Carne de perro – Hundefleisch

Carne de perro

Chile/F/D 2012 · 81 min.
Regie: Fernando Guzzoni
Drehbuch:
Kamera: Bárbara Álvarez
Darsteller: Alejandro Goic, María Gracia Omegna, Alfredo Castro, Sergio Hernández, Daniel Alcaíno u.a.
Metaphernreich: Es geht um innere Verwerfungen

Auf den Hund gekommen 2

Von 1973 bis 1990 wurde Chile von Augusto Pinochet regiert. Durch einen Militär­putsch an die Macht gelangt, kontrol­lierte der Diktator das Land durch ein Terror­re­gime, zu dessen Methoden Folter, Mord und Vertrei­bung gehörten. Bis heute leidet Chile an den Nach­wir­kungen dieser bisher nur ungenü­gend aufge­ar­bei­teten trau­ma­ti­schen jüngeren Vergan­gen­heit. Der Regisseur Fernando Guzzoni ist der erste Filme­ma­cher, der sich der Seite der Täter widmet. In seinem Film Carne de perro – Hunde­fleisch spielt Alejandro Goic einen Taxi­fahrer, der unter dem Pinochet-Regime als Folterer gear­beitet hatte.

Als das Auto des 50-jährigen Taxi­fah­rers Alejandro (Alejandro Goic) für eine Woche in die Reparatur muss, droht das triste Leben des einsamen Mannes endgültig aus den Fugen zu geraten. Alejandro wurde zuvor bereits von seiner Frau verlassen und seine Tochter will nichts mehr von ihm wissen. Die Tatsache, dass auch noch ein ehema­liger Kollege gerade Selbst­mord begangen hat, setzt Alejandro sehr stark zu. Aufgrund der Wagen­re­pa­ratur zu Untä­tig­keit verdammt, peinigen den ehema­ligen Folterer Bilder aus seiner dunklen Vergan­gen­heit. Sein inneres Leiden ist so stark, dass er körper­liche Schmerzen verspürt, weshalb er einen Arzt aufsucht. Von dessen Hinweis, dass er wahr­schein­lich psycho­lo­gi­sche Hilfe benötige, will Alejandro jedoch nichts wissen. Zugleich quälen ihn heftige Wutaus­brüche und Panik­at­ta­cken und immer öfter verliert er die Kontrolle über sich. An einem Tag verbrüht er seinen bellenden Hund derart, dass das Tier später seinen Verlet­zungen erliegt.

Dieser voll­kommen irra­tio­nale Akt zeigt wie unbe­re­chenbar und innerlich defor­miert Alejandro ist. Denn eigent­lich ist er kein Tier­quäler. Als er sich nach der Tat wieder beruhigt, verart­ztet er liebevoll den Hund. Jedoch kommt diese Hilfe zu spät. Die offenen Wunden des Hundes entspre­chen den inneren Verlet­zungen Alejan­dros, die ihn wie ein Krebs­ge­schwür zerfressen. Sie sind das »Hunde­fleisch« im Titel des Films.

Es ist eine der wenigen starken Metaphern, die der Regisseur Fernando Guzzoni in Carne de perro findet. Die meiste Zeit über wirkt der Film in seiner nicht stili­sierten Kargheit eher wie eine Doku­men­ta­tion als wie ein fiktio­naler Film. Nur die beein­dru­ckende Schau­spiel­leis­tung von Alejandro Goic sorgt dafür, dass man als Zuschauer nicht ganz aus dem sperrigen Werk aussteigt. So verschlossen wie Alejandro ist, so sehr verschließt sich auch der Film vor dem Zuschauer.

Alle Infor­ma­tionen sind sehr bruch­s­tück­haft und müssen vom Betrachter auf fast detek­ti­vi­sche Weise den wenigen Dialogen des Films entnommen und zu einem Split­ter­ge­füge zusam­men­ge­setzt werden. Selbst dass Alejandro ein Folterer war geht nur indirekt aus einem Treffen ehema­liger »Militärs« hervor. Das Beispiel des einstigen Kollegen, der Selbst­mord begeht, deutet an, dass diese Männer Dinge getan haben müssen, unter denen sie noch heute stark leiden. Aber was Alejandro genau getan hat, davon gibt es noch nicht einmal Andeu­tungen. Ohne ein gewisses geschicht­li­ches Vorwissen würde man deshalb kaum etwas verstehen.

Carne de perro treibt folglich keine Geschichts­auf­be­ar­bei­tung, sondern beschränkt sich auf die bruch­s­tück­hafte Charak­ter­studie eines ehema­ligen Täters, der zugleich das Opfer seiner eigenen Taten ist. Wahr­schein­lich ist letztere Erkenntnis für die Chilenen derart wichtig, dass sie den Film dort zum Erfolg hat werden lassen. Für jemanden, der sich dieses Geschehen von außerhalb anschaut, ist das im Film Gezeigte jedoch so dürr, dass der Außen­ste­hende weiterhin weitest­ge­hend außen vor bleibt.

Inter­es­sant ist, dass der chile­ni­sche Film Carne de perro fast zeit­gleich mit dem slowa­ki­schen Môj pes Killer (My Dog Killer) heraus­kommt. In beiden Filmen dient der Hund im Filmtitel als sicht­bares Symbol für die innere Defor­ma­tion des Prot­ago­nisten. Aller­dings ist die Perspek­tive beider Filme genau entge­gen­ge­setzt. Môj pes Killer zeigt einen jungen Mann, der eine Tat begeht, die für sein weiteres Leben zu einer schweren Bürde wird. In Carne de perro hingegen sieht man, wie stark solch ein Leben auch dann noch belastet bleibt, als äußerlich bereits wieder völlige Norma­lität einge­treten ist.