine schöne Frau, die bald an der Seite des Helden gegen das Böse antreten wird und unter dem gleich­na­migen Komplex leidet: Daddys Girl. Daredevil lernt sie, auch nicht zufällig, auf einem Kinder­spiel­platz näher kennen – und bald darauf ist die ganze Stadt der Spiel­platz der beiden. Als Daddy dann ermordet wird, schwört Elektra blutige Rache, den Atriden auch darin nicht nach­ste­hend.
Schließ­lich sollte man auf die Zeichen des Katho­li­zismus achten: Eine Madonna hier, ein Heili­gen­bild da, Kruzifixe überall, und ein Superheld, der zur Beichte geht, weil er ahnt, dass er nicht frei von Sünde ist: »Du willst keine Vergebung, Du willst Erlaubnis.« sagt der Priester weise, den hoch­mü­tigen Einwand, Gerech­tig­keit sei nie Sünde, schon im Voraus parierend. Ein Drama um Schuld und Sühne, mit einem klaren Ziel: Erlösung.

Bemer­kens­wert an Daredevil ist, dass solche Einfälle und Motive durchaus ernst genommen werden, und dabei zusammen genommen einen Film von sehr hohem Unter­hal­tungs­wert ergeben. Dass er düsterer und konse­quenter, damit auch erwach­sener ist, als der etwas pubertäre »Spiderman« ist gerade sein Vorteil. Mark Steven Johnson ist eher ein unbe­schrie­benes Blatt, und auch Ben Affleck in der Haupt­rolle strahlt, seien wir ehrlich, kaum mehr Inten­sität aus, als der Junge aus der Marga­ri­ne­wer­bung. Aber Jennifer Garner, neuer­dings als »Alias« bei ProSieben die Emma-Peel des neuen Jahr­tau­sends, ist als Elektra ganz bezau­bernd: Mit Charme und Taek Wan Do stiehlt sie Affleck und allen anderen die Schau, selbst Colin Farrell als sardo­ni­schem Bösewicht »Bulleye«.
Diese Auftritte und die vielen kleinen Szenen und Settings sind es, um derent­willen man diesen Film nicht versäumen sollte, die zusammen mit einer grund­sätz­li­chen Lässig­keit, Daredevil sehens­wert machen. Die Story hingegen ist nicht nur reak­ti­onär, sondern auch einfältig. Der Held ist eben auch einer Mann der Rot sieht und Selbst­justiz übt, wo er als Anwalt sich um die Gerech­tig­keit betrogen fühlt. Ein Sadist, der im Zweifel auch dort handelt, wo er sich aufs Recht nicht mehr berufen kann.
Trotzdem: Ein wunder­bares »guilty pleasure«, mindes­tens!