Botero – Geboren in Medellin

Botero Born in Medellin

Deutschland 2008 · 92 min. · FSK: ab 12
Regie: Peter Schamoni
Drehbuch:
Kamera: Ernst Hirsch, Konrad Hirsch
Schnitt: Carsten Dillhöfer, Sabine Rottmann
Hingucken lohnt sich:
Der monumentale Botero im Portrait

Liebliche Leiber

»Ich komme mit der Kunst zu den Menschen«, sagt der adrett geklei­dete Herr mit dem gepflegten weißen Bart und den etwas schel­misch drein­bli­ckenden Augen, die sich unter den strengen Augen­brauen verste­cken. Dass er bereits fast acht Jahr­zehnte auf dem Buckel hat, merkt man seiner geraden Statur gar nicht an und um sein welt­weites Renommee macht er auch kein großes Aufheben. Aber der Künstler, den Peter Schamoni in Botero – Born in Medellin präsen­tiert, ist ein Schwer­ge­wicht in der Kunstwelt und reiht sich ohne weiteres in das illustre Kabinett Schamonis Film­bio­gra­phien ein. Frie­dens­reich Hundert­wasser, Max Ernst, Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely – sie alle hat er auf seine unauf­dring­liche Art begleitet und auf die Kino­lein­wände gemalt.

Diesmal porträ­tiert er Fernando Botero (geb. 1932), dessen unver­wech­sel­bare Bilder und Plastiken mitt­ler­weile in jeder Metropole der Welt ange­kommen sind. Die »Botero-Perspek­tive«, die all seinen Schöp­fungen ins Gesicht geschrieben steht, ist sein Hang für üppige Leiber, die in markanter Dispro­por­tion zu den Augen, Nasen, Mündern stehen. Figurale Malerei, die aber zu grotesk ist, um den Anspruch auf schnöden Realismus zu erheben. Höchstens auf den magischen Realismus, einem Genre unter welchem er wie Gabriel García Márquez gerne subsu­miert wird. »In art you paint always the same, but in a different way«, hört man ihn in seinem kolum­bia­ni­schen Akzent sinnieren und gemäß dieser Einstel­lung bedient sich Botero bei seinen Vorbil­dern. Die Damen von Ingrés und Rubens erhalten, durch sein Prisma betrachtet, Doppel­gän­ge­rinnen, die einiges mehr in die Wagschale werfen – mal rein quan­ti­tativ betrachtet. Giaco­metti, Dürer, Velasquez, Courbet, Cezanne, Picasso – niemand wird von Boteros Zerr­spiegel verschont. Sogar Mona Lisa erstrahlt auf eine Weise, die die Mund­winkel des Originals unwill­kür­lich weiter zu den Ohren ziehen.

Botero des Plagie­rens oder des Zynismus zu bezich­tigen könnte man dennoch nur aus Missgunst, denn so respektlos er mit Propor­tionen auch umgeht, die Beziehung zur eigenen Zunft und zu sich selber ist aufrichtig. Durch seine Kunst­werke möchte er seine »geistige Paral­lel­welt« mitge­teilt wissen. Seine nudel­di­cken Dirnen und Hanseln sind, bei aller Erotik ihrer Exuberanz, weit entfernt von Frivo­lität oder sonst einer frat­zen­haften Ästhetik. Ihre Würde mag dem unge­wohnten, schnellen Auge verborgen bleiben, doch spätes­tens bei seinen künst­le­ri­schen Stel­lung­nahmen zum Bürger­krieg, zu den Folte­rungen in Abu Ghraib entledigt er sich des Vorur­teils ein auf dicke Frauen fixierter Karri­ka­tu­rist zu sein. Es geht Botero darum, die Monu­men­ta­lität seiner Objekte hervor­zu­heben, nicht sie dem Verlachen preis­zu­geben. Seine begehrten schwarzen Bron­ze­skulp­turen, sind daher gerne mal in Groß­format. Die Kaiserin von Japan hat sie im Garten stehen, auch Jacques Chirac war bereits Abnehmer einiger Plastiken des uner­müd­lich arbei­tenden Stolz der Paisas, wie die Lands­männer Boteros aus dem Nord­westen Kolum­biens genannt werden. Und er reist mit seinen Werken mit, schüttelt Hände, gibt wohl­wol­lend Auto­gramme, orches­triert eigen­händig die Instal­la­tionen, und erzählt ganz unbedarft aus seinem dicken Buch.

Schamoni begleitet ihn als unsicht­barer, lautloser Beob­achter auf seiner Reise zu den wich­tigsten Stationen seines Lebens, streut hier und da ergän­zende Bilder und ältere Aufnahmen ein, nimmt uns mit in die Galerien und Museen der großen Städte und lässt dem Maestro stets den Raum, sich frei zu entfalten. Botero – Born in Medellìn ist ein meis­ter­haftes Vehikel, das uns erlaubt, ganz nah an Botero heran­zu­treten.