Casomai – Trauen wir uns?

Casomai

Italien 2002 · 117 min. · FSK: ab 0
Regie: Alessandro D'Alatri
Drehbuch: ,
Kamera: Agostino Castiglioni
Darsteller: Stefania Rocca, Fabio Volo, Gennaro Nunziante, Mino Manni u.a.
Eine glückliche Familie...

Das Private bleibt politisch – wenn nichts dazwischenkommt ...

Immer noch blenden die meisten Liebes­filme bei der Hochzeit oder beim Ehever­spre­chen ab, obwohl jeder weiß, dass die Probleme dann erst richtig losgehen. Ales­sandro D’Alatri erzählt, wie es weiter­gehen kann, und entwi­ckelt aus dem Gedan­ken­spiel eine intel­li­gente und humor­volle Reflexion darüber, wie traute Zwei­sam­keit und Gesell­schaft zusammen- und gegen­ein­ander spielen.

Alles könnte so schön sein: Ein Traumpaar hat sich gefunden. Nach einge­henden Erwä­gungen (was war da mit diesem Model, und was ist das mit dem Ex-Freund, dem er so ähnlich sehen soll?) ziehen Stefania (Stefania Rocca) und Tommaso (Fabio Volo) zusammen, heiraten und bekommen ein Kind. Doch die Beziehung zu den alten Freunden verändert sich, und der Alltag wird anstren­gend. Stefania hat zunächst kaum eine Chance, in den Beruf als Make-Up-Stylistin bei Foto-Shootings zurück­zu­kehren, und auch Tommaso sieht sich als Ange­stellter einer Werbe­agentur unter Druck gesetzt. Als er zu Gunsten von Frau und Kind das Berufs­leben etwas zurück­fahren will, bekommt ein Kollege die Traum­pro­jekte und die neuen Kunden.

Was als leichte Komödie beginnt, entwi­ckelt immer drama­ti­schere Züge. Man entfremdet sich, die Opfer, die dem neuen Lebens­stil gebracht werden, schieben sich in den Vorder­grund. Vom einstigen Ideal der Ehe als träu­me­ri­schen Paarlauf beim Eistanz bleibt nicht viel übrig. Kann man wieder zuein­ander finden, wenn man sich erst einmal ausein­ander gelebt hat?

Wer könnte verhin­dern, dass man von einander weg treibt? Diese Frage stellt Pfarrer Don Livio (Gennaro Nunziante) dem jungen Paar bei der Trauung und nimmt die übrigen Hoch­zeits­gäste nicht aus. Im Ehegelübde bietet er Ihnen ein Klausel an: Treue, bis das der Tod sie scheidet – »casomai«, wenn die Umstände nicht zu schwierig werden. Denn was kann man tun, um die Schwer­nisse des Alltages, die Schwie­rig­keiten, Beruf und Familie zu vereinen, das Unver­s­tändnis der Umste­henden leichter tragbar zu machen? Und wer vorher hilf- und fassungslos das mögliche Scheitern einer Ehe verfolgt hat, steht nun vor der Frage, was man selbst anders, besser hätten machen können. Im Versuch, zu antworten, findet der Film zu seiner Verspielt­heit zurück.

Ein origi­neller Ansatz, den der Pfarrer da statt einer Predigt findet, hat doch das Brautpaar vorher extra um wenig reli­giösen Brim­bo­rium gebeten, schließ­lich sind beide nicht gläubig. Und eine über­ra­schender Weg, den das Drehbuch beschreitet mit der tragisch-komischen Vorschau auf kommende Schwie­rig­keiten. Hier wird nicht knallhart vati­ka­ni­sche Moral vertreten oder im Namen der »Familie als Keimzelle der Gesell­schaft« ein konser­va­tives Bild der Ehe gemalt. Vielmehr übt D’Allatri augen­zwin­kernd Kritik an einer Umwelt, die Selbst­ver­wirk­li­chung als höchstes Gut ausgibt und doch zu unfle­xibel ist, sie allen zu ermög­li­chen. Der Alltag wird über­frachtet mit wider­sprüch­lichsten Idealen, wie Bezie­hungen, wie Eltern­schaft, wie Berufs­leben zu sein haben.

D’Allatri kommt selbst aus der Werbe­branche und kennt das Mailänder Milieu genau, das er abbildet. Er hat Stefania Rocca (sie spielte unter anderem in Tom Tykwers Heaven mit) die weibliche Haupt­rolle auf den Leib geschrieben und die sonstigen Rollen mit unbe­kannten, aber spiel­freu­digen Darstel­lern aus Mailand besetzt. Sie und seine formale Expe­ri­men­tier­lust machen aus Casomai trotz des ernsten Themas einen vergnüg­li­chen Film.