The Counselor

USA/GB/E 2013 · 117 min. · FSK: ab 16
Regie: Ridley Scott
Drehbuch:
Kamera: Dariusz Wolski
Darsteller: Michael Fassbender, Penélope Cruz, Cameron Diaz, Javier Bardem, Brad Pitt u.a.
Abgegriffen und doch ein Sog...

Alles hat seinen Preis – auch die Gier

Nicht wenige halten Pulitzer-Preis­träger Cormac McCarthy für einen der bedeu­tendsten ameri­ka­ni­schen Autoren der Gegenwart. Viele seiner Werke sorgten für nach­hal­tiges Aufsehen im Lite­ra­tur­be­trieb und wurden daher auch für das Film­ge­schäft inter­es­sant. Am bekann­testen dürfte wohl die von den Coen-Brüdern verant­wor­tete Adaption des Romans No Country for Old Men sein. Der Name McCarthy steht für erzäh­le­ri­sche Wucht und einen nicht gerade leicht zugäng­li­chen Stil. Mit The Counselor legt der renom­mierte Schrift­steller nun sein erstes Kino­dreh­buch vor, das, von Ridley Scott samt Star­auf­gebot insz­e­niert, in den USA hohe Erwar­tungen schürte, aller­dings eine Reihe enttäuschter Rezen­sionen nach sich zog.

Wie so oft bei McCarthy, liegen der Geschichte arche­ty­pi­sche Struk­turen und Erzähl­bau­steine zugrunde. Hier sind es klas­si­sche Elemente des Gangster- und Western­films, die sich bereits im texanisch-mexi­ka­ni­schen Setting ankünden und wild zusam­men­ge­wür­felt eine Melange urame­ri­ka­ni­scher Genre­fan­ta­sien ergeben: Michael Fass­bender spielt einen erfolg­rei­chen Anwalt, den alle nur „Counselor“ nennen. Er liebt seine Freundin Laura (Penélope Cruz) und will ihr ein grenz­enlos-ausschwei­fendes Leben ermög­li­chen. Da kommt es wie gelegen, dass sein zwie­lich­tiger Geschäfts­partner Reiner (Javier Bardem) von einem lukra­tiven Deal mit der mexi­ka­ni­schen Drogen­mafia erzählt. Das Interesse des Anwalts ist geweckt. Und er steigt in den Handel ein, obwohl Mittels­mann Westray (Brad Pitt) ihn vor den Konse­quenzen warnt. Was folgen muss, ist klar: Beim Transport der Ware geht alles schief. Und das mexi­ka­ni­sche Kartell fordert seinen Tribut.

Schon der titel­ge­bende Prot­ago­nist scheint in seiner Anlage eine Anspie­lung auf den namen­losen Western­helden zu sein, der seit Sergio Leones Dollar-Trilogie zum Stan­dard­re­per­toire des Genres gehört. Gekreuzt wird er mit einer Figur, die einem Gangs­ter­film entsprungen ist. Ein seriöser, noch dazu gut ausse­hender Geschäfts­mann, der seine Hände eigent­lich nicht beschmutzen müsste, letztlich aber einem allzu mensch­li­chen Trieb unter­worfen ist: der Gier. Er will mehr als das, was er hat, um seine schöne Freundin voll­kommen an sich zu binden. Ihr Leben zu vergolden. Doch wie uns die Film­ge­schichte lehrt, führt ein zügel­loser Berei­che­rungs­wille selten zu dauer­haftem Glück. Alles hat seinen Preis. Das muss auch der Counselor erkennen, der, wie so viele Anti­helden des Film noir, sein Schicksal heraus­for­dert, ohne sein Handeln wirklich kontrol­lieren zu können.

Die expres­sive Mischung aus Gangs­ter­film, Noir- und Western-Fantasien schlägt sich auch im übrigen Figu­ren­per­sonal nieder: Beim durch­ge­knallten Reiner, einem exzen­trisch geklei­deten und ebenso frisierten Nacht­club­be­sitzer, der sich selbst gerne reden hört, Frauen verschleißt und doch nicht mehr ist als ein hedo­nis­ti­sches Würstchen. Beim lässig und zumeist mit Cowboy-Hut auftre­tenden Westray, der die Gefahren des Geschäfts kennt und sich daher stets abzu­si­chern versucht. Bei Laura, die den Counselor über alles liebt, von seinen Verstri­ckungen aller­dings nichts ahnt. Und schließ­lich bei Malkina, Reiners aktueller Gespielin, die allein optisch an eine raub­tier­hafte Femme fatale erinnert und von Cameron Diaz lustvoll als solche verkör­pert wird. Unver­hohlen rekur­riert The Counselor hier auf einen Topos des Film Noir – die Angst des Mannes vor einer mani­pu­lie­renden, allmäch­tigen Frau. Tatsäch­lich ist es Malkina, die den Drogen­deal entschei­dend unter­gräbt, ohne dass die anderen Betei­ligten davon wüssten. Sie ist eine Jägerin und Sammlerin, die Macht demons­trieren will und sich an der Verun­si­che­rung ihrer Mitmen­schen ergötzt. Eindrück­lich und vers­tö­rend zugleich kommt dies in der Szene zum Ausdruck, in der sie sich an der Wind­schut­z­scheibe von Reiners Wagen befrie­digt, also Sex mit einem Auto hat. Ein Anblick, dem sich der ergrif­fene wie fassungs­lose Nacht­club­be­sitzer nicht wider­setzen kann.

Während alle anderen Figuren nach und nach ihre Hand­lungs­fähig­keit einbüßen und zu Gefan­genen des außer Kontrolle geratenen Drogen­ge­schäfts werden, kann Malkina ihre Selbst­be­stim­mung behaupten. Immer wieder gibt es im Film Gespräche über Frauen und das Geheimnis, das sie umgibt. Geführt von Männern, die glauben, dass man die Damen nur reich beschenken muss, um sie zufrieden zu stellen. Ein Trug­schluss, den Malkina rück­sichtslos zertrüm­mert. Sie lässt sich nicht domes­ti­zieren. Hat einzig Lust am Spiel und tran­sz­en­diert sogar die Vorstel­lungen, die mit dem Bild der Femme fatale verbunden sind. Auch wenn ihr aggressiv-zerstö­re­ri­sches Auftreten auf den ersten Blick abstoßend erscheinen mag, bleibt sie doch die eindrück­lichste Figur des Films. Den hilf- und letztlich ahnungs­losen Männern stets überlegen.

McCarthy und Scott gelingt es keines­wegs immer, Klischee­bilder und Stereo­typen auf sinnvolle und origi­nelle Weise zu verbinden. Manches wirkt abge­schmackt und präten­tiös. So auch die wieder­keh­renden philo­so­phi­schen Abschwei­fungen, die sich um die Macht des Schick­sals und das Leben an sich drehen. Selbst­ver­liebte und allzu geschwät­zige Momente, die den Hand­lungs­fluss teilweise unnötig unter­bre­chen. Und doch entfaltet The Counselor einen eigen­ar­tigen Sog. Entfacht eine nervöse Spannung, die sich wie ein Netz über die Erzählung legt. Mögen die Plot-Bausteine auch noch so abge­griffen sein, Brüche und Auslas­sungen sorgen immer wieder für kurzz­ei­tige Verun­si­che­rung, unter­laufen bewusst die vermeint­lich in Stein gemeißelten Dreh­buch­re­geln des Main­stream-Kinos und fordern damit den Zuschauer heraus.

Unge­wöhn­lich für eine star­be­setzte Hollywood-Produk­tion ist sicher­lich auch die Unnach­gie­big­keit der Geschichte, die nach dem Scheitern des Drogen­deals keine Auswege bereit­hält. Ohne Rücksicht auf seine Figuren treibt McCarthy die Ereig­nisse auf zynisch-brutale Weise in die Kata­strophe und tilgt dabei fast alle Anflüge von Mitleid. Der Mensch, so scheint uns der Schrift­steller sagen zu wollen, ist eigent­lich ein schlechtes Wesen. Umso tragi­scher, dass er immer wieder die Wahl hat, sich zu ändern, oftmals aber die falschen Entschei­dungen trifft. Eine nihi­lis­ti­sche Haltung, die die breite Masse irri­tieren dürfte, dem Film jedoch eine eigen­wil­lige Ausdrucks­kraft verleiht.