Dave Chappelle's Block Party

USA 2005 · 103 min. · FSK: ab 0
Regie: Michel Gondry
Drehbuch:
Kamera: Ellen Kuras
Darsteller: Erykah Badu, Bilal, Lil' Cease, Cody Chestnutt u.a.
Mehr als nur Chappelle's Show

Andererseits

Wenn der ameri­ka­ni­sche Star­ko­miker Dave Chappelle in New York ein Hip Hop Konzert mit zahl­rei­chen Super­stars orga­ni­siert und das alles vom (Video)Kult­re­gis­seur Michel Gondry zu einem Doku­men­tar­film verar­beiten lässt, dann klingt das im ersten Moment wie aufge­bla­senes Musik­fern­sehen, wie eine weitere selbst­ge­fäl­lige, konven­tio­nelle und kommer­zi­elle Nabel­schau.

Wenn man aber weiß, dass Chappelle einen heftig sarkas­ti­schen Humor pflegt, dass er sein Konzert im ärmlichen Brooklyn mit der Creme de la Creme des sophis­ti­cated Raps wie Common, den Roots oder Erykah Badu orga­ni­siert hat, dass im Film immer wieder Themen wie Armut und Rassismus disku­tiert werden und dass sich Gondrys Schaffen mehr durch Intel­li­genz als durch polierte Ober­fläch­lich­keit auszeichnet, kann man dahinter schnell mora­li­sie­rende Kritik und Gutmen­schelei vermuten .

Scheinbar mühelos bewegt sich Block Party zwischen, neben und durch diese beiden Kate­go­rien, um sie dabei gleich­zeitig zu bedienen, zu hinter­fragen, zu kriti­sieren und zu zerstören. Oft genug wird dadurch die andere Seite der Dinge, die Seite die uns die Medien sonst nicht zeigen, kenntlich gemacht.

Es sind somit die Wider­sprüche und »Unstim­mig­keiten«, die diesen Film so spannend, so inter­es­sant und so witzig machen.
Das fängt schon mit dem Veran­stal­tungsort des Konzerts, dem New Yorker Stadtteil Brooklyn, an. Dave Chappelle ist hier weder aufge­wachsen, noch wohnt er dort und übli­cher­weise finden in NY Konzerte wie dieses nicht hier, sondern an Orten wie dem Times Square oder im Central Park statt.

Warum also das ärmliche Brooklyn? Als Statement gegen die ungelösten Probleme der städ­ti­schen Armen­viertel? Als Remi­nis­zenz an die origi­nalen Block Partys? Als Aner­ken­nung der Hip Hop Stars aus dieser Gegend? Aus reiner Willkür? Aus finan­zi­ellen Über­le­gungen? Wegen dem Kult­faktor? Oder schlicht, um es anders zu machen als alle anderen?

Ähnlich unklar bleibt die Auswahl der auftre­tenden Musiker. Sind sie dabei, weil sie für den »anderen« Hip Hop jenseits von Luxus­autos und halb­nackten Frauen stehen? Weil sie politisch und kommer­ziell »korrekt« sind? Weil Chappelle ihre Musik der von 50 Cent und Co. einfach vorzieht? Aus prag­ma­ti­schen Gründen? Oder weil diese Musiker besser in sein Konzept (sofern ein solches exis­tierte) passten?

Weder Chappelle noch der Regisseur Gondry lassen sich hinsicht­lich solcher Fragen in die Karten schauen und so bleibt (zum Glück) bis zum Schluss offen, wie viel hier Berech­nung, wie viel Insze­nie­rung und wie viel unver­fälschte Realität ist.

Da sich Block Party nicht nur als Konzert- sondern auch als Doku­men­tar­film versteht, könnte man ange­sichts dieser voll­kommen verschwom­menen Linie zwischen Realität und Insze­nie­rung Bedenken anmelden. Doch schnell stellt man fest, dass Block Party mit der einsei­tigen Stim­mungs­mache vieler aktueller Dokus nichts gemein hat.

Denn zum einen wird hier jede eindeu­tige Stel­lung­nahme (zum Teil in der gleichen Szene) hinter­fragt oder rela­ti­viert. Und zum anderen besitzen die meisten Szenen eine subtile Allge­mein­gül­tig­keit, die es uner­heb­lich macht, ob man sie in einem Spiel- oder einem Doku­men­tar­film einsetzt.

Etwa wenn Chappelle mit der Leiterin des örtlichen Kinder­horts spricht und diese erzählt, dass diesen schon der Rapper Biggie Smalls als Kind besucht hat. Chap­pelles Kommentar, dass dann ja mögli­cher­weise eines der Kinder in dem Hort der zukünf­tige Notorious B.I.G. sein könnte, ist (unfrei­willig?) doppel­deutig. Einer­seits steckt darin die Hoffnung, dass eines dieser Kinder ähnlich erfolg­reich und berühmt wird und dem Elend entkommt. Ande­rer­seits steht damit aber auch das tragische Ende von Biggie Smalls, der im Alter von 25 Jahren erschossen wurde, im Raum.

Damit ist man bei einem weiterem zentralen Thema von Block Party, dem Erfolg. Sowohl Chappelle als auch Gondry, als auch die Gäste auf der Bühne sind zum Teil enorm erfolg­reich. Die Menschen vor der Bühne dagegen sind weit­ge­hend erfolglos bis hin zur Armut. Wie ist dieser Wider­spruch zu über­winden? Wie erfolg­reich darf man als Künstler sein um immer noch glaub­würdig zu bleiben? Oder hat Glaub­wür­dig­keit gar nichts mit dem Erfolg zu tun? Kann man den eigenen Erfolg für etwas Gutes nutzen? Reicht dann ein kosten­loses Stras­sen­kon­zert als gute Tat oder muss man sich mehr politisch und sozial enga­gieren? Ist das ganze Konzert und der Film am Ende nur eine weitere (unfrei­wil­lige oder berech­nete) Stufe in der Karrie­re­leiter aller betei­ligten Künstler? Wie weit darf bzw. muss man gehen, um Erfolg zu haben?

Ange­sichts all dieser span­nenden Refle­xionen darf man eine ganz entschei­dende Sache nicht vergessen.
Block Party ist in erster Linie ein Gute-Laune-Party Film, mit ausge­zeich­neter Musik, die ohne Unter­bre­chungen und in hervor­ra­gender Qualität zu hören ist, und einem überaus witzigen Dave Chappelle als schel­mi­schen Gastgeber.

Dass sich der Film aber nicht nur auf die pure Unter­hal­tung beschränkt, sondern zeit­gleich ein ganzes Bündel von inter­es­santen Themen anschneidet, macht ihn so außer­ge­wöhn­lich und doppelt sehens­wert.