Dan – Mitten im Leben

Dan in Real Life

USA 2007 · 99 min. · FSK: ab 0
Regie: Peter Hedges
Drehbuch: ,
Kamera: Lawrence Sher
Darsteller: Steve Carell, Juliette Binoche, Dane Cook, Alison Pill, Brittany Robertson u.a.
Eine wirklich entspannte Komödie

Dan auf dem schmalen Grad

Wohl kaum ein Genre wird so mit Allge­mein­plätzen und bedeu­tungs­schweren Sentenzen überhäuft wie die Komödie. Das reicht von der (gerade von Film­schaf­fenden) immer wieder gerne kolpor­tierten Aussage, dass nichts so schwierig sei wie Komödie, über pauschale Aussagen zu Komö­di­anten (alles wahn­sinnig ernste, wenn nicht gar melan­cho­li­sche Menschen), über den Sinn der Komödie (»Um dem Irrsinn der Welt erträg­lich zu machen«) bis hin zu Über­le­gungen zu ihrem tieferen Wesen (oft beginnend mit den Worten »Komödien sind Tragödien die...«).

Den besten Kommentar zu dieser (bei genauer Betrach­tung meist voll­kommen unhalt­baren) Phra­sendre­scherei lieferte Woody Allen in seinem Film Verbre­chen und andere Klei­nig­keiten in der Gestalt des von Alan Alda verkör­perten Filme­ma­chers, der so gloriosen Unsinn wie »Comedy is tragedy plus time« oder »If it bends, it’s funny, if it breaks, it isn’t« verbreitet.

Diesen mehr oder minder zwei­fel­haften Weis­heiten sei eine weitere hinzu­ge­fügt, nämlich die, dass sich gute Komödien ständig auf einem schmalen Grad bewegen (müssen). Im Gegensatz zu den oben genannten Behaup­tung lässt sich diese sogar verhält­nis­mäßig angenehm belegen, z.B. indem man sich den Film Dan in Real Life (Folge 468 aus der beliebten Reihe »Dumme deutsche Verleih­titel«: diesen Origi­nal­titel hätte man äußerst passend mit einem doppel­deu­tigen »Dan im richtigen Leben« über­setzen könne, aber das wäre wohl zu nahe liegend und zu sinnvoll gewesen, weshalb wir uns jetzt über Dan – Mitten im Leben! freuen dürfen) anschaut.

Grad­wan­de­rungen sind immer mit einer gewissen Gefahr verbunden, was bei einer Komödie das Risiko beinhaltet, abzu­rut­schen bzw. abzu­stürzen in ein Extrem, in ein Klischee, in den Klamauk oder in das Unko­mi­sche. Diese Gefahren sieht man ganz klar herauf­ziehen, wenn man sich die Handlung von Dan in Real Life vor Augen führt.
Der Witwer Dan, Autor einer Lebens­hil­fe­ko­lumne, Vater von drei heran­wach­senden Töchtern, verliebt sich beim tradi­tio­nellen Verwandt­schafts­treffen ausge­rechnet in die neue Freundin seines Bruders.

Die verstor­bene Frau Dans war natürlich eine Muster­gattin, die Töchter verur­sa­chen natürlich die ihrem Alter entspre­chenden Probleme, die neue Ange­be­tete ist natürlich eine hübsche, geist­reiche, humor­volle Französin, die Ostküs­ten­fa­milie ist natürlich durch und durch schlag­fertig, intel­li­gent und kreativ, der arme Tropf Dan stolpert natürlich von einer Pein­lich­keit zur nächsten Malaise und überhaupt klingt das alles im ersten Moment so bere­chenbar bzw. berechnet, dass man regel­recht verstört ist, in den Haupt­rollen keinen der üblichen romantic comedy-Verdäch­tigen (für den vorlie­genden Fall etwa die Kombi­na­tion John Cusack und Meg Rayn) anzu­treffen. Doch gerade hier beginnt die (gelungene) Grad­wan­de­rung.

Schlechte Komödien verlassen sich auf Eindeu­tig­keiten, da trifft – um es einmal so zu umschreiben – die Torte immer ins Gesicht. Das ist eine sichere Sache, viele Menschen können sich darüber immer wieder amüsieren und jeder weiß, wo er lachen muss. Leider ist so etwas auch sehr vorher­sehbar, darum wenig über­ra­schend und (nach der tausendsten Wieder­ho­lung) für eine gehobenes Humor­ver­s­tändnis nur noch mäßig lustig.
Da hilft es auch nichts, die Torte durch Fäkalien (die gross out Variante) oder einen Braut­strauß (die romantic comedy Variante) oder einen Pelikan (die skurrile Variante) zu ersetzen. Der Witz ist immer der gleiche, nur die Darrei­chungs­form ist eine andere.

Eine gute Komödie wie Dan in Real Life dagegen versucht sich nicht vor einem solchen Witz zu drücken oder ihn neu zu erfinden, sie variiert bzw. inter­pre­tiert ihn einfach so, dass er wieder lustig ist, was – um im Bild zu bleiben – bedeutet, dass die Torte nicht den oder nicht dann oder nicht da trifft, wie man es erwartet.
Wenn eine solche Inter­pre­ta­tion nicht gelingt, bleibt es bei einem flauen, alten Witz, wenn sie aber erfolg­reich ist, ist sie für den Komö­di­enfan in der Regel ein doppelter Gewinn, da unsere Erwartung positiv gebrochen wird (Witz – das ist einen weitere Theorie zu diesem Gebiet – entsteht ja durch die Nich­ter­fül­lung unserer Erwar­tungen).

Dan in Real Life gelingt dieser schwie­rige Balan­ceakt, so dass eigent­lich nichts passiert, was nicht in anderen romantic-, coming of age-, Familien-, Intel­lek­tu­el­len­komö­dien auch passiert, nur dass es hier mit einer solchen erfri­schenden Leich­tig­keit und Selbst­ver­s­tänd­lich­keit geschieht, dass man sich immer wieder erstaunt fragt, wieso man plötzlich running gags über Verkehrs­de­likte, rumpelnde Wasch­ma­schinen neben dem Bett oder das Klischee der lüsternen Sexbombe wieder lustig findet.

Traum­wand­le­risch bewegen wir uns mit Dan in Real Life auf einem schmalen Grad, schauen hinab in Abgründe voller Klischees, Kitsch, billigem Klamauk, alten Witzen, Zoten, Pein­lich­keiten, saurer Moral und Nich­tig­keiten, Abgründe in die viele (sehr viele!!!) andere Komödien (und wir mit ihnen) regel­mäßig abstürzen.

Weshalb Dan in Real Life es besser macht, ist schwer zu sagen. Das geist­reiche Drehbuch ist dafür sicher ebenso verant­wort­lich, wie die präzise Regie und die durch­ge­hend hervor­ra­genden Darsteller (ein Beispiel von vielen hierfür sind etwa John Mahoney und Dianne Wiest als alters-lako­ni­sche Eltern).
Letztlich ist es wohl das Je-ne-sais-quoi jeder guten Kunst, dass ihn vom Mittelmaß abhebt.

Viel­leicht ist Dan in Real Life auch deshalb so schön, weil Komödie immer die Tragödie der anderen ist, oder weil wir uns darin selbst erkennen und so über unsere eigenen Sorgen und Problem lachen können oder weil »es sich biegt, aber nicht bricht«.
Nach dem Besuch von Dan in Real Life wird so mancher eine weitere, wichtige Erkenntnis zur Phäno­me­no­logie der Komödie beitragen können.