Che – Guerilla

Che: Part Two

Frankreich/E/USA 2008 · 133 min. · FSK: ab 12
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: , ,
Kamera: Peter Andrews
Darsteller: Benicio Del Toro, Rodrigo Santoro, Demián Bichir, Catalina Sandino Moreno, Yul Vázquez u.a.
Der Revolutionär und sein Text

Am Ende war die Tat

Wer die Geschichte nicht kennt, heißt es, ist verdammt, sie zu wieder­holen. Das Motto von Che – Guerilla aber könnte lauten: Wer versucht, die Geschichte zu wieder­holen, ist verdammt zu scheitern.

Der zweite Teil von Steven Soder­berghs filmi­scher Annähe­rung an Ernesto Guevara ist weniger eine Fort­set­zung als eine Wieder­ho­lung unter umge­kehrten Vorzei­chen. Er begleitet Che bei seinem Versuch, nach dem Umsturz in Kuba nun auch in Bolivien den Kommu­nismus zum Sieg zu führen. Und wieder treibt den Film eine geradezu »Sendung mit der Maus«-hafte Neugier: »Wie geht das eigent­lich: Revo­lu­tion machen?«

Das Vorge­plänkel ist kurz: Die Verlesung von Ches Abschieds­brief an Kuba durch Fidel Castro – aus schrägem Winkel von einem Fernseh-Bild­schirm abgefilmt, ein simples aber wirkungs­volles Bild dafür, dass man auch histo­ri­sche Dokumente nicht unbedingt »at face value« nehmen soll. Anschließend ein paar intime Momente mit der Familie – sie wirken wie ein Backstage-Besuch bei einem, der gleich wieder in eine Rolle schlüpfen muss. Und dann ist Soder­bergh wieder ganz dabei, Revo­lu­tion als Alltags­ge­schäft, als Handwerk zu zeigen. Wieder müssen Wegge­fährten rekru­tiert und begrüßt werden, Lager gebaut und vertei­digt, Kommu­ni­ka­ti­ons­wege aufgebaut, Nahrungs­mittel beschafft werden. Ein gewisses Gefühl von Déjà vu ist dabei beab­sich­tigt – denn auch wenn vieles gleich ist, ist diesmal doch alles anders.

Von Anfang an hängt über dem Film das Gefühl eines Gangs zum Schaffott. Der Lein­wand­rahmen ist enger, die Farben sind ausge­blu­teter als bei Che – Revo­lu­ción. Mit noch metho­di­scherem und unro­man­ti­scherem Tonfall beob­achtet Soder­bergh die gezählten Tage des knappen letzten Jahres im Leben Ches, von der Ankunft in Bolivien bis zum Tod. Benicio Del Toro spielt ihn als einen, der eben nicht anderes (viel­leicht auch: nichts anderes?) kann. Dem es aber zunehmend schwerer fällt, einen Funken nach außen zu tragen.

Che – Revo­lu­ción war ein Film darüber, wie aus Text Realität wird: Wie aus Phrasen am Esstisch im europäi­schen Exil nach und nach poli­ti­sche Realität Südame­rikas entsteht. In Guerilla herrscht ein Primat der Tat: Es geht darum, was passiert, wenn zu all den Gesten und Verrich­tungen der Revo­lu­tion keine Rhetorik greift. Der Ausländer Che ist den boli­via­ni­schen Arbeitern und Bauern nicht will­kommen, der Kommu­nis­ti­schen Partei passt er nicht in den stra­te­gi­schen Kram. Und so sind er und seine Leute bald nichts mehr als eine Handvoll Männer und Frauen, die mit Gewehren durch den Wald rennen und eine Welt verändern wollen, die sich gar nicht verändern lassen will.

Guerilla ist das Yin zum Yang von Che – Revo­lu­ción, es ist die Antithese zur These. Die Summe beider Filme ist mehr als ihre Teile. Was könnte besser passen zu Steven Soder­bergh, dem prak­ti­zie­renden Dialek­tiker, dessen ganze Karriere zwischen star­be­setzten Block­bus­tern und obskuren Inde­pen­dent-Expe­ri­menten ja nichts anderes ist als ein Einkreisen der Wahrheit von den Extremen her.
Man könnte auch sagen, dass Soder­bergh mit dem Che-Duett eine Art Meta-3-D-Kino erfunden hat: Es sind nicht die kleinen Verschie­bungen zwischen zwei Einzel­bil­dern, die den Gegen­stand plastisch erscheinen lassen. Sondern erst durch die Unter­schiede zwischen zwei kompletten, bewusst ähnlichen Filmen entsteht der volle Eindruck von Tiefe.