Crimetime

Großbritannien 1996 · 118 min. · FSK: ab 16
Regie: George Sluizer
Drehbuch:
Kamera: Jules van den Steenhoven
Darsteller: Stephen Baldwin, Pete Postlethwaite, Sadie Frost, Geraldine Chaplin u.a.

Während noch darüber disku­tiert wird, ob David Lynchs Lost Highway ein Film über das »Flüg­ge­werden« (Hannibal Lecter) eines geis­tes­kranken Mörders ist, erscheint jetzt der erste offi­zi­elle Seri­en­mör­der­film der Saison in den Kinos. Im Film ist »Crimetime« der Titel einer engli­schen Version von »Akten­zei­chen XY...ungelöst«, die in der Krise steckt, da die Zuschauer schwinden. Ein Mord an einer attrak­tiven Frau, deren Leiche ein Auge und ein Strumpf fehlt, kommt den Machern des Senders wie ein Segen in einer Zeit, in der man schon den Brand­an­schlag auf einen Blin­den­hund medi­en­wirksam insze­nieren muß.

Der Schau­spieler Bobby Mahon (Stephen Baldwin) übernimmt den Part des Mörders und nachdem aus dem Mord eine Serie wird, kommt Bobby zu Ruhm als Seri­en­star. Aber auch der wirkliche Killer, Sidney (Pete Post­le­thwaite), findet Gefallen an der Aufmerk­sam­keit, die ihm plötzlich zuteil wird. Mit Genuß verfolgt der armselige Fern­seh­me­cha­niker seine nach­ge­stellten Morde und iden­ti­fi­ziert sich immer stärker mit seinem Bild­schirm-Alter Ego, so daß er Bobby bald Tips zur authen­ti­scheren Darstel­lung gibt. Die Schau­spie­ler­ehre bringt Bobby dazu, sich mehr und mehr in den Mörder hinein­zu­ver­setzen, wobei er sich zusehends unwohler fühlt und gewalt­tä­tiger benimmt. Dagegen geht es dem Killer Sydney immer besser, endlich steht er im beach­teten Mittel­punkt.

Doch plötzlich bleiben neue Morde aus, der Sender steht ohne Serie da und die Stars ohne Aussicht auf weiteren RuhmHan­deln tut Not!

Bemer­kens­wert an dem Film ist die Darstel­lung des Mörders. Pete Post­le­thwaite, der mit Abstand beste Akteur, spielt ihn nüchtern in einer trost­losen Umgebung. Er ist kein Monster, Vampir oder Menschen­fresser, sondern nur ein kleiner Mann, der gesehen werden will. Die Kamera vermit­telt dem Zuschauer die Enge seines Lebens zwischen Arbeit und der Pflege seiner blinden Frau (Geraldine Chaplin), in einer Wohnung, die an Scheuß­lich­keit kaum zu über­bieten ist. Seine Frau ist auch nicht das dominante Weib, das den Mörder in den Wahnsinn treibt, so wie das seit Psycho, im Rekurs auf Ed Gein, immer wieder gern gezeigt wurde. Sidney scheint seine Frau durchaus zu lieben, und sie ist in ihrer Blindheit vor allem eine Metapher für seine unsicht­bare Bedeutung.

Über diese guten Szenen der Klein­bür­ger­hölle hinaus, wirkt Crimetime etwas unaus­ge­goren. Daß man ihn keinem Genre zuordnen kann, wäre natürlich kein Problem. Aber er bedient sich verschie­dener Genre­kon­ven­tionen, ohne deren Möglich­keiten wirklich zu nutzen oder gar voran­zu­treiben. Die Medi­en­f­arce bleibt zahm, wenn die Leiterin des Senders nach dem Ende der Mordserie meint, daß man den Killer wohl besser auch auf die Gehalts­liste gesetzt hätte. Die Darstel­lung von Fernsehen und Film in ihrer Ausein­an­der­set­zung mit extremen Gewalt­ver­bre­chen wirkt naiv. Dieses Thema, so alt wie Jack The Ripper und die Londoner Presse, gäbe den Stoff für einen eigenen Film, ebenso wie das ange­deu­tete Drama zwischen Bobby und seiner Schau­spie­ler­freundin. Auch die Elemente des Horror­films sind nur Stückwerk und lassen den Zuschauer eher distan­ziert im Kino­sessel ruhen. Wie etwa das Motiv der Vers­tüm­me­lung, das für den Bildungs­bürger noch durch einen Besuch in einer Francis Bacon – Ausstel­lung genießbarer gemacht werden soll. So schnell wie im Film Figuren und Themen scha­blo­nen­haft wechseln, springt die Kamera zwangs­läufig von Ort zu Ort. Schade, daß sich die Macher nicht ganz auf die durchaus gewitzte Konstel­la­tion Killer – Schau­spieler konzen­triert haben.