Cascadeur

Deutschland 1998 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Hardy Martins
Drehbuch: ,
Kamera: Markus Fraunholz
Darsteller: Hardy Martins, Regula Grauwiler, Heiner Lauterbach, Robert Viktor Minich u.a.

In der Grund­schule hatte ich einen Freund, der konnte mit seinem Kett-Car ganz tolle Kunst­stücke aufführen. Und immer, wenn ihn seine Eltern abends im Fernsehen mal einen ameri­ka­ni­schen Krimi mit spek­ta­ku­lären Auto­ver­fol­gungs­jagden anschauen ließen, bretterte er am nächsten Tag mit dem Kett-Car auf zwei Rädern durch den Gara­genhof und fühlte sich wie der weltbeste Stuntman aus Hollywood. Ich mußte oft an diesen Freund denken, bei Cascadör.

Der Held des Filmes heißt zwei­fels­ohne Hardy Martins. Der läßt norma­ler­weise für Proleten-Serien auf RTL diverse Vehikel auf teutschen Auto­bahnen kame­ra­wirksam inein­an­der­kra­chen – denn er ist der bekann­teste Stuntman unseres herr­li­chen Heimat­landes.
Aber nebenbei träumt er auch schon immer von einem deutschen Action­film fürs Kino, und nach langen Jahren hat er es dank seiner Beharr­lich­keit geschafft, einer ganzen Armada von Geld­ge­bern DM 7 Mio. abzu­schwatzen.
Die hat er nun inves­tiert in ein Projekt, bei dem er nicht nur für die Stunts verant­wort­lich zeichnet, sondern auch für »Story« und »Regie« (Begriffe, die nicht so wirklich passen wollen ange­sichts von Cascadör), bei dem er die Haupt­rolle spielt – und bei dem er, hätte man ihn nur gelassen, wahr­schein­lich am liebsten auch noch alle anderen Rollen selbst gespielt, die Kamera bedient, die Kostüme genäht und für das Team täglich Wurst­brote geschmiert hätte.

Schade, daß von dem ganzen Geld offenbar nichts übrig­ge­blieben ist für ein Drehbuch. Was die zwei Uwes (Wilhelm & Kossmann) da aus ihren Text­ver­ar­bei­tungs­pro­grammen hervor­ge­quält haben wirkt jeden­falls wie das Ergebnis einer Feri­en­schreib­werk­statt für minder­be­gabte Erst­klässler: Tausend Versatz­stücke aus ameri­ka­ni­schen Action­filmen, wahllos gestreute Selbst­ironie, dumm­dreiste Klischees, und Dialoge, von denen man Tage später noch Bauchweh hat – alles ohne erkenn­bares Gespür für Drama­turgie und Rhythmus zusam­men­stop­selt zur glat­zen­sträu­benden Story um den Zapfen­pflü­cker (fragen sie nicht!) Vincent und die Kunst­his­to­ri­kerin Christin (Regula Grau­willer, die, so entnehmen wir begeis­tert dem Pres­se­heft, »Natur, Skifahren und Mountain-Biking« liebt und Cello spielt) auf der Jagd nach dem Bern­stein­zimmer, bei der sie auch gleich noch die Überreste von Onkel Addi samt Eva Braun und Schä­fer­hund finden.

Auf dem Niveau des Skripts gründelt der Film schlim­mer­weise auch in so ziemlich jeder anderen Hinsicht dahin. Selbst zwei Co-Regis­seusen und Hannes Nikel als Berater beim Schnitt konnten nichts mehr retten (haben aber wahr­schein­lich noch Schlim­meres verhin­dert): filmisch ist Cascadör ein Fall für die Vollkasko, unter dem die gele­gent­lich aufblit­zenden guten Ansätze sang- und klanglos verschüttet gehen.
Zu allem Überfluß schafft es Martins nicht einmal, das eine, was er unbe­zwei­felbar beherrscht, vernünftig in Szene zu setzen: ein Gutteil der Stunt-Szenen sind dermaßen konfus insze­niert und geschnitten, daß jeglicher Überblick abhanden kommt, wer hier gerade wo, wie, warum und mit welchem Gefährt was macht.

Aber das ist natürlich alles nur die Meinung eines gries­grä­migen Intel­lek­tu­ellen, der sich einbildet, gerade Genre-Kino sei nicht einfach zwangs­läufig dumm, primitiv und unüber­legt – wie die Macher des Films zu ihrer Vertei­di­gung anführen. Cascadör hat, in seiner unend­li­chen Subti­lität, freilich schon längst erkannt: »So ist das mit den Intel­lek­tu­ellen, es ist kein Verlaß auf sie.« Die Volks­seele empfindet ganz anders: Immerhin konnte der Film bei Sneak-Previews zu solch begeis­terten Kommen­taren wie (abermals Zitat Pres­se­heft) »Der lang­haa­rige Mann geht nie kaputt« hinreißen.
Vermut­lich haben da bei den Probe­vor­füh­rungen die Verant­wort­li­chen das Johlen des Publikums ob der unfrei­wil­ligen Komik des Films mit inten­diertem Unter­hal­tungs­wert verwech­selt. Viel­leicht leben sie aber auch schon unan­tastbar in ihrer eigenen, kind­li­chen Vorstel­lungs­welt, wo jeder sie so toll finden muß wie sie sich selbst. Hardy Martins jeden­falls fühlt sich im Gara­genhof der deutschen Film­land­schaft ganz offen­sicht­lich wie der König von Hollywood.

Ein deutscher Actionfilm

»Der Film soll einfach nur Spaß machen« – spätes­tens wenn ein Regisseur Derar­tiges von sich gibt, ist Vorsicht geboten. Nun ist Hardy Martins aller­dings genau­ge­nommen kein Regisseur sondern Stuntman. Und damit sind wir gleich beim nächsten Problem.

Cascadeur – Die Jagd nach dem Bern­stein­zimmer, bei dem Hardy Martins für Regie, Produk­tion und »Idee« verant­wort­lich zeichnet, und überdies noch die Haupt­rolle übernahm, möchte ein deutscher Action­film sein. Und Action gibt es auch tatsäch­lich zuhauf. Fall­schirm­ab­sprünge, Explo­sionen, gewagte Klet­te­reien und vor allem unzählige Verfol­gungs­jagden sorgen für Tempo. Die Stunts dieses Films haben Klasse, und bis auf wenige Ausrut­scher gelingt es dem Team, daß dies alles nicht so billig und nach­ge­macht aussieht, wie in den meisten deutschen Produk­tionen, sondern mit Hollywood mithalten kann. Wird Cascadeur dadurch aber schon zum Film ? Das Beste, was sich nämlich außer dem Lob für die Stunt­ein­lagen noch über dieses Machwerk sagen ließe, ist, daß es sich um nicht mehr handelt, als um einen Werbespot für den Stuntman Hardy Martins. Nimmt man Cascadeur jedoch als Film ernst, müssen strengere Maßstäbe gelten, und das Urteil dement­spre­chend vernich­tend ausfallen.

Denn Cascadeur ist nicht einfach eine schlecht gespielte, belang­lose Geschichte. Der Film ist das dumm­dreis­teste Machwerk, das man seit langem auf deutschen Kino­lein­wänden zu sehen bekam. Es strotzt nur so von der eitlen Egozen­trik des Hardy Martins, der sich selbst ständig ins Bild setzt, obwohl er, wie auch Regula Grauwiler, Heiner Lauter­bach und Robert Viktor Minich in den Hautrollen allesamt auf Knall­chargen-Niveau unterster Kategorie agieren. Die einzig lustigen Momente sind die unfrei­wil­liger Komik, der Rest der Story ist reiner Vorwand, um sich von Stunt zu Stunt zu hangeln, überdies gespickt mit höchst geschmack­losem Umgang mit der Nazi­ver­gan­gen­heit. Die stärkste darunter ist die Idee, das histo­ri­sche Bern­stein­zimmer zu einer Art Cheops-Pyramide für Adolf Hitler zu erklären. Kurz vor Schluß des Films findet Held Vincent dann die vermo­derten Gebeine des Führers, Eva Brauns und überdies noch eines Schä­fer­hundes -Martins hält dies wahr­schein­lich für subtile Ironie- in einer bern­st­ein­ge­schmückten Bunker­höhle in der Rhön. So etwas wird spätes­tens dann auch politisch frag­würdig, wenn sich die Macher, die eben noch verkün­deten, daß sie »nur Spaß machen« wollen, damit recht­fer­tigen, daß man heute frei mit der Vergan­gen­heit umgehen solle.