Brothers

USA 2009 · 104 min. · FSK: ab 12
Regie: Jim Sheridan
Drehbuch:
Kamera: Frederick Elmes
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Natalie Portman, Tobey Maguire, Clifton Collins jr., Bailee Madison u.a.
Weichgespültes Remake: zu schön, um wahr zu sein

Draußen vor der Tür

Was von den Geschichten übrig bleibt: Jim Sheridans Remake des Kriegs­heim­keh­rer­films Brothers

Zwei Brüder, die in Männer­ver­wahr­an­stalten leben, wenn auch sehr unter­schied­li­chen. Sam ist Offizier in der US-Armee. Zu Beginn des Films holt er seinen Bruder Thommy am Tag von dessen Entlas­sung aus dem Gefängnis ab. Ein gemein­sames Abend­essen bei den Eltern entfaltet die dysfunk­tio­nale Konstel­la­tion dieser Familie: Sam ist der brave Sohn, der alles gemacht hat, was das Reißbrett der bürger­liche Gesell­schaft für seine jungen Männer so vorge­sehen hat: Er hat seine bild­hüb­sche High­school-Liebe Grace gehei­ratet und mit ihr zwei, selbst­ver­s­tänd­lich niedliche Töchter produ­ziert, jetzt »dient« er seinem Land. Thommy dagegen ist das schwarze Schaf, er nimmt das Leben leicht, trinkt gern Alkohol und raucht auch mal einen Joint, hat wech­selnde Freun­dinnen, und, wie gesagt, »eine Vergan­gen­heit«. Der Vater der beiden macht in seiner auto­ritären Art schon in den ersten Minuten dem Zuschauer gleich sonnen­klar, wo der Hammer hängt – und mit ihm der Werte­ho­ri­zont dieser Familie. Zugleich entfaltet der Ire Jim Sheridan, der seit 30 Jahren in Amerika lebt, hier wie schon in In the Name of the Father subtil die Konstel­la­tion einer obses­siven Vater-Sohn-Beziehung, in der das Muster­kna­bentum von Sam, wie die Krimi­na­lität Thommys auch Versuche sind, mit diesem Übervater umzugehen.

Ein paar Tage später wird Sam zum Einsatz nach Afgha­nistan abkom­man­diert, und man ahnt schnell, dass Thommy in mancher Hinsicht seinen Platz einnehmen wird, das zugleich der Vater-Sohn-Konflikt ohne den Bruder-Puffer eska­lieren dürfte. Das ist erst recht der Fall, als Sam abge­schossen und als tot gemeldet wird. Rührend kümmert Thommy sich um die Kinder und die Witwe, der harte Vater hingegen zeigt offen, dass er lieber den anderen Sohn den Tod gewünscht hätte. Der Zuschauer weiß freilich bald mehr: Sam hat überlebt, findet sich aller­dings in überaus brutaler Geisel­haft bei einer Taliban-Bande, wo er irgend­wann gezwungen wird, einen gefan­genen Kameraden zu töten, um selbst zu überleben – bevor man ihn schließ­lich befreit.

Mit diesem Einschnitt und Sams Rückkehr beginnt nun die eigent­liche Tragödie des Films: Wie in Wolfgang Bocherts Nach­kriegs­drama »Draußen vor der Tür« – und mit ähnlichem, ein wenig abge­stan­denen Pathos – geht es um einen Kriegs­heim­kehrer, der nach den erlebten Schrecken nicht mehr zurück in sein vorhe­riges Leben findet. Sheridan greift damit das zwei­fellos wichtige Thema der Kriegs­trau­mata auf, und die Frage, wie unsere Gesell­schaft eigent­lich mit ihren heim­ge­kehrten Veteranen umgeht.

Wie Sheridan das aller­dings tut, ist vor allem ein Lehrstück darüber, was Hollywood mit unseren Geschichten macht, und was am Ende von ihnen übrig­bleibt. Denn Brothers ist ein Remake des gleich­na­migen Films der dänischen Regis­seurin Susanne Bier von 2004. Brothers – Zwischen Brüdern war ein leiden­schaft­li­cher Film, der sein Publikum seiner­zeit als aller­erster europäi­scher Film, direkt mit der Tatsache konfron­tierte, dass sich spätes­tens seit Anfang der 90er Jahre – zuerst in Jugo­sla­wien, jetzt in Afgha­nistan – wieder Soldaten aus unserer eigenen Gesell­schaft in Kriegs­ein­sätzen befinden. Eine Erfahrung die Ameri­ka­nern ungleich vertrauter ist. Man wunderte sich im nach­hinein, warum diese Erfah­rungen bis dahin im Kino kaum präsent waren – bis heute gibt es in Deutsch­land nur einen einzigen Kinofilm (Brigitte Berteles Nacht vor Augen von 2008), der ähnliches erzählt. Während das europäi­sche Kino die eigenen Kriege nach wie vor eher zu verdrängen, mitunter totzu­schweigen scheint, gibt es in den USA bereits mehr als ein Dutzend Filme verschie­denster Qualität, die das Thema in den Blick nehmen.

Im Vergleich zu Bier bietet Sheridan aller­dings eine weich­ge­spülte Variante der Geschichte: Das geht schon damit los, dass Schau­spieler wie Tobey Maguire, Jake Gyllen­haal und Natalie Portman einfach drei Klassen zu gut aussehen, um ihnen Angehö­rige der weißen lower middle class Amerikas abzu­nehmen – und überdies viel zu gestylt, – wenn Portman zum Beispiel immer so frisiert ist, als käme sie gerade vom Friseur, was sie ja am Filmset auch tut –, und viel zu dünn, wenn sie neben den Statisten mit ihren Bier­bäu­chen stehen. Da ist der Eindruck, den Ulrich Thomsen, Nikolaj Lie Kaas und Connie Nielsen in Biers Original machen, schon von anderem Kaliber und einfach viel stimmiger. Nur Sam Shepard nimmt man den Vater, in dessen trockenem Äußeren doch ein weiches Herz schlägt, fast durch­ge­hend ab.
Auch in anderer Hinsicht ist der Vergleich aufschluss­reich: Das US-Remake ist zwar fünf Minuten kürzer, wirkt aber breit­ge­tre­tener. Der Grundton ist der eines über­hitzten Melodrams, statt kühler Bestands­auf­nahme aus der Mitte des Lebens. Vor allem aber wird hier von Anfang an mit erhobenem Zeige­finger Moral gepredigt, und mora­li­sche Eindeu­tig­keit, – im Zwei­fels­fall – Reinheit, gesucht, wo Biers Vorbild neugie­riger auf Ambi­va­lenzen war. Zuge­spitzt könnte man also schließen: Hollywood sucht Selbst­ver­ge­wis­se­rung, der europäi­sche Auto­ren­film sät den Zweifel – und dieser Befund ist so neu nicht, als das man deswegen den Film sehen müsste.

Am Ende befindet sich Sam wieder in einer Anstalt. Nun ist es eine Nerven­klinik – der Bruder, mit dem er nur über Telefon reden kann, aber ist in Freiheit, draußen vor der Tür.